Rezension: Doug Chiang: The Cinematic Legacy & The Star Wars Legacy von Alexandre Poncet & Gilles Penso

Unser Gastrezensent Phil schaut sich heute für euch den Doppelband zu Doug Chiangs Schaffen im Schuber an, der diesen Monat bei Abrams Books erschienen ist. Ihr könnt Phil auch auf Instagram finden, wo er Fotos seiner Sammlung postet.

Abrams Books, einer der umtriebigsten Verlage für Star Wars-Bücher, widmet Doug Chiangs Schaffen einen üppigen Doppelband, den wir uns gemeinsam ausführlich anschauen. Eigentlich ist diese Werkschau schon fast überfällig. Doug Chiangs Schaffen rund um Star Wars ist nicht nur eingefleischten Fans ein Begriff: Die ikonischen Bilder des N-1 Starfighters oder das Design der Battle Droids sind eher schon Teil der Popkultur. Der vorliegende Doppelband honoriert nun das Lebenswerk von Chiang umfassend und angemessen auf in Summe 800 Seiten – mit Star Wars-Fokus, aber auch einem kompletten Band mit seinem Schaffen darüber hinaus. Zeichnungen, digitale Kunstwerke, Filmkonzepte, sogar Modellbau – all das wird eingehend beleuchtet.

Die äußeren Werte: feudal wie das Royal Starship

Der stabile, stoffbezogene Schuber, die schweren Bücher im ebenfalls bezogenen Einband, das Format und das Gewicht: Das macht schon was her und macht sich sehr gut neben anderen Premium-Veröffentlichungen wie den Star Wars Archives aus dem TASCHEN Verlag oder der Ralph McQuarrie Werkschau. Dicker und opulenter gibt’s kaum etwas. Auch bei Papier und Druck bleiben keine Wünsche übrig. Farben sind knallig, Linien fein, das Layout ist aufgeräumt und lädt dennoch zum Entdecken und Verweilen ein. Der Schuber ist zudem mit einem praktischen Stoffband ausgestattet, welches man unbedingt beim Einschieben der Bücher um eben diese legen sollte, damit die nächste Entnahme auch ohne Verrenkungen gelingt.

Band 1

Der andere, wichtige Doug

Obwohl Star Wars mit dem kompletten Band 2 den größeren Teil des Werkes einnimmt und wir uns hier in der Jedi-Bibliothek befinden, ist Band 1 aufgrund der größeren Bandbreite an Filmen mindestens ebenso relevant. Anders als bei Star Wars, wo viele Fans die Arbeiten direkt Chiang zuordnen können, ist er bei vielen anderen Filmen weniger bekannt, und dennoch sind seine Arbeiten für die Werke oft essenziell. 

Das Buch beleuchtet zu Beginn seine Vita. Eindringlich wird von den seiner Kindheit in Taiwan berichtet. Ich habe selbst viel Zeit dort verbracht und kenne auch seine Heimatstadt Yilan. Taiwan war in den 60ern noch keine moderne Industrienation, sondern ein Entwicklungsland. Die dort erfolgte Prägung, mit einer Kindheit in einfachen Verhältnissen, hat Chiang weiterhin sehr bescheiden und fast demütig bleiben lassen, wie durch seine eigenen Worte in der Einleitung klar wird. Dass sein Lebenswerk mit einem Doppelband gewürdigt wird, konnte er nämlich selbst kaum fassen, nachdem er über die Planung informiert wurde. Nachdem die Familie dem Vater in die USA gefolgt war, begann Chiangs kreative Entfaltung. Was vorher im Verborgenen passierte, wurde durch Schule und Uni allmählich sichtbar. Diverse Arbeiten aus dieser frühen Phase seiner Karriere sind im Buch zu finden.

Eine Karriere wie der Kessel Run

Recht schnell bekam Chiang nach seinem Abschluss an der Uni in Kalifornien Ende der 80er einen Fuß in die Tür der Unterhaltungsbranche. Zu seinen Arbeiten ab 1990 genügt ein wenig Namedropping, um diesen Stellenwert fernab von Star Wars zu unterstreichen: Spawn, Terminator 2, Back to the Future 2, Death Becomes Her (Der Tod steht ihr gut), Reise zum Mittelpunkt der Erde, Matrix, Beowulf, Polar Express (Robert Zemeckis hat das Vorwort zum Buch geschrieben) und viele weitere. Dabei reicht sein Einfluss von einfachen Konzepten bis hin zu umfassender Beteiligung wie bei Terminator 2, wo er diverse der ikonischen Szenen um den T1000 entworfen hat. Für Der Tod steht ihr gut gab es sogar einen VfX-Oscar. Weitere Kapitel in Band 1 sind seinen ersten Arbeiten für ILM sowie seinem umfangreichen persönlichen Portfolio gewidmet. Hier stechen unter anderem seine Sci-Fi- und Dino-Entwürfe hervor, die bereits einiges der Bildsprache, die er später für Star Wars entwickelt hat, vorwegnehmen. Zudem widmet sich ein Kapitel seiner Buchveröffentlichung Robota nach der Jahrtausendwende – ein fantastisches, retrofuturistisches Werk über einen weiteren Planeten in unserem Sonnensystem, in dem Mittelalter und Western-Design auf außerirdische Besucher treffen.

Band 2

Prequels, Sequels, und noch mehr

Im Fokus dieser Rezension steht dennoch Band 2, der sich exklusiv Chiangs Schaffen um Star Wars widmet. Während die Prequels bei ihrer Premiere durchaus für Kontroversen gesorgt haben, v.a. weil „alles anders“ war, hat das Fandom nach meinem Eindruck inzwischen weitestgehend seinen Frieden mit diesen drei Filmen gefunden. (Bei den Sequels würde ich soweit nicht gehen…) Das liegt sicher auch an der inzwischen ikonischen Bildsprache der Prequels, die tatsächlich zu guten Teilen und in manchen Szenen sogar singulär auf Doug Chiang zurückzuführen ist. Man kommt schon jetzt um den Vergleich nicht umhin: Was Ralph McQuarrie für die originale Trilogie war, ist Doug Chiang für die Prequels. Aber der Reihe nach…

Was viele nicht wissen: Aufgrund einiger Filme, die in Band 1 behandelt werden, stand Chiang für Episode III nicht zur Verfügung. Das ist erstaunlich, aber im Kontext des Buches nicht weiter schlimm – viele der Formen und Elemente leben auch in Episode III weiter. Dennoch ist dieser in meinen Augen beste und wichtigste Teil der Prequels ein blinder Fleck im Buch. Dafür widmet sich der Band nach 300 Seiten für Episode I und II nochmal 180 Seiten den Disney-Filmen: The Force Awakens, Rogue One, The Last Jedi, Solo, The Rise of Skywalker, The Mandalorian sowie Games, Rides usw. Zum Abschluss widmet sich der Band noch den freien Arbeiten, oft an Star Wars angelehnt.

Ikonische Designs

Nach Robert Zemeckis‘ Vorwort in Band 1 kommt in Band 2 der Meister himself, Geroge Lucas, zu Wort. In einem weiteren Vorwort wird seine Verbindung zu Ralph McQuarrie portraitiert. Anschließend beginnen wir mit der Reise, welche die Entstehung vieler Design ausführlich nachvollzieht – von ersten Ideen bis zu Produktionsskizzen. Den Battle Droids und Droidekas sind beispielsweise zwanzig Seiten gewidmet. Es geht weiter mit Charakterstudien, Raumschiffen wie den Landing Ships, dem Gungan Sub, dem Droid Carrier oder dem Battle Tank. Erfreulicherweise widmet sich das Buch auch immer wieder Ideen, die am Ende nicht umgesetzt wurden. Dabei wechselt das Buch zwischen eher technischen Zeichnungen in Schwarz-weiß und vollfarbigen Illustrationen, die teilweise bereits Szenen aus den Filmen darstellen. Auch ikonischen Designs wie dem Royal Starship oder dem N-1 Naboo Royal Starfighter werden jeweils viele Seiten und umfassende Texte gewidmet. Zum Teil sind diese Zitate von Mitwirkenden und von Chiang selbst, teilweise auch Beschreibungen zu Design, Herkunft der Ideen und dem (technischen) Entstehungsprozess. Und ja, erfreulicherweise wird auch Jar-Jar Binks ausführlich gewürdigt. Dies schlägt dann auch den Bogen weg von eher technischen Entwürfen hin zu Creature- und Environment-Design, von Ungeheuern über Naboos Welten hin zu Szenen wie dem Podracer-Rennen. Später tauchen Darth Maul und viele anderer Bösewichte auf, wenn der Bogen zu Episode II geschlagen wird. Auch wenn Episode III, wie beschrieben, fehlt, fühlt sich die Behandlung der Prequels im Rahmen dieser fast 300 Seiten durchaus rund an.

Zu den Sequels, Mando, more: turbulent

Die Einführung zu seinen Arbeiten so viele Jahre nach den Prequels ist erstaunlich: Chiang hat damals bemerkt, dass neue Künstler und Techniken viel schneller Ergebnisse liefern, als er es gewohnt war. Chiang entschied sich deshalb, sich recht kurzfristig in diese neue Techniken einzuarbeiten. Auch deshalb ist sein Wirken an diesen Filmen weniger dominant als in den Prequels, und eher eingebettet in die Arbeiten eines ganzen Teams an Designern, Künstlern, Grafikern. Dass sich die Techniken geändert haben, sieht man auch an den Darstellungen: Weniger Pen & Paper Entwürfe sind zu finden, sondern viel mehr vollfarbige Grafiken aus dem Computer. Dennoch hat Chiang auch hier essentielle Teile beigetragen, wie z.B. K2-SO (Rogue One) oder Mandos modifiziertem N-1. An Solo wiederum hat er nur einige Entwürfe in einem Frühstadium der Produktion geliefert, ohne am Ende am Film beteiligt gewesen zu sein. Entsprechend sind diese Arbeiten nur auf zwei Seiten vertreten, wodurch das letzte Drittel des Buches aber sehr abwechslungsreich gestaltet ist.

Die dunkle Seite der Macht: schwach spürbar 

Anlass für Kritik? Dezent, ja. Auch wenn es um Chiangs Handwerk geht, wäre es hier und da sehr interessant gewesen, die Ergebnisse als Umsetzung in den Filmen zu sehen, also mehr Modelle, Stills, Charaktere. Das spart das Buch weitestgehend aus. Klar gibt es dazu andere Bücher (Chroniken, Archives, Making Ofs, ….), aber hier wäre es dennoch toll gewesen, wenn der Kreis sich geschlossen hätte.
Der Preis ist zudem herausfordernd. Für eine UVP von 245 Euro (Straßenpreis geringer) hätte ich mir noch ein Goodie wie einen Kunstdruck gewünscht, den man von anderen Sammlereditionen kennt. So etwas bedeutet für den Hersteller kaum Mehrkosten, für den Kunden aber das bisschen “Mehr”, das in der Preisklasse drin sein sollte. Und ja, zusammen mit den Ralph-McQuarrie-Prachtbänden und den großformatigen Star Wars Archives von TASCHEN ist allein dieser Teil einer Deluxe-Büchersammlung inzwischen eine logistische Herausforderung.

Fazit:

Inhaltlich und physisch ein Schwergewicht. Ob es diese teure, schwere Version des Buches sein muss, oder ob man sicher später folgende weniger aufwendige Editionen abwartet, muss jeder für sich selbst beantworten. Unabhängig davon jedoch beinhalten die beiden Bände neben dem Blick auf das Schaffen eines Künstlers im erweiterten Geek-Universum vor allem essentielle Eindrücke zu ikonischen Star Wars-Design, deren Herkunft und den Entstehungsprozess dahinter. Wer sich eingehend mit Ralph McQuarrie befasst, muss auch Doug Chiangs Schaffen würdigen. Trotz der obigen Verbesserungsvorschläge ist das Werk v.a. zum vergünstigten Straßenpreis eine sichere Anschaffung für Fans und allgemein für Freund von SciFi, Design und Kunst.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar