Am 10. November 2006 veröffentlichte Blanvalet die deutsche Version des Romans Dark Lord: The Rise of Darth Vader von Autor James Luceno. Das zunächst am 22. November 2005 in englischer Sprache erschienene Buch wurde durch Regina Winter übersetzt. Auf 336 Seiten stellt der Verfasser Ereignisse aus dem Jahr 19 vor der Schlacht von Yavin dar, die sich um die überlebenden Jedi Roan Shryne und Olee Starstone sowie den titelgebenden Sith Darth Vader drehen. Das Werk fungiert damit als literarisches Sequel zum Kinofilm Episode III: Die Rache der Sith und wird mittlerweile der Kategorie Legends zugeordnet.
Die Handlung
Gefangen in einem Maschinenkörper, der mehr wie ein Gefängnis wirkt, wird Darth Vader von seinem neuen Meister in die Wirren der Nachkriegszeit entsandt, um seinen Weg zu den Sith zu ebenen. Zeitgleich stehen die überlebenden Jedi Roan Shryne und Olee Starstone vor schweren Entscheidungen: Befolgen sie den letzten Befehl aus dem Jedi-Tempel auf Coruscant und tauchen unter? Oder nutzen sie alle Möglichkeiten, um den Jedi-Orden aus seinen aschenen Überresten wieder auferstehen zu lassen?
Meine Bewertung
Dunkler Lord besitzt zwei große Schwächen. Zunächst einmal täuscht sein Titel den Leser, wodurch falsche Erwartungen erweckt werden. Wer glaubt, er halte einen Darth-Vader-Roman in den Händen, der muss schnell zu der Erkenntnis kommen, dass der namensgebende Dunkle Lord weniger als die Hälfte des Buches für sich hat. Ein unnötiger Aufreger also direkt vorab.
Zum Zweiten nimmt sich der Autor zu viele wichtige Themen für lediglich 336 Seiten vor. Dadurch wirkt das Werk insgesamt überladen. Merkliche Abstriche mussten gemacht werden. Diese gehen vor allem zulasten des Jedi-Arcs. Die meisten der neuen Figuren hier bleiben nichtssagende Namen, die die Dramatis Personae unnötig aufblähen. Selbst den Hauptfiguren Roan Shryne und Olee Starstone mangelt es an Tiefe und Charakterentwicklung. Ihre teils dramatischen Entscheidungen treffen den Leser aus dem Nichts. Fundierte Begründungen, die die Charaktere lebensnah erscheinen hätten lassen, bleiben aus.
Warum das Buch von mir trotzdem mit vier von fünf Holocronen bewertet wird, liegt an den zu Beginn des vorherigen Abschnitts erwähnten „wichtigen Themen“, die James Luceno in Dunkler Lord behandelt. Auf diese möchte ich gesondert in den folgenden Abschnitten eingehen.
Darth Vader – Mensch oder Maschine?
Der Autor hat sich eingehend über Vaders Anzug informiert und zeigt dies insbesondere zu Beginn des Buches. Der Leser kann hier nicht nur neue Fakten lernen, sondern entwickelt dadurch auch ein tieferes Verständnis für die physischen Qualen, die den ehemaligen Jedi heimsuchen. Darüber hinaus beschäftigt sich James Luceno vor allem mit den emotionalen Schäden, welche der Sith durch seine schmerzvolle Wiedergeburt erlitt. Vorrangig behandelt diese Einsicht den Marsch auf den Jedi-Tempel und das Duell auf Mustafar. Der Zwiespalt Vaders zwischen Hass auf die Jedi und deren Verrat an seiner Person und dem gleichzeitigen Hass auf Sidious aus demselben Grund wird hervorragend herausgearbeitet. Der Dunkle Lord erscheint als eine gebrochene Gestalt, die zwischen Unglauben über die eigenen Taten, Rechtfertigung und Akzeptanz schwankt. Besonders kommt dies in Vaders Besuch im ehemaligen Jedi-Tempel auf Coruscant zum Tragen:
Was vielleicht der Wind hätte sein können, der durch leere Gänge fuhr, in denen er nie zuvor geweht hatte, klang wie das Heulen von Geistern, die darauf warteten, dass man sie rächte. Was das Echo von Commander Appos Sturmtruppen hätte sein können, klang wie der Schlag ferner Kriegstrommeln. Was Rauch von den Feuern hätte sein können, die schon Wochen zuvor erloschen waren, sah aus wie Gespenster, die sich in Qualen wanden.
James Luceno, Dunkler Lord – Der Aufstieg des Darth Vader, Kapitel 24
Die Phase des Übergangs von Ungewissheit zu Entschlossenheit lässt die Entstehung des Sith-Lords realistisch wirken. James Luceno schließt hier gekonnt die Lücke zwischen dem gefallenen Anakin aus Die Rache der Sith und der teuflischen Maschine Vader aus Eine Neue Hoffnung.
Immer zu zweit sie sind
Das genaue Gegenteil zu Vaders Gebrochenheit verkörpert sein fest entschlossener Meister Darth Sidious, der eine allumfängliche Herrschaft geschickt etablieren und ausbauen muss. Der diametrale Gegensatz zwischen seinem Schüler und Palpatine birgt das Risiko interessanter Konflikte, die James Luceno auch tatsächlich in das Werk einbaut. Fragen wie „Was dachte Vader über den Verlust Padmés, obwohl Sidious ihm doch ihre Rettung versprochen hatte?“ werden so beantwortet. Der Kontrast zum späteren Darth Vader, der nach außen kommentarlos die Aufgaben seines Meisters erfüllt, könnte größer nicht sein. Trotzdem hätte der Autor an dieser Stelle gerne offensiver sein und häufiger diese Auseinandersetzungen darstellen dürfen.
Die Jedi nach der Order 66
Jedi-Meister Roan Shryne wird vom Schriftsteller vor ein grundsätzliche Frage gestellt: Inwiefern soll der Orden fortbestehen bzw. wiederaufgebaut werden? Während die Padawan Olee Starstone fundamental überzeugt ist von der Notwendigkeit der Jedi, zeigt sich ihr Begleiter bereits vor Order 66 von den Friedenshütern entfremdet. Als dann auch noch eine mit ihm verbundene Person auftaucht, ist er versucht, alles hinter sich zu lassen. Luceno untersucht mit diesem Interessenskonflikt einen interessanten philosophischen Ansatz: Wann ist eine Bindung schädlich und wann ist sie notwendig? Sollten die Überlebenden einander suchen oder einander meiden? Grade diese Punkte sind wichtig und äußerst spannend, fallen allerdings leider der Kürze des Buches zum Opfer. Hier wird der Leser wenig an der Entscheidungsfindung beteiligt.
Irrungen und Wirrungen nach dem Krieg
Das plötzliche Ende nicht nur der allgegenwärtigen Klonkriege, sondern auch des Jedi-Ordens sorgt für Unsicherheit und Verwirrung. In turbulenten Zeiten ist die Wahrheit ein ebenso geachtetes wie auch ein missachtetes Gut. So ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Bewohner einer weit weit entfernten Galaxis auch verschiedene Szenarien vom Ausgang des bewaffneten Konfliktes und der Geburt des Imperiums zu erzählen wissen. Dem Autor gelingt es, ein umfassendes Bild von verschiedenen Blickwinkeln zu liefern. Dies geschieht, indem er seine Figuren selbst Zusammenhänge finden lässt oder Nebenfiguren berichten lässt. Dem Leser wird so verdeutlicht, wie Unwissenheit von Palpatine und seinen Schergen genutzt wird, um das Galaktische Imperium zu etablieren. Des Weiteren erscheint es wahrscheinlicher, dass auch zu weit späteren Zeiten in der Geschichte noch nicht hinreichend bekannt ist, was genau in jener verhängnisvollen Vergangenheit geschah. Schließlich ist Wahrheit ja auch immer eine Frage der Perspektive…
Mit den vorangestellten kurzen Abschnitten, habe ich lediglich einen Querschnitt der wichtigsten Themen angeschnitten. Dadurch zeigt sich, dass James Luceno ein Werk erschuf, das zum Nachdenken und Mitdenken anregt. Dank seiner klaren und effektvollen Sprache kommt dabei nie Langeweile auf. Auch unschöne Details werden deutlich gemacht und ehrlich erzählt. Das weckte und hielt mein Interesse zusätzlich während des gesamten Lesens.
Fazit
Man kann Dunkler Lord – Der Aufstieg des Darth Vader mit Fug und Recht vorwerfen, dass es versucht, zwei Geschichten auf engsten Raum gepresst zu erzählen, und dabei zu viel an Details und Tiefe vergisst, die eine spannende Abenteuergeschichte benötigt. Dennoch empfehle ich jedem Star Wars-Fan mindestens einen Blick in dieses Buch zu werfen. Man wird interessante Fakten und Denkansätze finden, die Begebenheiten verständlich machen und fundamentale Fragen aufwerfen. Der Autor James Luceno baut so eine entscheidene literarische Brücke zwischen den Prequels und den Originalfilmen.