Ende 2023 erschien pünktlich zu Weihnachten mit Orkanläuferin von Cavan Scott ein Novum im deutschsprachigen Star Wars-Literaturbereich! Entgegen dem Vorgänger Dooku: Der verlorene Jedi, wurde diese Geschichte nicht als Roman ins Deutsche adaptiert, sondern das englischsprachige Skriptbuch 1:1 übersetzt. Das ist am Ende wesentlich näher an der originalen Vision des Autors und ermöglicht mit etwas Glück ja vielleicht auch irgendwann eine deutsche Hörspielfassung.
Zwischen Story und Regieanweisung
Doch beginnen wir am Anfang. Orkanläuferin ist ein Skriptbuch zum englischen Hörspiel Tempest Runner, welches 2021 bei Random House Audio erschienen ist. Wie sowohl der Titel als auch das Cover nahelegen, geht es darin um die Orkanläuferin Lourna Dee, die nach den Ereignissen in Aus den Schatten nun von der Republik als vermeintliches Auge der Nihil angesehen und gejagt wird. Im weiteren Handlungsverlauf entspinnt sich deshalb nach einem actionreichen Auftakt vor allem eine Reflexion ihrer Lebensgeschichte voller Tragik und falscher Abzweigungen, die sie schließlich in diese Position gebracht haben.
Was das Buch besonders macht, sind mehrere Punkte. Zunächst liest es sich extrem schnell. Obwohl die deutsche Version mit fast 700 Seiten daherkommt, kann man es locker in einem Tag schaffen, da das Skript-Format für sehr wenig Text pro Seite sorgt. Man fliegt förmlich durch das Buch und springt schnell durch die insgesamt acht Teile. Des Weiteren lesen wir immer wieder Regieanweisungen, die die Kulisse kurz in unserem Kopf erzeugen, bevor dann die handelnden Figuren in dieser ihre Szene spielen. Das funktioniert tatsächlich, auch durch die Vertrautheit mit den Figuren und der klassischen Star Wars-Technik und -Architektur, sehr gut. Die Regieanweisungen nutzen dabei auch Bezüge zu anderen Werken der Hohen Republik explizit. So ist bei Sskeers Vehemenz einmal ein Vergleich zur Marvel-Hauptreihe eingebunden, während Geräusche mit Bezügen zu Figuren erklärt werden, die in der Hohen Republik gar nicht auftreten, wie etwa R2.
Dieser Umstand hat der Romanadaption von Dooku: Der verlorene Jedi damals bekanntlich auch das Genick gebrochen, da dort in Visionen Dookus explizit TIE-Fighter-Geräusche erwähnt wurden, die Dooku in dem Moment ja aber gar nicht zuordnen konnte und kannte. Hier wäre also eine Umschreibung notwendig gewesen. So funktioniert der Ausstieg aus der Immersion in einem Skriptbuch durchaus, darf in einer Romanadaption aber nicht auftreten. Von daher ist es allein deshalb schon gut, dass man sich hier für eine Veröffentlichung gemäß dem Original entschieden hat, um so etwas zu verhindern.
Das Thema Immersion ist trotzdem eines, welches hier noch einmal genannt werden muss. Ich persönlich kannte das Hörspiel jetzt bereits, da wir es 2021 ja auch im JediCast besprochen hatten. Das bedeutet, dass die Bilder, die ich beim Lesen in meinem Kopf formte, nicht vollends nur auf die Regieanweisungen zurückführbar sind. Trotzdem finde ich, dass es durchaus ausreicht und sogar die Immersion dadurch fördert, dass quasi eine szenische Lesung im Kopf entsteht, wo man sich die Figuren wirklich im Raum vorstellt und diese Arbeit einem nicht durch die klassische detailreiche Schilderung im Roman abgenommen wird.
Dafür muss man sich darauf aber auch einlassen, denn die szenische und vor allem durch gesprochenes Wort (logisch bei einem Hörspiel) transportierte Handlung läuft Gefahr, schnell wieder vergessen zu werden, da wir wenig Zeit mit ihr verbringen. Während klassische Romane Gedanken der Figuren darstellen und dadurch Erlebtes noch mehrmals iterieren, schafft es das Hörspiel nicht in dem Umfang. Dafür nutzt es eben Rückblenden auf vorher Erlebtes, um Aktuelles zu untermalen, aber auch diese Momente kann man schnell „überlesen“, wenn man nicht bereit ist, wirklich eigene Bilder im Kopf entstehen zulassen.
Konsequenzlose Nische?
Hörspiele sind nicht der Hauptmarkt von Star Wars-Literatur und das merkt man leider sehr stark. Während Dooku: Der verlorene Jedi, beziehungsweise das Original-Hörspiel Dooku: Jedi Lost, recht losgelöst funktionierte und daher auch mehr beitragen konnte, wird bei Orkanläuferin sehr deutlich, dass alle, die diese Erzählung auslassen, ja nichts verpassen dürfen, was im Gesamtkontext der Hohen Republik relevant werden könnte. Es ist in gewisser Maße ein Add-on zur Ära, welches sich komplett Lourna Dee widmet und ihre Vorgeschichte einstreut, dabei aber darauf achtet, dass der Status Quo eigentlich unangetastet bleibt.
Einige Beispiele dafür sind, dass die eigentlich „wichtige“ Jagd auf Dee dann ja in der Marvel-Reihe stattfindet, die kurz nach diesem Hörspiel/Skript spielt und Avar Kriss während der Sabotage der Starlight beschäftigt hält. Lourna selbst bleibt also offenkundig eine Nihil und auch ihrer Funktion als Orkanläuferin treu. Die Hintergrundgeschichte und Biografie der Figur spielen im weiteren Verlauf der Ära kaum eine Rolle und dienen eher dem leider sehr langweiligem Trope, dass Bösewichte auch eine tragische Hintergrundgeschichte brauchen. Hier streut Scott zwar ab und an noch schlechte eigene Entscheidungen ein, aber am Ende soll man doch irgendwie mit ihr mitfühlen, schließlich war die Ursünde ihres Weges ja keine Bosheit, sondern schlicht kindliche Naivität und Blindheit vor Liebe.
Diese Konsequenzlosigkeit führt am Ende eben auch zu einer Wandlung in dem Skript, die zum Ende hin etwas an Stringenz einbüßt. Ja, die grundlegende Idee des Reveals am Ende funktioniert durch die vorher gezeigten Erfahrungen, aber der Anlass dafür wirkt daher umso konstruierter. Immerhin war betreffende Person ja schon recht früh ehrlich zu ihr und nun wird das gegen diese Person verwendet, weshalb es eher wie ein willkommenes Ausgangstor für Scott Lourna Dee wirkte als eine nachvollziehbare Entscheidung. Doch mehr Worte möchte ich dazu nicht verlieren.
Ebenfalls aus der Nische erwächst wohl das Versäumnis, dass man die einzig wirklich spannende Verknüpfung der Figur mit einer anderen aus dem Projekt hier nicht weiter ausbaut. In Aus den Schatten wird mehrmals darauf Bezug genommen, dass Chancey Yarrow und Lourna Dee sich kennen, Lourna ja sogar Sylvestri ausgebildet haben soll. Nun ist Lourna im Laufe des Hörspiels/Skripts sogar auf einer entsprechenden Akademie, wo sich das hätte entfalten und etablieren können, aber stattdessen nutzt Scott diese Seiten nur, um Lourna mal wieder schlechte Entscheidungen treffen zu lassen und neue Figuren zu malträtieren, die nie wieder relevant sein werden. Gerade das hat mich damals beim Hören sowie auch jetzt beim Lesen übermäßig enttäuscht.
Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt…
Zuletzt möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der auch in den Kommentaren unter dem Podcast in Bezug auf die deutsche Ausgabe aufkam. Dort wurde angemerkt, dass in zwei Szenen (40 und 42) eine Figur als Sprecher bereits identifiziert wird, obwohl der Reveal erst später in der Handlung erfolgen sollte. Das ist tatsächlich so und leuchtete mir nicht ein. In der interne Recherche stellte sich heraus, dass dies aber auch auf die englische Version zutrifft und auch da in diesen beiden Szenen die Figur bereits identifiziert wird und ab Szene 44 wieder anonymisiert ist. Unserer Einschätzung nach könnte das daran liegen, dass das Skript ja ursprünglich nicht geschrieben wurde, um veröffentlicht zu werden, sondern um das Hörspiel zu produzieren. Vor der Veröffentlichung wurden dann wohl einige Dinge noch editiert und wahrscheinlich in diesen Szenen vergessen, die Figur zu anonymisieren. Das alles sind nur Vermutungen, aber anders können wir uns diesen Bruch nicht erklären. So oder so ist es in diesem Fall kein Fehler der Übersetzung, wobei man natürlich darauf hätte achten können, es im Deutschen dann konsistenter zu machen. Allgemein halten sich auch Übersetzungsfehler und allgemeine Rechtschreibfehler sehr in Grenzen, was das schnelle Lesevergnügen noch flüssiger macht!
Fazit
Am Ende ist Orkanläuferin also eine wortwörtlich kurzweilige Unterhaltung in der Ära der Hohen Republik. Die Erfordernis, sich selbst Szenen im Kopf vorzustellen und aus den Regieanweisungen Geräusche und Kulissen zu bilden, die diese Szenen im Kopf untermalen, ist etwas ganz Ungewohntes und seltenes im Kontext der Star Wars-Literatur. Doch inhaltlich leidet das Skript am Ende unter dem Problem des Status-Quo-Fetischs. Ob das daran liegt, dass das Hörspiel nicht zu einem der Leuchtfeuer dieses Projekts zählt oder man es eher rückwirkend noch einstreuen wollte, als die Phase eigentlich schon geplant war (Wie einst Das Monster vom Tempelberg), kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Das sorgt so oder so aber für eine Dopplung in der Verfolgung Lourna Dees in diesem Skript und später der Marvel-Reihe sowie für eine Konsequenzlosigkeit, die der namensgebenden Hauptfigur im weiteren Verlauf des Projektes kaum neue Facetten hinzufügt und auch angedeutete Verknüpfungen aus früheren Werken nicht zufriedenstellend aufgreift und zusammenführt. Große Fans der Hohen Republik sollten das Skript trotzdem nicht auslassen. Ein Pflichtwerk – entsprechend der Nummerierung von Blanvalet als viertes Buch der Hohe Republik-Reihe – ist es jedoch in jedem Fall nicht.
Gewinnspiel [BEENDET]
Mit freundlicher Unterstützung von Blanvalet verlosen wir 5x Orkanläuferin!
Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, müsst ihr nur nachfolgende Frage beantworten und das unten stehende Formular ausfüllen:
Welcher Spezies gehört Lourna Dee an?
Das Gewinnspiel ist beendet!
- Die Preise werden unter allen Einsendungen verlost.
- Nur eine Einsendung pro Person/Familie/Haushalt!
- Einsendeschluss ist Sonntag, der 04. Februar 2024, um 23:59
- Die Preise werden nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland versendet!
- Sämtliche gesammelten Daten dienen nur dem Zweck des Preisversands und werden nach dem Ende des Gewinnspiels und dem Versand der Preise wieder gelöscht.
- Alle Angaben ohne Gewähr! Eine Barauszahlung der Gewinne ist ausgeschlossen.
In diesem Sinne: Möge die Macht mit euch sein!
Update 05.01.2024 09:35: Die Auslosung
Lourna Dee ist eine Twi’lek! Von den Einsendungen mit der richtigen Antwort wurden folgende:r Gewinner:in aus dem Lostopf gezogen:
- Elena V. aus Rheda-Wiedenbrück
- Marion L. aus Jena
- Tom G. aus Ketsch
- Christian K. aus Dortmund
- Philipp H. aus Bad Mergentheim
Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß beim Lesen!
Und vielen Dank an Blanvalet für die Bereitstellung der Preise!
Vielen Dank für die Rezension und auch für die Klarstellung, dass der Bezeichnungsfehler in den Szenen 40 und 42 auch in der englischen Ausgabe „versemmelt“ wurde. Das war mir als Leser der deutschen Ausgabe natürlich nicht bewusst. Das ändert natürlich nichts daran, dass der Fehler blöd ist, aber zumindest kann man keinen deutschen Übersetzer dafür verantwortlich machen.
Schöne Rezension! Vielen Dank. Ich war auch ganz verwirrt im Bezug auf den Bezeichnungsfehler in Szene 40/42. Auch wenn ich es schon vermutet hatte, dachte ich erst, dass ich evtl. eine wichtige Seite aus Versehen übersprungen habe.
Auch wenn ich das Script-Format anfangs etwas schwierig fand, muss ich sagen, dass ich im Verlauf das Format lieb gewonnen habe.