Mit Die Suche nach der Verborgenen Stadt erschien am 28. Februar 2023 bei Panini der erste Jugendroman der zweiten Phase der Hohen Republik, welcher vom Autorenneuzugang in dieser Ära, George Mann, geschrieben wurde. Leider erscheint dieser Roman in deutscher Sprache vor Pfad der Täuschung, welcher als Einstieg in die zweite Phase besser geeignet ist. Da die Handlung aber größtenteils für sich alleine steht, kann man trotzdem auch mit ihm einsteigen, bevor Pfad der Täuschung voraussichtlich Ende März auf Deutsch erscheinen wird. In Die Suche nach der Verborgenen Stadt begleiten wir eine Gruppe aus Pathfindern, die nicht nur dem Geheimnis der namensgebenden Stadt nachgehen wollen, sondern auch auf der Suche nach einem weiteren verschollenen Expeditionsteam sind.
Die Suche nach dem Konflikt
Bei Jugendromanen legt man ja normalerweise nicht ganz so harte Maßstäbe an. Sie sind für die jüngste Zielgruppe bis circa 14 Jahren geschrieben und daher sollte man kein revolutionäres Storytelling erwarten. Trotzdem haben uns andere Jugendromane aus der Ära bereits bewiesen, dass man es schaffen kann, auch ältere Leser nicht zu unterfordern, und zwar indem man den oftmals in dieser Romanform externalisierten Konflikt nach innen kehrt.
Die Bewährungsprobe hat uns gezeigt, dass man selbst mit einem Kammerspiel und vier spannenden Figuren eine mitreißende Geschichte erzählen kann, die nur am Ende einen kleinen Endkampf braucht, um zu funktionieren, oder vielleicht gerade deshalb funktioniert. Gleiches lässt sich auch über Mission ins Verderben sagen, welches nicht nur insoweit relevant war, als dass es maßgeblich zur Haupthandlung beitrug (unter anderem wegen der Vorgeschichte des Starlight Beacon und des Handlungsorts Dalna, der jetzt in dieser Phase ja mehr Kontext erhalten soll), sondern auch dadurch, dass es Meister-Schüler-Beziehungen und Selbstzweifel, die Auseinandersetzung mit der Verantwortung für eigene Taten und darauffolgende Konsequenzen zentral in die Erzählung eingebaut hat und damit für junge Leser Identifikation und Moral schuf und für ältere Leser mitreißend war.
Diesem Jugendroman fehlt dieser mitreißende Faktor nun merklich und das liegt vor allem daran, dass von inneren Konflikten jede Spur fehlt. Dabei wäre genug Potenzial da. Die junge Jedi Rooper Nitani und ihre Meisterin Silandra Sho hätten für spannende Schüler-Meister-Beziehungen und auch Probleme dienen können, die wir in dieser Altersspanne bisher nicht gesehen haben (in Phase 1 hadert die junge Vernestra ja hauptsächlich mit ihrem ebenfalls jungen Padawan Imri). Stattdessen verstehen sie sich blendend und auch Rooper selbst macht kaum Bewährungsproben (pun intended) durch, die ihren Charakter oder ihre Figur an sich spannender oder greifbarer machen. Das gleiche trifft auf Dazz Leffbruck (der im Unterschied zur englischen Ausgabe mit Doppeltem Z statt S geschrieben wird, was meiner Meinung nach eine gute Entscheidung im Deutschen ist) und seinen Vater Spence zu, die ebenfalls eine stark harmonische Beziehung haben.
Nun ist dies natürlich ein zweischneidiges Schwert. Es ist für einen Jugendroman vielleicht auch mal ganz schön und gut, wenn er sich auf sein Hauptklientel festlegt und vor allem zeigt, dass es auch harmonische Elternbeziehungen geben kann. Der Konflikt muss nicht unbedingt intern ausgetragen werden, aber abgesehen davon, dass der Roman auch keine gute Erklärung für diese Harmonie liefert, fehlt es ihm auch bei äußeren Konflikten an Substanz und damit im Gesamten an ihm tragender Spannung.
Ein Antagonist ohne Motivation
Der Autor hat sich dazu entschlossen, den klassischen Weg eines alles planenden Bösewichts zu gehen, dabei jedoch vergessen, diesem Bösewicht auch eine glaubwürdige Motivation zu geben. So wird er vor allem durch eines angetrieben: Reichtum, um vor seinem Tod noch mal richtig Spaß haben zu können. Er hat keine Nachkommen, keinen Grund, dieses Geld als Nachlass oder ähnliches zu sichern, und damit verkommt seine Motivation zu einer reinen Notwendigkeit für den Autor, um ihm etwas Grundlage zu geben, die aber nicht wirklich überzeugt.
Auch der Plan des Antagonisten ist in meinen Augen zu abenteuerlich, als dass man wirklich darauf hoffen kann, dass der Plan aufgeht. Natürlich gelingt ihm sein Plan ein Stück weit, was aber wohl eher am guten Willen des Autoren als am logischen Handeln der Figuren liegt.
Eine Welt wie im Märchen
Worin der Autor wiederum sehr gut ist, ist die Darstellung und das Worldbuilding von Zivilisationen und deren Vorgeschichte. Das ist nach seinen bisherigen Beiträgen zur Star Wars-Literatur in Form der Märchen/Sagen-Bände (u.a. Dunkle Legenden) nicht überraschend und man merkt auch diesem Roman stark diese Vorgeschichte an. Mit den Katikoot erschafft er eine Spezies, die aus ihrer Vergangenheit nicht lernen wollte und nun dazu verdammt ist, die gleichen Fehler zu wiederholen. Darin vereint sich schließlich auch die sonst im inneren Konflikt liegende Moral des bisherigen Jugendromans (minus Kampf um Valo). Von einer Metapher für Geschichtsvergessenheit über die Klimakrise bis hin zur Inaktivität in Zeiten von Krisen lässt der Roman alle möglichen Deutungen zu. Das einzige Problem dabei ist, dass diese Moral in Form eines stilisierten Märchenbandes (und damit einer mehrmals mündlich übertragenen Geschichte, die irgendwann niedergeschrieben wurde) viel besser funktioniert als in einer im Präsens geschriebenen Geschichte, die quasi das abbildet, was wirklich geschehen ist. Denn das Maß an willentlicher Aussetzung der Ungläubigkeit (suspension of disbelief), welches man den Figuren zugestehen muss, dass sie all die Hinweise nicht schon früher entdeckt haben, die am Ende das große Finale darstellen, ist sehr umfassend. So funktioniert die Lehre/Moral vielleicht in einer Märchenform, verliert aber stark an Glaubwürdigkeit in diesem Erzählkontext.
Sympathische (Neben-)Charaktere
Trotz alledem schafft der Roman es, einige sympathische Charaktere einzuführen, die ich aber nicht unbedingt wegen ihrer Rolle in diesem Roman spannend finde, sondern weil ich mir vorstelle, welche Rolle sie noch spielen werden. Darunter unter anderem Dazz oder das lustige Duo aus Amos und Kam oder den Droiden GT und EX, die sich – wie es sich für Droiden bei Star Wars gehört – oft in den Haaren haben und gegenseitig beschuldigen, faul zu sein. All diese Nebenfiguren lockern die eigentliche Haupthandlung etwas auf und haben zeitweise sogar dazu geführt, dass ich mehr von ihnen hätte erfahren wollen, da sie zumindest im Ansatz innerer Konflikte hatten, die ihre Kollegen bei den Hauptfiguren nicht aufgewiesen haben. Trotzdem kann man zurecht argumentieren, dass gerade bei den fehlenden inneren Konflikten und dem sowieso begrenzten Platz in solch einem Jugendroman weniger Nebenfiguren zuträglich gewesen wären. Ich jedoch glaube, dass der innere Konflikt nicht für die Nebenfiguren geopfert wurde, sondern, dass er nie angelegt/vorgesehen war. Daher hätte mehr Platz für die Hauptfiguren daran auch nichts geändert.
Fazit
Müsste ich die Jugendromane der Hohen Republik vergleichen, würde ich diesen wohl über Kampf um Valo platzieren, aber deutlich unter den beiden Werken von Justina Ireland aus der ersten Phase einordnen. Der Roman ist in seinem Kern ein klassischer Vertreter des Mediums Jugendroman und hätte ich nicht bereits erfahren, dass das Genre Jugendroman allein kein Argument ist, nicht auch für Erwachsene fesselnd zu sein, hätte ich ihm wohl auch mehr abgewinnen können. Nur wissen wir mittlerweile, was auf diesem Feld alles möglich ist, und so stellt dieser Jugendroman leider wieder einen Rückschritt dar, der aber immerhin eine Moral in seinem Kern trägt, die zwar wie aus dem Märchenbuch wirkt, dafür aber aktueller denn je ist.
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, dessen zweite Phase 380 Jahre vor Episode IV spielt und einen neuen Einstiegspunkt bietet. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I und Phase II.
Werde ich gespoilert, wenn ich diesen Roman vor „Der Pfad der Täuschung“ lese?
Ganz kurz und knackig: nein