Rezension: Andor 1×07: „Bekanntgabe“

Ich zeige den Stein in meiner Hand und du siehst das Messer an deiner Kehle nicht.

Mon Mothma

Nachdem wir letzte Woche dem Ende des zweiten Dreiteilers einem spannenden und intensiven Überfall auf die Aldhani-Basis beiwohnen konnten, stellt die siebte Folge die Weichen für die noch kommenden beiden Arcs der Serie, die aus einem weiteren Dreiteiler und einem abschließenden Zweiteiler bestehen werden. Geschrieben wurde diese Folge von Stephen Schiff und Regie führte Benjamin Caron, der auch bei den letzten beiden Folgen der Staffel im Regiestuhl sitzen wird.

Sondervollmachten

Die Nachwirkungen des Überfalls auf Aldhani ziehen natürlich zuvorderst beim ISB Konsequenzen nach sich. Diese fallen aber eher in dem Maße aus, dass Colonel Yularen selbst eine Rede vor den versammelten Supervisoren und Major Partagaz hält, um neue Direktiven und Verschärfungen in der Strafverfolgung zu verkünden. Ich mag es, wie die Serie damit spielt, dass es immer noch einen größeren Fisch gibt und wir nicht ständig in den höchsten Kreisen verkehren. So tritt Yularen hier nur kurz auf, bevor Partagaz wieder das Ruder übernimmt, aber wie es sich für die Serie gehört, erwähnt Yularen nochmal schnell sein Gespräch mit dem Imperator und erinnert uns daran, dass erneut ein größerer Fisch im Teich schwimmt, der gerade deshalb so beängstigend ist, weil wir ihn nicht sehen.

Wenn ich auftrete, ist es ernst.

Danach kehrt zunächst das übliche Gezeter wieder in die Büroräume des ISB ein und Dedra Meero lässt – entgegen dem üblichen Prozedere – sich eine Liste sämtlicher entwendeter Gegenstände ausgeben, um endlich ihr vermutetes Muster finden zu können. Die darauffolgende Konfrontation seitens Blevin im täglichen Meeting wandelt sich dann überraschend zugunsten Dedras, die von Major Partagaz Zuspruch erhält. Ihr Verweis darauf, dass sich Systeme anpassen müssen oder sterben, ist dabei hervorragend doppeldeutig, da es sowohl auf die willkürlich gezogenen Zuständigkeitsgrenzen zutrifft als auch auf die Systeme, die vom Imperium besetzt sind. Der Gedanke, dass die Rebellion sich nicht dafür interessiert, wo der Geschäftsbereich eines Supervisors endet und eines anderen beginnt, entlarvt die zwar gut organisierte Struktur dieser Behörde, die aber zunehmend durch innere Missgunst dazu neigt, blind zu werden, wenn es um Muster geht, die über die eigene Zuständigkeitsbereiche hinausgehen. Gut, dass dieser Umstand endlich mal auf den Tisch gebracht wurde, auch wenn die Mühlen der Bürokratie langsam mahlen und erstmal nur eine Zuständigkeitsverschiebung des Molana-Systems von Blevin auf Dedra stattfindet.

Der Schein trügt

Ebenfalls auf Coruscant manövriert sich Mon Mothma weiterhin durch die Schlangengrube imperialer Politik. Dabei stattet sie Luthen einen Besuch ab, da sie sich denken kann, wer für den Überfall auf Aldhani verantwortlich ist. Besonders gut an dieser ganzen Szene ist, dass man beide Seiten in gewisser Weise nachvollziehen kann. Mothma gemahnt zur Vorsicht und gibt zu bedenken, dass solche Aktionen auch Unschuldige treffen werden (wie wir später erfahren, wurden beispielsweise die feiernden Aldhani als mögliche Mitverschwörer inhaftiert) und Leid losbricht. Genau das soll aber genutzt werden, wenn es nach Luthen geht! Das Imperium muss dazu gebracht werden, zu überreagieren. Sein Punkt ist, dass sie alle so langsam erdrosselt werden, dass sie es kaum merken, und nur so mehr Völker aufwachen werden, wenn die imperiale Faust zu stark wird. Seiner Meinung nach ist das Netzwerk bereit und es ist Zeit, mit immer weiterer Rekrutierung aufzuhören und zuzuschlagen. Eine Meinung, die er auch mit einem – noch nicht in Erscheinung getretenen – Saw Gerrera teilt. Mit der Frage, ob je eine Waffe geschaffen worden sei, die nicht benutzt wurde, fasst er seinen Standpunkt schließlich passend zusammen.

Wer ist hier wem zu radikal?

Doch Mothma ist keineswegs naiv und uneinsichtig, wie Luthen es darstellen will. Wie bei ihrem Dinner zuhause deutlich wird, wählt sie nur einen etwas bedachteren Ansatz als ihr vertrauter Kunsthändler. Sie glaubt wohl auch nicht daran, dass das Imperium reformiert werden kann, würde nur gerne einen klaren Plan verfolgen und das Leid Unschuldiger so gut es geht minimieren. Das ist ein hehres Ziel, aber die Kritik daran ist auch nicht von der Hand zu weisen. Während des Dinners arbeitet sie daran, ihren alten Freund Tay Kolma – einem Banker von Chandrilla – davon zu überzeugen, sich an einem Hilfsfond zu beteiligen, der insgeheim zur Finanzierung einer Rebellion dienen soll. Doch was bringt es, die ganze Zeit solche Waffen zu schmieden, wenn man sie nie einsetzt? Die Frage ist, ob Mothma jemals alleine bereit gewesen wäre zuzuschlagen, wenn es vorher keine Aktionen wie die auf Aldhani gegeben hätte, die zu einer deutlicheren Darstellung der imperialen Schreckensherrschaft und damit genug Rechtfertigung für eine offene Rebellion geführt hätten. All das ändert aber nichts daran, dass die Szene die komplette Zeit über durch die Art des Dialogs und die Inszenierung zu fesseln weiß. Ein Glanzstück der Darstellung unverfänglicher Kommunikation mit doch eindeutiger Botschaft!

Ich kann beiden Seiten gute Argumente abgewinnen und besonders gut war der Verweis Mons darauf, dass sie alle nur das sehen, was sie sie glauben lassen will. Sie begehrt auf und argumentiert im Senat für mehr Freiheit der einzelnen Systeme und im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen die imperiale Herrschaft, weshalb sich um sie immer mehr Spione und Verräter scharen. Doch genau das will sie auch erreichen: Sie sollen auf ihren verzweifelten Versuch der Gegenrede (den Stein in ihrer Hand) schauen und dadurch ihre wahren Ambitionen im Hintergrund (das Messer an der Kehle) übersehen. Die Serie schafft es einfach, weiterhin beeindruckende Zitate zu liefern.

Die Geister, die ich rief

Auch den namensgebenden Cassian Andor begleiten wir in dieser Folge natürlich und er kehrt zurück nach Ferrix, um mit seinen 200.000 Credits ein neues Leben für Maarva, B2 und sich auf einem anderen Planeten zu verkünden. Doch Maarva ist nicht bereit, den Planeten zu verlassen, auf dem sie seit so vielen Jahren die imperiale Faust stillschweigend hinnimmt, sondern plant – ironischerweise durch die Aktion auf Aldhani inspiriert – selbst Widerstand zu leisten. Diese Szene verdeutlicht uns bereits einiges für Andors späteres Leben im Dienste der Rebellion: bereits hier ist er Teil etwas Größeren geworden, auch wenn es für ihn nur ein Job gewesen sein mag. Er ist ein Sinnbild wider Willen, wenn man so möchte, und der Gedanke daran schockiert ihn, weshalb er das tut, was er immer tat: davonlaufen! Ich bin gespannt, ob wir mit Dedras neuer Zuständigkeit und Maarvas Entschluss zum Aufstand hier auf eine tragisches Finale auf Ferrix zusteuern (sowohl der dreiteilige Auftakt als auch das Finale werden von Tony Gilroy geschrieben), was Cassian nur noch mehr vor Augen führen wird, dass er nicht ewig davonlaufen kann.

Don’t you know, how talking about a revolution sounds – like a whisper.

Das Problem für ihn ist, dass er selbst auf dem schönen Urlaubsplaneten Niamos nicht dem Imperium entkommt und dann durch eine Verwechslung erneut in die Hände der imperialen Justiz (samt Auftritt von K2-Einheiten) gerät und durch seine selbst mitverursachte Verschärfung der Gesetze in Folge von Aldhani zu sechs Jahren Haft verurteilt wird. Dies stellt den zweiten Teil der Erkenntnis dar. Nicht nur inspiriert er andere, gegen das Imperium vorzugehen, obwohl er das gar nicht beabsichtigt hat, er muss auch erkennen, dass er diesem Kampf nicht entkommen kann, egal wie schön oder weit weg der Urlaubsplanet auch sein mag. Die Erkenntnis, nicht entkommen zu können, wird übrigens schon dadurch untermalt, dass er genau das versucht und deshalb ins Visier gerät. Er will schnell vom Tatort verschwinden, um nicht mit hineingezogen zu werden, und macht sich gerade deshalb verdächtig. Vielleicht ist das ja auch wiederum ein Argument für Mon Mothmas Weg, nicht schnell einen Wandel forcieren zu wollen, sondern mit Bedacht vorzugehen.

Die Krönung dieser Erkenntnis ist dann noch, dass auch sein Ziehvater Clem genau aufgrund einer solchen Verwechslung und damit Willkür der Justiz sein Ende fand, als das Imperium nach Ende der Klonkriege auf Ferrix einmarschierte und er andere Bewohner nur daran hindern wollte, zu aggressiv dagegen zu demonstrieren. Auch Clem dachte, er könne sich mit Passivität retten, und ging daran zugrunde. Andor, der kurz darauf aus Rache die Klontruppen angriff und daher wohl seine erste Gefängnisstrafe ableitete, steht nun vor genau derselben Wahl und wird sich wohl oder übel für das Aufbegehren für eine Sache entscheiden, statt sich dem illusionären Glauben hinzugeben, irgendwo in Frieden und vor allem Freiheit unter imperialer Herrschaft leben zu können.

Die Weichen sind gestellt

Das Gefühl, dass die ganze Folge eine Art Ausrichtung für den Rest der Staffel darstellt, ist natürlich nicht aus der Luft gegriffen. Während sich Mons Kreis erweitert, Luthen seinen Weg bestärkt sieht und Andor es wohl bald mit einem Gefängnisausbruch zu tun bekommt, sind auch Val, Cinta und Syril nicht aus dem Spiel. Solange Karn einen neuen Job bei der Imperialen Standardisierungsbehörde annimmt (etwas, dass ich als brillante Idee empfinde, wenn man aus einer Zeit der Republik kommt und so viele Planeten ihre eigenen Maßeinheiten und Methoden haben, diese aber für das Imperium einem Standard folgen sollen) und immer noch nicht über sein Scheitern auf Ferrix hinweg ist, trifft sich Val mit Luthens Assistentin auf Coruscant und wir sehen, dass auch Val eine Meisterin der Verkleidung zu sein scheint. Ihr Auftrag ist auch schnell geklärt: Andor ausschalten, da er weiß, wer Luthen ist, und das ein Risiko darstellt. Dass es so kommen würde, konnten wir uns ja bei Luthens Verweis auf die Entbehrlichkeit Andors in Folge vier bereits denken. Außerdem ist Cinta noch auf Aldhani unterwegs und erlebt die Ankunft eines Imperialen Sternenzerstörers mit, der ihre Flucht – oder was auch immer ihre Mission dort genau ist – sicher erschweren dürfte.

Lass uns Galgenmännchen spielen!

Fazit

Diese Folge ist für mich ein Beweis dafür, dass langsames Erzähltempo nicht per se das Problem ist. Während ich die ersten drei Folgen immer noch als zu langsam empfinde, da die Gemeinschaft auf Ferrix zwar nett ausgebaut wurde, aber kaum zur Entfaltung kam, haben mich Folge vier bis sechs wesentlich besser mit den Figuren mitfiebern lassen. Durch den hohen Anteil an Coruscant im Allgemeinen und auch Mon Mothma im Speziellen in dieser Folge, empfinde ich das Tempo und die Erklärung der Ambitionen der Charaktere als im perfekten Einklang. Die Figuren haben etwas zu sagen und reden nicht nur – etwas, das ich bei den ersten drei Folgen noch vermisst habe, was wohl auch daran lag, dass wir all die Figuren noch kennenlernen mussten. Zudem zieht sich die Botschaft von der Aussichtslosigkeit des Wegrennens konsequent durch die ganze Folge. So schließt sich diese Folge mit einer passenden Abkühlung (nicht nur für Cassian auf Niamos) an die eher aufgeheizte letzte Folge an und verspricht spannende Entwicklungen rund um Gefängnisausbruch, lokale Rebellion auf Ferrix und Mothmas Bemühungen in der zweiten Hälfte der Staffel!

Bewertung: 5 von 5 Holocrons
Bewertung: 5 von 5 Holocrons

Wie hat euch diese Weichenstellung gefallen? Konntet ihr die Motivationen der Charaktere nachvollziehen?

4 Kommentare

  1. „People are standing up!“

    Richtig tolle Folge. Die Lage spitzt sich immer weiter zu. Spannende Dynamik die da gerade zwischen Luthen und Mon Mothma ensteht, erster geht ja immer mehr in Richtung Saw Guerra, wird interessant zu sehen wie der sich zu den beiden und sie zu ihm positionieren. Aber ja nur mit mit Senatsreden und Hilffonds startet man keine Revolution, es braucht Leute die harte Entscheidungen treffen und sich die Hände schmutzig machen.

    Finde es auch interessant und passend, dass Andor wirklich ein Rebel wieder Willens ist, bzw. ja erst noch wird. Der Verlauf seines Kurzurlaubs hat schon fast etwas Tragikomisches. Schön auch der kleine Col. Yularen-Auftritt, ohne dass dieses Cameo uns reingerieben wird und zuviel Fokus beansprucht.

    Und was wie immer nicht zu unterschätzen ist: der Soundtrack ist, genau wie bei R1 und Mando, richtig gut und sehr eigenständig und zieht einen emotional direkt in die verzweifelte Tristese des Überlebens unter dem allzeit wachsamen Auge des Imperiums hinein. Fantastisch!

    „This is what revolution looks like!“

  2. Es war eine interessante Folge, es ist nur schade das ich die Mothma Szenen viel spannender finde als die mit Andor, zwar weiß ich das ja beide nicht sterben können, doch gerade Mothmas Leben interessiert mich zu der Zeit genau wie von Organa, der bisher ja leider aus bleibt. 🤔
    Vor allem nimmt es auch immer wieder die Spannung bei Andor, wenn er fast stirbt oder Haftstrafen bekommt. Ihm kann da nichts passieren, da ich weiß wie er endet. 😅
    Mothma hat da wesentlich mehr zu verlieren. 🤔

Schreibe einen Kommentar