Wenn wir unsere Kräfte nicht einsetzen, handeln wir so, als hätten wir keine. Wir verraten die Macht durch unsere Feigheit.
Kyp Durron
Die mittleren bis späten 90er Jahre waren eine gute Zeit für das damalige Erweiterte Universum, die heutigen Legends. Im Juli 1994 erschien bei Bantam Spectra zum Beispiel der zweite Teil der Jedi-Akademie-Trilogie von Kevin J. Anderson. Im Februar 1995 legte VGS mit der deutschen Übersetzung von Thomas Ziegler als Hardcover nach, im Jahr darauf wurde das deutsche Taschenbuch bei Heyne veröffentlicht.
Die Jedi-Akademie zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie die damals bekannten Werke fortsetzt und es trotzdem schafft, eine eigene Geschichte zu erzählen, statt ihr eigenes Ding durchzuziehen. So wird insbesondere auf die Thrawn-Trilogie eingegangen, Das dunkle Imperium wird oft referenziert und auch Entführung nach Dathomir kommt nicht zu kurz. Der heutige zweite Band der Reihe, Der Geist des dunklen Lords, geht mit seinen Referenzen aber mehrere tausend Jahre in die Vergangenheit, zurück zu den Comics der Jedi-Chroniken, an denen Autor Anderson ebenfalls mitgeschrieben hat, um diese Geschichte zu unterstützen. Chronologische Legends-Leser haben hier also das große Aha-Event und freuen sich, noch einmal ca. 4000 Jahre Vergangenheit referenziert zu bekommen, Leser der Veröffentlichungsreihenfolge werden bemerken, wie detailreich die Verknüpfungen tatsächlich sind. Nicht zuletzt, weil die Werke quasi zeitgleich entstanden sind, wie wir auch in den einleitenden Worten sowohl der Romane als auch der aktuellen Neuauflagen der Comics in der Star Wars Comic-Kollektion erfahren.
Wir befinden uns im Jahr 11 NSY. Luke Skywalker hat endlich seine lang ersehnte Jedi-Akademie auf Yavin 4 eröffnen können und erklärt seinen Schülern auch direkt, dass er es eigentlich doch nicht als Akademie halten will, sondern als Praxeum; als Ort des gemeinsamen Lernens, Erfahrens und Entwickelns. Also im Prinzip genau das, was eine Akademie ausmacht. Zunächst finden sich 10 Studenten ein, später werden es zwölf und eine 13. erreicht die Akademie gegen Ende des Buches auch noch. Mit dabei ist eine Mischung aus bekannten Charakteren aus dem letzten Band, einigen neuen Charakteren und einigen, die gar nicht namentlich genannt werden, jedoch durch andere Werke bekannt sind. Diese werde ich hier nicht erwähnen.
Der Fokus unter den Kandidaten liegt zunächst auf Gantoris, der ziemlich nah an die dunkle Seite gerät. Dabei wird er von einem dunklen Schatten geleitet, der in den alten Massassi-Tempeln des Dschungelmondes haust. Sogar ein Lichtschwert mit in Länge und Farbe verstellbarer Klinge baut der Padawan, ist Luke jedoch weiter unterlegen. Es zeigt sich jedoch, dass er stark genug wird, der dunklen Seite komplett zu widerstehen, weshalb er von dem Geist getötet wird.
Ansonsten mit dabei sind noch Streen und Dorsk 81 sowie mehrere Jedi, die in späteren Werken mächtige Jedi und Ratsmitglieder werden, wie zum Beispiel Tionne und Kam Solusar, die hier beide namentlich genannt werden, jedoch keine Rolle in der Geschichte haben. Zudem erreichen Mara Jade und Kyp Durron als Studenten elf und zwölf bald das Praxeum und sind aus verschiedenen Gründen nicht begeistert.
Leia hat indess mit einem verunsicherten Ackbar zu tun, der einen Jäger in ein Glasgebäude gesetzt hat, ohne zu wissen, dass dieser manipuliert war. Nun ist der dekorierte Admiral zurückgetreten und hat sich in den Kopf gesetzt, dass er auf seiner Heimatwelt Mon Clamari mehr gebraucht werden würde als von der Neuen Republik. Außerdem überträgt Mon Mothma Leia immer mehr Aufgaben und die Zwillinge sind auch noch da.
Um die Hauptcharaktere in diesem Roman mit einem Wort zu beschreiben: Überforderung. Das betrifft alle. Luke, Leia, Han, Chewbacca, C-3PO, die zwei-jährigen Jaina und Jacen, die dumm genug sind, sich in eine unglaublich unglückliche Lage zu versetzen und dann auf Hilfe angewiesen sind, Lando, der kläglich versucht, bei Mara Jade zu landen, Kyp Durron und auch Admiral Daala. Niemand in diesem Buch ist wirklich zufrieden. Und deshalb liest es sich auch so flüssig. Von vorne bis hinten wird es immer schlimmer, ganz parallel zur originalen Trilogie, bei der in der Mitte ebenfalls die düsterste Episode in der Mitte stand. Tatsächlich enden beide auch ganz ähnlich, doch mehr erzähle ich hier aus Spoilergründen nicht. Was Das Imperium schlägt zurück im Gegensatz zu Der Geist des dunklen Lords allerdings hat, ist eine große und schockierende Enthüllung. Beide enden mit einer unmittelbaren und schweren Bedrohung, doch hat man es hier behäbig ankommen sehen und war nicht überrascht. Und hier beziehe ich mich sowohl auf das gesamte Handeln Kyp Durrons auch der Unterlegenheit des jungen Meister Skywalkers gegenüber dem uralten Sith Lord Exar Kun.
Besonders interessant fand ich die Reaktionen, welche durch Kyp Durron und die Solo-Zwillinge in mir hervorgerufen wurden. Ich bin nämlich auf alle drei unglaublich sauer geworden. Keiner der drei hat auf die Personen gehört, die es offensichtlich besser wissen, und alle drei bringen damit sich und in Kyps Fall auch andere in Gefahr. Den Solo-Zwillingen muss man dabei zugute halten, dass sie erst zwei sind und nicht in der Macht ausgebildet, dafür aber sehr weit entwickelt. Da hätten Han und Leia besser dafür sorgen müssen, dass man sich um die beiden kümmert, und nicht unbedingt C-3PO damit beauftragen sollen. Kyp hingegen handelt für mich völlig unverständlich und unmenschlich. Auch und insbesondere mit seinem Hintergrund sollte er es besser wissen und ist für mich einfach nur noch ein Rotzlöffel, der seine Fähigkeiten überschätzt und unmoralisch einsetzt. Auch der Satz „Die Neue Republik war moralisch überlegen und hatte das Recht, jede Waffe, jedes Gewaltmittel einzusetzen, um die Reste des Bösen Imperiums zu auszuradieren“ zeigt in meinen Augen schon, dass der Gedanke nicht zu Ende gedacht ist. Wird nicht der, der keine Gnade walten lässt, selber zum Bösen? Sobald einem jedes Gewaltmittel recht ist, um ein Ziel zu erreichen, ist in meinen Augen die moralische Überlegenheit hinfällig. Eine Erkenntnis, die Kyp Durron anscheinend nicht teilt. Und so löst er in mir Wut aus. Insbesondere, da er so Wedge Antilles emotional schwer verletzt, der dank der X-Wing-Romane aktuell sehr weit oben auf meiner Lieblingscharakterliste rangiert.
Admiral Daala unterdessen kann einfach nicht verstehen, warum ihre zehn Jahre alten Strategien von Großmoff Tarkin gegen die Neue Republik nicht funktionieren. Allgemeine Überforderung also.
Von der Spannung her bleibt Der Geist des dunklen Lords in etwa auf einer Linie und kann ansonsten auch sehr gut unterhalten. Daher vergebe ich insgesamt vier von fünf Holocrons für diesen zweiten Band, den ich schwächer fand als den ersten, aber trotzdem noch absolut lesenswert.