Dies war die Geschichte, die sie erzählte.
Nach einer 15-monatigen, pandemiebedingten Pause erschien nach Thrawn: Verrat endlich ein neuer Erwachsenenroman zum Thema Star Wars im Hause Blanvalet in deutscher Übersetzung, nämlich der ursprünglich bei Del Rey am 11. Juni 2019 und unter dem Titel Alphabet Squadron erschienene Roman Das Alphabet-Geschwader von Alexander Freed. Der erste Teil der gleichnamigen Trilogie, die vergangenen März in englischer Sprache bereits beendet wurde und nun auf Deutsch erst beginnt, ist der erste Kanon-Roman, der sich ganz nach dem Vorbild der X-Wing-Reihe ausschließlich um Piloten der Rebellenallianz, bzw. inzwischen der Neuen Republik, dreht. Wir begleiten die – mehr oder weniger – heldenhaften Soldaten bei ihren Missionen, erleben Dogfights zwischen Raumjägern und erfahren mehr über die Männer und Frauen, die in der finalen Phase des Galaktischen Bürgerkrieges noch in die Cockpits steigen, um zu tun, was getan werden muss. Die Originalausgabe wurde damals von Ines rezensiert und mit 3 Holocrons bewertet, doch konnte der Roman mit der Staffel aus einem X-, A-, Y-, B- und U-Flügler in der am 21. Juni erschienenen Übersetzung von Andreas Kasprzak auch mich überzeugen?
Die folgende Inhaltsangabe liefert der Klappentext und auf der Verlagsseite des Romanes findet ihr unter anderem eine Leseprobe.
Der Imperator ist tot, der Todesstern zerstört, die Armeen des Imperiums fallen auseinander. Auch Yrica Quell ist zu den Rebellen übergelaufen, doch so richtig glaubt sie nicht an deren großartige Neue Republik. Da wird sie ausgewählt, dem Alphabet-Geschwader beizutreten: fünf großartige Piloten mit fünf unterschiedlichen Raumjägern. Yrica Quell fällt es schwer, sich ins Team einzufinden. Da startet das Alphabet-Geschwader zu seinem ersten Einsatz, und die fünf müssen endlich zu einer Einheit verschmelzen – oder sterben!
Erst einmal sei gesagt, dass dies mein erster Kontakt mit der Geschichte um Yrica Quell und ihren Kampf gegen das 204. Imperiale Kampfgeschwader war, sodass ich ganz ohne Vorkenntnisse und Spoiler aus den Nachfolgeromanen an den ersten Band herangehen und ihn genießen konnte. Die unmittelbare Vorgeschichte der Imperialen Seite, des Schattengeschwader genannten 204., erschien als Comic und auf Deutsch als Sonderband TIE-Jäger: Schattengeschwader im März 2020 (Julian hat ihn hier für euch rezensiert). Ursprünglich war von Blanvalet geplant, Das Alphabet-Geschwader direkt im Mai folgen zu lassen, sodass wir auch in deutscher Sprache und verlagsübergreifend dieses kleine Crossover hätten genießen können, bis es durch ein wohlbekanntes Virus anders kam und wir bis jetzt auf den Roman warten mussten. Nichtsdestotrotz nahm ich vor der Lektüre den Comic noch einmal aus dem Regal, um mir die Piloten des 204. und ihre Anführerin Oberst Nuress, genannt Großmutter, vor Augen zu führen.
Bis auf Großmutter, den Sternzerstörer Pursuer und einige namentliche Erwähnungen sind die beiden Geschichten trotz ihrer zeitlichen Nähe jedoch eigenständig. Man muss also nicht den Comic gelesen haben, um den Roman genießen zu können, der 576 Seiten stark ist und in 3 Akte und 23 teils sehr lange Kapitel unterteilt. Er beginnt einige Zeit nach der Schlacht von Endor und begleitet die ehemalige imperiale Pilotin und nun Deserteurin Yrica Quell, die nach – der aus Imperium in Trümmern und Battlefront II wohlbekannten – Operation Asche das Imperium desillusioniert verließ und bei Traitor’s Remorse landete, einer Art „Auffanglager“ für Möchtegern-Überläufer. Eines Tages taucht der Balosar Caern Adan vom Geheimdienst der Neuen Republik auf und bietet ihr eine zweite Chance in seiner Mission, das berüchtigte Schattengeschwader, von dem auch sie einst ein Teil war, zu finden und zu neutralisieren. Gemeinsam mit ihm und dem umprogrammierten Folterdroiden IT-O muss sich Quell von da an beweisen, eine – sowohl bei ihren Sternenjägern als auch deren Piloten – überaus bunte Staffel zusammenstellen und sich ihren Platz im Cockpit verdienen.
Im ersten Akt laufen noch zwei Handlungen nebeneinander, in denen Alexander Freed eine Stärke ausspielt, die ich bereits in seinem ersten Kanon-Roman Battlefront: Die Twilight-Kompanie sehr mochte; die Darstellung und Charakterisierung des Krieges. Der Galaktische Bürgerkrieg wird so präsentiert, wie er ist, grausam, todbringend und gleichgültig. Jede Mission, zu der ein Pilot aufbricht, könnte seine letzte sein, jedes Mal, dass er mit seinen Kameraden in der Kantine trinkt und lacht, das letzte Mal. Die Tode kommen schnell und unerwartet, sodass ich lange brauchte, um herauszufinden, aus welchen Piloten sich die spätere Alphabet-Staffel, die im Mittelpunkt stehen würde, zusammensetzen wird, und wer den ersten Akt nicht überleben wird. Dies erzeugt für mich Spannung und gibt mir das Gefühl, mitten in einem sinnlosen Krieg zu stecken, der trotz der Zerstörung des Zweiten Todessterns und der Gründung der Neuen Republik immer noch Blut vergießt. Aber man bekommt durch kleine Dialoge und Spiele, die die Piloten untereinander spielen auch ein Gefühl für die Kameradschaft, welche die Piloten miteinander verbindet. Wir fühlen mit, wenn diese Kameraden fallen und wir durch die Augen der Überlebenden sehen, wie ihr Schiff in Flammen aufgeht.
Aber auch die Grauzeichnung unserer Protagonisten Yrica Quell gelingt Freed sehr gut. Quell ist keine einfache Überläuferin, die sich schnurstracks in eine Vorzeigepilotin der Neuen Republik verwandelt, im Gegenteil, sie zweifelt an dem, was sie tut und hat stets noch ein bisschen Imperiale in sich. Das ist spannend, glaubwürdig und realistischer als andere Überläuferinnen, die wir schon im Kanon gesehen haben. Generell wird die Neue Republik trotz ihrer edlen Motive und ihrer großen Helden mit all ihren Schattenseiten gezeigt. Sie ist immer noch eine militärische Fraktion in einem Krieg, die sich die Hände schmutzig machen und zahllose Leben ausschalten muss, um ihr Ziel zu erreichen.
Mit dem Ende von Akt 1, wenn die Mitglieder der Staffel nach ihrer langen Origin-Story schließlich zueinander gefunden haben, geht der charakterstarke zweite Akt los. Ab dem Moment, in dem klar ist, wer genau unsere Protagonisten sind, hat Freed sichtlich Spaß daran, die Truppe durch sämtliche denkbaren Schwierigkeiten und Konflikte zu schicken und es ihnen schwer zu machen, eine funktionierende Einheit zu bilden. Moralische Fragen spielen dabei genau so eine Rolle wie die Vergangenheiten der Piloten. Hin und wieder wechselt die Geschichte die Perspektive und springt zur bereits erwähnten Oberst Nuress, der Kommandantin des Schattengeschwaders. Bis auf diese Einblicke und die antagonistische Perspektive der Großmutter bleibt der Gegner der Alphabet-Staffel jedoch weitesgehend unsichtbar und abstrakt. Außer einer kleinen Komm-Unterhaltung erfahren und sehen wir nichts von den Piloten des 204., abgesehen von ihnen in ihren TIEs in Aktion. Dadurch wirkt das Geschwader wie ein unwirkliches, unnahbares Phantom und weniger wie Piloten aus Fleisch und Blut, die in ihren Jägern sitzen und ihr Leben riskieren. So haben wir auf die feindlichen Piloten, die für ihr Imperium austauschbar und gesichtslos sind, dieselbe Perspektive wie die Piloten der Neuen Republik, die wir durch den Roman begleiten, was die Jagd nach dem Schattengeschwader zu einer immersiven Erfahrung werden lässt.
Apropos immersiv; letztes Jahr erschien mit Star Wars: Squadrons ein Videospiel, das von der Thematik, dem Setting der beiden verfeindeten Jägerstaffeln und sogar dem abdeckenden Zeitraum sehr identisch ist und obwohl Das Alphabet-Geschwader bereits 1 1/2 Jahre vor dem Spiel erschien, finden sich im Roman lauter kleine Verweise auf die Handlung des Spiels. Zum Beispiel werden die Vanguard-Staffel und Lindon Javes namentlich genannt und auch die Auftritte von General Hera Syndulla in beiden Werken verknüpfen den Roman mit dem Spiel.
Es wird denke ich deutlich, dass ich von Das Alphabet-Geschwader sehr begeistert bin. Freed setzt genau die Kompromisslosigkeit fort, auf die er schon mit seiner Twilight-Kompanie gesetzt hat und erzählt uns eine schonungslose Geschichte über Krieg, Loyalität, Mut, Fliegerasse und Kameradschaft. Seine Figuren, die so unterschiedlich sind wie die Sternjäger, die sie fliegen, müssen nach und nach zu einer echten Einheit verschmelzen, die füreinander in den Tod fliegen würde, oder bei ihrer Mission scheitern. Wir fiebern mit ihnen, auch wenn niemand ein wirklich sympathisches Wesen hat und jeder seine Päckchen aus Schuld und Reue oder sogar Rachedurst mit sich herumträgt und folgen ihnen in diesem Krieg, der schon zahllose Bewohner der Galaxis das Leben gekostet hat.
So schließt dann auch der dritte Akt den ersten Teil der Trilogie in einem überaus feurigen Finale ab und offenbart im letzten von drei Kapiteln, die jeweils am Ende der Akte liegen und zuerst scheinbar nichts mit ihrer Haupthandlung zu tun hatten, was das große Thema im zweiten Band werden dürfte. Diese Enthüllung, die ich hier natürlich nicht spoilern möchte, dürfte den Kampf auf ein noch persönlicheres Level hieven, als er in diesem grandiosen Einstieg in die Trilogie um Das Alphabet-Geschwader schon war. Ich bin gespannt, wann wir bei Blanvalet mit Band 2, der im Original Shadow Fall heißt, rechnen dürfen, bis dahin gibt es erst einmal die volle Punktzahl und die Verwunderung darüber, dass die Alphabet-Staffel nur im Titel des Romans zum Alphabet-Geschwader wurde.
Wir danken Blanvalet für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!