Marvel-Mittwoch: War of the Bounty Hunters #1

Bringt Captain Solo in den Laderaum.

Boba Fett, Star Wars Episode V: Das Imperium schlägt zurück

Es ist so weit, der von Marvel lang, breit und mit unzähligen Variantcovern angekündigte Krieg der Kopfgeldjäger beginnt endlich richtig mit War of the Bounty Hunters #1! Ein Heft, für das Überraschungen der Superlative angekündigt worden sind. Einen Monat lang wurde mit Prologen in den fortlaufenden Serien und mit War of the Bounty Hunters Alpha #1 auf den in diesem Heft erfolgenden Start hingearbeitet. Nun ist es also da, und so stellt sich die Frage, ob der Beginn der großen Story des Sommers die Versprechen und Erwartungen wird halten können. Kann er begeistern? Oder macht er mit Blick auf den weiteren Verlauf des Events skeptisch?

Hinweis: Im Marvel-Mittwoch besprechen wir das Heft und seine Handlung sehr detailliert, insofern gilt für diesen Beitrag und seine Kommentarsektion eine dicke Spoilerwarnung!

Inhalt

Nach den turbulenten Ereignissen auf Nar Shaddaa in War of the Bounty Hunters Alpha #1, infolge derer sich Boba Fett zum neuen Champion der Arena aufgeschwungen hat, nur um seine wertvolle Fracht Han Solo vor dem Tod zu bewahren, wurde ihm dieser dreist entwendet, sodass er nun auf der Suche nach Hinweisen oder Zeugen durch zwielichtige Kantinen streift. Währenddessen erfährt der Leser, dass Han von seinen Entführern an Bord eines Schiffes namens Vermillion gebracht wird, auf dem eine mysteriöse, kapuzenverhüllte Frau das Sagen hat. Sie verfolgt einen Plan, in dem unser liebster Karbonitblock eine wichtige Rolle spielen soll. Am Ende der Szene fordert sie ihre Untergebenen auf, gewisse Einladungen zu versenden.

Boba Fett, den sie als keine Bedrohung für ihre Pläne ansieht, wird derweil in einer Kantine von zwei Möchtegern-Kopfgeldjägern beobachtet, die hoffen, das riesige, öffentliche Kopfgeld, das plötzlich auf ihn ausgesetzt ist, zu erhalten. Aber man scheint eine Menge von Karbonit zu lernen, denn in bester Han-Art schießt Boba zuerst und überwältigt die beiden. Zurück bei der Slave I kommt es dann zur ersten von im Event wohl noch häufiger auftretenden Konfrontationen diverser Kopfgeldjäger, in diesem Fall Zuckuss und 4-LOM, die seit Bounty Hunters #12 ebenso auf das Kopfgeld aus sind, gegen unseren behelmten Protagonisten.

Der Kampf ist nur von kurzer Dauer. Boba reagiert mit ferngesteuertem Einsatz der Kanonen seines Schiffes, als Zuckuss erwähnt, dass sie an Bord waren, um nach Solo zu suchen. Für Fett stellt dies allerdings eine große Respektlosigkeit gegenüber sich und seinem Vater Jango dar, dem die Slave I schließlich vor ihm gehört hat. Sehr spannend, als Zuckuss, der ja gern behauptet, die Zukunft sehen zu können, Boba prophezeit, in einem roten Meer zu ertrinken, womit Autor Charles Soule möglicherweise hier den ewig hungrigen Sarlacc meint. Foreshadowing ist ja schon immer eines der meistgenutzten Erzählmittel bei Star Wars-Geschichten gewesen.

Nach kurzem Prozess mit dem in die Tiefe stürzenden Zuckuss – der allerdings überlebt, wie wir dank der Ankündigung eines wohl nach diesem Heft spielenden One-Shots wissen – schließt Fett die Überreste von 4-LOM an seinen Schiffscomputer an, um herauszufinden, warum die beiden auf der Jagd nach ihm waren. Dadurch erfährt er von dem öffentlichen Kopfgeld und auch, wer es ausgestellt hat: Jabba der Hutte höchstpersönlich! So führt ihn sein Weg nach Tatooine, wo er in einem weiteren Badass-Moment dank Blaster und Flammenwerfer zwei Gamorreaner-Wachen erledigen darf, die Bib Fortuna vor das Palasttor begleitet haben. Wieder ein schöner Moment, bei dem ich schmunzeln konnte, als der völlig überraschte Fortuna droht, Boba dem Rancor vorzusetzen, oder, noch schlimmer, an den Sarlacc verfüttert zu werden.

In der anschließenden Unterhaltung erklärt Bib, dass Jabba das Kopfgeld ausgesetzt hat, weil Boba zu lang gebraucht habe, um Han abzuliefern, was den Hutten zu dem Schluss brachte, dass er ihn an jemand anderen verkauft haben muss. Als Fett fragt, wo Jabba ist, um die Angelegenheit zu klären, erfahren wir, dass er sich gegenwärtig überhaupt nicht in seinem Palast, sondern auf der Shad’ruu-Kriegsbarke und bereits im Hyperraum befindet. Wie in Werken von Soule üblich, ist auch der Name dieser Barke eine schöne Art, Worldbuilding zu betreiben; Boonta Hestilic Shad’ruu war ein legendärer Hutte, der dem berühmten Boonta Eve Rennen aus Episode I seinen Namen verlieh und durch Erwähnungen in Star Wars: Absolut alles, was du wissen musst bereits in den Kanon aufgenommen wurde.

Auf dieser Barke befindet sich Jabba in einer an Szenen aus The Clone Wars erinnernde Besprechung der Anführer der Hutt-Familien, an der auch der Hutt Bokku teilnimmt, der am Ende des Vader-Prologs „eingewilligt“ hat, für den dunklen Lord der Sith zu arbeiten. In diesem wirklich interessanten Gespräch erfahren wir gleich mehreres Spannendes; die Hutts haben eine der Einladungen von der Gruppe erhalten, die Solo gestohlen hat, der aus der Gillen-Ära bekannte Planet Shu-Torun wird erwähnt und wir bekommen auch tolle Anspielungen an die Hohe Republik, an der Soule ebenfalls fleißig mitschreibt. Ein sehr schöner Moment, als der senile, 1.000 Jahre alte Hutt Marlo aus dem Schlaf aufschreckt und meint, man müsse mit Kanzlerin Soh Geschäfte machen, obwohl man ihren „Katzen“ nicht vertrauen dürfe. Wir erhaschen auch einen Blick auf die beachtliche Flotte an Schiffen, die die Hutts mitbringen. Sie fürchten um ihre Macht, da eine seit Jahren inaktive und einst mächtige Gruppierung hinter den Einladungen zu stecken scheint.

Wieder auf Tatooine verlangt Boba – der sich als geschickter Redner entpuppt, um die Anwesenden im Palast davon zu überzeugen, ihn nicht zu töten – besagte Einladung zu sehen, in der wir endlich erfahren, um welche Gruppierung es sich hier handelt: Crimson Dawn, das aus Solo: A Star Wars Story bekannte ehemalige Verbrechersyndikat von Maul, feiert seine Rückkehr und hat zu diesem Zweck Einladungen zum Planeten Jekara an sämtliche wichtigen Parteien der Galaxis versendet. Das Geschenk Han Solo soll dabei als Zeichen des guten Willens dienen, um Teil der Galaktischen Geschäfte werden zu dürfen. In diesem Moment dämmerte mir, welcher Twist folgen dürfte; Crimson Dawn und eine Frau im Kapuze… auf die es nun Boba Fett persönlich abgesehen hat, als er sich ebenfalls auf den Weg nach Jekara macht.

In der letzten Szene kommt die Vermillion auf Jekara an. Dort philosophiert unsere Kapuzenfrau über die sich durch alle Fraktionen der Galaxis ziehende Wichtigkeit unseres einfachen Schmugglers, den sie nun in ihrem Besitz hat. Auf einer sehr schönen Doppelseite mit Hans Gesicht im Zentrum und Crimson Dawns Logo hinter allem, sehen wir, wie sich die verschiedenen Akteure des Events und der fortlaufenden Reihen in Stellung bringen, von den Helden der Rebellion über Darth Vader, bis hin zu Doktor Aphra und Beilert Valance. Ja, hier kommt definitiv Eventstimmung auf.

Und dann lüftet die Frau, die unsere zentrale Antagonistin zu werden scheint, das Geheimnis um ihre Identität: Qi’ra, Hans Jugendliebe, die wir seit Solo: A Star Wars Story nicht mehr gesehen haben, ist wieder auf der galaktischen Bildfläche aufgetaucht! Ich freue mich sehr darüber, dass das Event als Bühne genutzt wird, um diesen offenen Handlungsstrang weiterzuführen und wieder einmal zu beweisen, was im Kanon an Verknüpfungen möglich ist. Man darf sehr gespannt sein, wie es hier weitergeht, und es ist fast schon ironisch, dass unser lieber Han diese wichtigen Ereignisse und hoffentlich spannenden Konfrontationen (alleine schon auf einen Dialog zwischen Leia und Qi’ra bin ich wahnsinnig gespannt) komplett verschläft.

Man merkt schon, dieses Mal bin ich deutlich mehr angetan von der Story, als noch im seichten und actionreichen Alpha-Heft. Hier präsentiert diese sich, wie es sich für eine gute Exposition der kommenden Konflikte gehört, als deutlich vielschichtiger sowie mit dramaturgisch perfekt platzierten Ortswechseln, die das leicht überformatige Heft im Nu vergehen lässt. Auch die Actionszenen sind diesmal auf ein Minimum reduziert, bis auf zwei Badass-Momente für Boba Fett und den Kampf zwischen den Kopfgeldjägern auf Nar Shaddaa, beschränkt sich das Heft auf starke Dialoge, in denen Charles Soule Spannung aufbaut, eine Menge Querverweise einstreut und sogar Zeit für den ein oder anderen Schmunzler für den Leser lässt. Ich bin wirklich positiv überrascht und erwarte nun fast schon im Hype die nächsten Hefte. Dieses Mal etwas weniger gefallen haben mir leider…

… die Zeichnungen.

Wer sich an meine Meinung zu War of the Bounty Hunters Alpha #1 erinnert, der wird wissen, wie gelungen ich die Zeichnungen von Steve McNiven fand. Bei der fünfteiligen Event-Miniserie stammen nur noch die Cover von ihm, die Hefte selbst werden fortan von Luke Ross illustriert (der sich neben der Miniserie Darth Maul auch für die Zeichnungen der Comic-Adaptionen von Das Erwachen der Macht und Thrawn verantwortlich zeigte). Ross‘ Zeichnungen, Proportionen und auch (teilweise aus den Filmen bekannte) Gesichter sind meistens stimmig und vermitteln die Geschichte gut, trotzdem hatten für mich McNivens epische, realistischeren Zeichnungen deutlich mehr Event-Charakter. Was den Zeichnungen wiederum keinen wirklichen Gefallen tut, ist die Kolorierung von Neeraj Menon. Besonders bei Orten wie der Cantina und Jabbas Barke wirken die Farben sehr knallig und verwaschen, wie man bereits anhand der oben gezeigten Vorschau erkennen kann. Das ist schade, denn der so entstehende künstlerische Eindruck wird dem Heft und seiner Geschichte leider nicht gerecht. Comics in bestehenden multimedialen Geschichten mit Tragweite sollten auch optisch klarmachen, dass es sich um die Königsklasse des Erzählens in bebildeter Form handelt, und das wird hier leider nicht erreicht.

War of the Bounty Hunters #1 (Giuseppe Camuncoli Wraparound Variant Cover) (02.06.2021)
War of the Bounty Hunters #1 (Giuseppe Camuncoli Wraparound Variant Cover) (02.06.2021)

Fazit

Alles in allem ein sehr starkes, fesselndes Heft, das den Krieg der Kopfgeldjäger jetzt voll und ganz eröffnet. Dieses Mal trägt die gute Geschichte mehr die eher durchschnittlichen Zeichnungen, die darüber hinaus mit einer mäßigen Kolorierung zu kämpfen haben. Verbindungen durch den Kanon, der Aufbau des ersten großen Aufeinandertreffens der zahlreichen Figuren und die Antwort auf eine wichtige, offene Frage lassen mich mit Spannung auf das weitere Event blicken, welches überraschenderweise nun doch ein wichtiges Puzzlestück des Kanons werden kann. Dabei hatte ich mich schon gefreut, im ebenfalls von Soule verfassten Prelude in Star Wars #13 den Wookiee Sagwa wiederzusehen, doch wie wir nun wissen sind die Pläne, Elemente aus dem leider gefloppten Film Solo: A Star Wars Story in Comicformat und im Rampenlicht eines Crossover-Events sinnvoll weiterzuführen, weitreichender, als ich vor der Lektüre des Heftes gedacht hätte.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir bedanken uns bei Marvel-Comics für die Bereitstellung des digitalen Vorabexemplares, ohne das unser Marvel-Mittwoch so nicht möglich wäre!

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