Das heutige sechste und letzte Heft des zweiten Handlungsbogens „Into the Fire“ der neuen Vader-Reihe, die im Januar 2020 ihren Anfang nahm, kommt auf Exegol zu einem nicht wirklich spürbaren Abschluss und bleibt unerwartet stark hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Damit wir frei rezensieren und diskutieren können, enthalten wie immer die Kommentare und die Rezension Spoiler zur Handlung!
Zum Inhalt
Ich versuche es kurz zu machen. Diese Ausgabe ist eine Mischung aus Retcon für Episode IX, wie es der gesamte zweite Handlungsbogen bereits war, und fehlender innovativer Ideen. Wir erleben kaum Fortschritt bei Vader, die Handlungen wirken teils nicht nachvollziehbar und das Ende fühlt sich kaum wie der Abschluss eines Handlungsbogens an.
Fangen wir mit der fehlenden Weiterentwicklung Vaders an. Dazu ziehe ich zum Vergleich gerne den ersten Handlungsbogen und die Suche nach seiner Frau und ihrem Vermächtnis heran. Das war eine erfrischend neue Geschichte, die uns all die Fragen beantwortete und gleichzeitig einen glaubwürdigen Bogen zu den Geschehnissen aus den Prequels spannte. Mit der nun zu Ende gehenden zweiten Handlung hat man wohl das Gleiche für die Sequels versucht, nur eben die völlig falsche Figur dafür ausgewählt. Zunächst verbringt Vader mehrere Ausgaben auf Mustafar und in der letzten Ausgabe wird dann mal noch schnell, wie in einem Lexikon-Eintrag, jedmögliche Sehenswürdigkeit auf Exegol abgelaufen. (Immerhin fehlte das ja komplett in der Enzyklopädie und irgendwo muss man es ja unterbringen!) So kann man den Leserinnen und Lesern schön nachträglich erklären, dass in Episode IX nicht alles aus der Luft gegriffen war, sondern ein langer Plan des Imperators. Ich sage Schwachsinn! Und das merkt man vor allem daran, dass der Handlungsbogen nur am Ende wirklich versucht, die im ersten Handlungsbogen so prominenten Zweifel in Vader zu säen, wenn dieser sich dagegen entscheidet, weiter Widerstand zu leisten, und stattdessen treu zu seinem Meister steht, ob nun aus taktischem Kalkül – da seine Schicksalstage noch nicht gekommen sind – oder weil er wirklich überzeugt ist von der dargebotenen Macht des Imperators, bleibt dabei offen.
Zurück zu der Handlung, die wir nur in diesem Heft sehen. Wie gesagt, neben der Sightseeing-Tour durch Exegol mit Laborkammer, seltsamen Gläubigen mit Dolchen und Sternzerstörer-Lagern mit Superlasern (die bereits existieren, auch wenn man noch am wesentlich ineffizienteren Todesstern baut), schlachtet sich Vader mal wieder nur so durch die Reihen seiner Feinde, obsiegt über alle und wird dann von einem schreienden, lebenden Kyberkristall besiegt. Diese müssen ja geblutet werden, um von der dunklen Seiten benutzt werden zu können, und das scheint Sidious im großen Stil an einem Berg von Kyberkristallen zu tun (auch wenn mir das nicht wirklich wie „Bluten“ aussieht, sondern eher wie „Quälen“ im roten Scheinwerferlicht). Scheinbar hat diese Übermacht die Arbeiter bisher nie davon abgehalten, sonst hätten sie ja keinen Fortschritt gemacht. Doch kaum ist Vader da, wird das alles unausstehlich und treibt ihn plötzlich in die erneute Gefolgschaft. Jetzt ist die Frage: Wieso müssen diese Kristalle manipuliert werden? Die im Todesstern haben ja auch super funktioniert. Einerseits könnte man wohlwollend sagen, dass sie effizienter werden müssen, damit sie in die kleineren Kanonen passen. Andererseits sehe ich wohl eher den Versuch einer Erklärung dafür, weshalb die Kanonen in Episode IX plötzlich rote Laser verschießen.
Der letzte Kritikpunkt, dass sich dieses Heft nicht wie der Abschluss eines Handlungsbogens anfühlt, liegt nicht nur im Ende allein begründet. Fangen wir einfach mal mit einer vertriebstechnischen Sache an. Die Vader-Reihe erschien vorher regelmäßig monatlich und nun war zwischen dem vorletzten und letzten Heft plötzlich eine Pause von 2,5 Monaten. Das ist aber natürlich kein wirklich schlagendes Argument, auch wenn ich diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen kann. Das eigentliche Problem ist: Dass Vader am Ende wieder dem Imperator treu sein wird (aus welchem Motiv jetzt auch immer), war von Anfang an klar, denn Episode VI zeigt ja ein eindeutiges Bild. Doch selbst ohne diesen Handlungsbogen wäre seine Gefolgschaft anzweifelbar gewesen, denn er hat bereits im ersten Handlungsbogen so viele Erfahrungen gesammelt, die ihn immer mehr Richtung Licht gebracht haben. Die Idee, ihn hier wieder in die Richtung von mehr Gefolgschaft zu lenken, gefällt mir prinzipiell gut, wurde aber mit zu vielen anderen Ambitionen vermischt. Während im ersten Handlungsbogen der Weg zum Licht, die Suche nach Padmé und das Einbauen von Romanfiguren aus Schatten der Königin noch weitgehend kompatibel mit der erzählten Story waren, geht es hier mehr darum, Exegol mal zu zeigen und dann ist auch gut. Sternenzerstörer überzeugen Vader nicht von der Übermacht des Imperators (so viel hat man sich zum Glück noch an seine Skepsis in Episode IV erinnert), also bringt man schnell mal einen Kyberkristall ins Spiel und dann ist auch wieder gut. Am Ende hätte ich noch mindestens 5 oder 6 Seiten mehr gebraucht, um das alles einzuordnen. So läuft er treudoof hinter seinem Meister her und direkt in den Krieg der Kopfgeldjäger hinein. Das alles fühlt sich nicht besonders abgeschlossen an und hat bei mir kein befriedigendes Gefühl hinterlassen, wie es beim Abschluss des ersten Handlungsbogens der Fall war.
Die Zeichnungen
Die Zeichnungen in diesem Comic reihen sich in die Riege der bisherigen ein und bleiben auf einem guten Niveau. Besonders ansehnliche Ganzseiten gibt es zwar wenige, aber zumindest schafft es Zeichner Raffaele Ienco Vaders Imperfektion durch seine Erlebnisse auf Mustafar und dem Weg nach Exegol einzufangen und auch auf Exegol selbst werden ein paar Bilder geschaffen, die im Film entweder nicht eingefangen werden sollten oder einfach unter zu viel Blitz und Schatten kaum zu erkennen waren. Selbst die seltsamen Eimerköpfe-Magmawachen, die am Beginn des Comics aus ihren Tanks treten, wirken ansatzweise gut designt, auch wenn ich mir noch einen Blick auf die Gardisten aus dem Kinofilm gewünscht hätte, die es ja (wie fast alles auf Exegol) nicht in die Enzyklopädie geschafft haben. Dafür erhalten wir einen Blick auf die seltsamen Kapuzenwesen, die im Hintergrund rhythmisch dem Untergang frönten.
Fazit
Der zweite Handlungsbogen der 2020er Vader-Reihe lässt mich gespalten und nicht vollends zufrieden zurück. Einerseits hat er viele spannende Ideen, die aber symptomatisch mit einem Film verknüpft werden mussten, der eigentlich nicht viel mit Vaders Geschichte zu tun hat. Wenn man kleinkrämerisch wäre, könnte man fragen, wieso Vader seinem Sohn nicht davor gewarnt hat, keine Notfallaufzeichnung hinterlassen hat und so weiter. Wenn ein Retcon wieder mehr Fragen aufwirft, als es spannend die eigentliche Hauptfigur voranbringt, ist es in meinen Augen keine gute Erzählung. Ich bin gespannt, welche Geschichte uns nun bei Vaders Anteil am Super-Mega-Projekt War of the Bounty Hunters erwarten wird, und hoffe, dass die Last der Sequels nun endlich abgeschüttelt wurde, um weitere in die Länge gezogene, die besten Ideen aus dem ersten Handlungsbogen einfach wiederholende und ansonsten kaum mehrwertige Erzählungen zu vermeiden.
Wir bedanken uns bei Marvel-Comics für die Bereitstellung der digitalen Vorabexemplare, ohne die unsere Marvel Mittwoche nicht möglich wären.