Vor ziemlich genau einem Jahr erschien mit Alexander Freeds Alphabet Squadron ein ungewöhnlicher Pilotenroman. Statt einer überzeugten Kämpferin für die gute Sache, bekamen wir mit der Protagonistin Yrica Quell eine imperiale Deserteurin, die sich nicht recht bei der Neuen Republik einfinden kann. Und mit Alphabet Squadron bekamen wir statt Kameraden, die miteinander durch Dick und Dünn gehen, eine psychisch schwer angeschlagene Truppe, die kaum als Team funktioniert. Gerade diese interessanten Innovationen machten den Roman, den ich letztes Jahr auch rezensiert habe, so spannend und außergewöhnlich und das überraschende Ende machte Lust auf mehr. Kann Band 2 der Trilogie, der diese Woche unter dem Titel Shadow Fall bei Century erscheint, die Erwartungen erfüllen?
Shadow Fall erzählt das zentrale Thema des ersten Bandes weiter: die Rivalität zwischen Alphabet Squadron und dem imperialen Elite-Geschwader Shadow Wing. Dieses Mal treffen die Piloten beider Seiten im Cerberon-System aufeinander. Dieses System, welches im Kern der Galaxis liegt und keine Sonne mehr besitzt, sondern stattdessen um ein Schwarzes Loch kreist, will die Neue Republik sich sichern und es gleichzeitig dazu nutzen, den Shadow Wing hervorzulocken, welcher nun wieder unter dem Kommando von Yricas früherem Mentor Soran Keize steht. Doch die Falle für die Imperialen schnappt natürlich nicht wie geplant zu. Die Alphabet Squadron findet sich voneinander getrennt wieder. Gleichzeitig muss sich auch Yrica Quell den Dämonen ihrer Vergangenheit als aktive Beteiligte am Genozid im Rahmen von Operation Asche stellen…
Die Piloten des Alphabet Squadron – Yrica Quell, Wyl Lark, Chass na Chadic, Nath Tensent und Kairos – sind mittlerweile wirklich gut ausgearbeitete Figuren, denen man gern auf ihren Abenteuern folgt. Über jede(n) von ihnen erfährt man auch in Shadow Fall noch mehr, teilweise auch Details über ihre Vergangenheit. Sogar die mysteriöse Kairos lernen wir ein wenig besser kennen – wenn ich mir hier auch noch ein bisschen mehr erhofft hatte, aber vielleicht kommt das ja noch in Band 3. Am interessantesten ist natürlich nach wie vor Yrica, die mit ihren Schuldgefühlen nicht klarkommt und in ständiger Angst lebt, als Kriegsverbrecherin geoutet zu werden. Absurderweise fühlt sie sich dadurch gerade dem Geheimdienstoffizier Caern Adan näher, der als Einziger von ihrem Geheimnis weiß.
So interessant ich die einzelnen Piloten finde, so sehr hätte ich mir doch auch gewünscht, dass sie etwas mehr als Gruppe miteinander interagieren. In Shadow Fall macht jeder von ihnen sein eigenes Ding und es kommt kaum einmal zu bedeutenden Gesprächen untereinander. Nach Band 1 hatte ich erwartet, dass die Pilotenstaffel in Band 2 weiter daran arbeitet, sich näher kennenzulernen und zu einem echten Team zusammenzuwachsen – auch wenn das natürlich nicht ohne Probleme ablaufen kann, gerade weil Yricas Vergangenheit noch im Raum steht. Dass Alphabet Squadron nun derart auseinander bricht und (abgesehen von einem aus zwei Personen bestehenden Team) einen Großteil der Handlung getrennt voneinander verbringt, hätte ich nie gedacht und finde es auch sehr schade. In Band 1 fand ich nämlich gerade die Gruppendynamik so interessant. Diese fällt nun in Band 2 fast komplett weg.
Durch die Aufsplittung der Piloten zersplittert auch die Handlung in viele einzelne Handlungsstränge, was ich teilweise etwas anstrengend fand. In einem Handlungsstrang wird es zeitweise etwas mystisch, was zwar durchaus sehr interessant ist, für meinen Geschmack aber nicht so ganz mit Freeds sonst so „realistischem“ Erzählstil zusammenpasst. In einem anderen Handlungsstrang spielt eine neue Gruppierung eine Rolle, deren Bezug zur und Relevanz für die Gesamtheit der Handlung sich mir nicht erschlossen hat. Einiges scheint hier mehr als Setup für Band 3 zu dienen. Ich bin gespannt, ob sich dann noch alles sinnvoll zusammenfügt.
Dafür können wir als Leser dieses Mal aber die imperiale Perspektive noch besser nachvollziehen, da wir jetzt mit Soran Keize eine zumindest bis zu einem gewissen Grad sympathische Figur an der Spitze haben. Das Interessante an ihm ist, dass er seinen Glauben an einen Sieg des Imperiums verloren hat, und quasi nur aus seinem zeitweisen Exil zurückgekehrt ist, um den Shadow Wing-Piloten zu geben, „was sie brauchen“: Rache an Alphabet Squadron.
Die Sinnlosigkeit dieses Krieges wird uns in Shadow Fall immer wieder anschaulich vor Augen geführt. Das Erste, was wir über das Cerberon-System erfahren, ist, dass die Neue Republik es nur erobern will, weil sie Angst hat, es könnte als Abkürzung zwischen den Kernwelten dienen. Die Piloten finden dieses Missionsziel ziemlich dämlich und konzentrieren sich lieber auf ihre Falle für den Shadow Wing. Auch Keize und sein Shadow Wing interessieren sich einen Dreck für die Bevölkerung des Cerberon-Systems, inklusive der Reste der dortigen imperialen Besatzung, die immer noch loyal sind. Keine der beiden Seiten glaubt also ernsthaft, dass sich dabei etwas am Verlauf und Ausgang des Krieges ändern wird. Symbolisch für diese Sinnlosigkeit steht auch das Schwarze Loch im Zentrum des Cerberon-Systems, das in absehbarer Zeit die Umlaufbahnen der Planeten destabilisieren und diese dann verschlucken wird. Alphabet Squadron und Shadow Wing kämpfen also einen Kampf um etwas, das ohnehin schon verloren ist, in dessen Zentrum ein unendliches Nichts steht. Das ist ziemlich deprimierend angesichts der Tatsache, dass dieser Konflikt massive Verluste nach sich zieht.
Diese verlustreichen Schlachten setzt Alexander Freed, wie wir es von ihm als Fachmann für alles Militärische gewohnt sind, auf beeindruckende Art und Weise um. Vor allem in der Mitte des Romans gibt es eine bombastische Szene, die es verdient hätte, auf der Kinoleinwand umgesetzt zu werden. Aber auch schon deren Umsetzung in Form des gedruckten Worts hat mich so mitgenommen, dass ich mit offenem Mund dasaß, während diese Szene vor meinem inneren Auge ablief.
Einen Gastauftritt hat auch das Vanguard Squadron, das im Mittelpunkt des am 2. Oktober erscheinenden Spiels Star Wars: Squadrons stehen wird. Während des Romans brechen sie mit General Hera Syndulla zu ihrer Mission auf, die wir dann im Spiel erleben werden. Im ersten Moment wirkt es etwas seltsam und gewollt, dass Hera ihre Truppen im Cerberon-System in einer heißen Phase einfach allein lässt – zumal wir nicht genau erfahren, was an der Vanguard-Mission nun so wichtig sein soll. Allerdings bietet Heras Abwesenheit dann auch Potential für spannende Entwicklungen, die so wohl nicht möglich gewesen wären, wenn sie geblieben wäre. Insofern passt Heras plötzlicher Abgang dann doch ganz gut. Ich bin gespannt, im Herbst dann zu erfahren, was sie in der Zeit gemacht hat.
Ohne zu viel zu spoilern, möchte ich auch noch ein paar Worte zum Ende des Romans verlieren. Dieses hat mich wirklich im positiven Sinne überrascht. Dass sich die Handlung auf diese Art und Weise entwickelt, hätte wohl kaum jemand erwartet. Freed schafft hier definitiv eine sehr interessante Ausgangslage für seinen dritten Band und ich kann beim besten Willen nicht vorhersagen, wie die Trilogie wohl enden wird. Es bleibt also spannend!
Insgesamt ist Shadow Fall auf jeden Fall eine lohnende Lektüre für alle, die auch schon den ersten Band gern gelesen haben. Die Figuren – allen voran Yrica Quell – sind spannend und die Schlachtenszenen gekonnt inszeniert und abwechslungsreich. Trotzdem hätte ich mir von einem Buch, das das Wort „Squadron“ im Titel trägt etwas mehr Interaktion und Gruppendynamik zwischen den Piloten gewünscht. Daher vergebe ich für Shadow Fall vier von fünf Holocrons.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Shadow Fall: An Alphabet Squadron Novel in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de bestellen. Für die deutsche Ausgabe gibt es noch keine Informationen
Was ist eure Meinung zu Shadow Fall: An Alphabet Squadron Novel?
Stark wie der erste Teil!
Was soll ich über dieses Buch noch sagen/schwärmen… du hast mir die Worte aus dem Mund genommen, Ines! Ich möchte vielleicht noch ergänzen, dass Freed einen fantastischen Sprachstil hat – es ist geradezu Poesie in Prosaform! Eine sehr bildhafte Sprache, mit der er die beklemmenden Ereignisse gekonnt unterstreicht.
Und: Er hat sich als Romanautor echt gemacht. Battlefront: Twilight Company (Shadow Fall-Leser sollten sehr aufmerksam mitlesen, es kehren einige B:TC-Figuren zurück…) fand ich nur so la la, aber hier sind die Progression der Handlung, die Charakterarbeit und der Sprachstil wirklich gelungen.
Zuletzt sei hervorgehoben, dass der Leser bei Freed oft mehr weiß als einzelne Charaktere, weil wir ja allen Handlungssträngen folgen, und sich so teilweise der fatale Irrtum der Figuren für den Leser schon abzeichnet, wenn besagte Figuren nicht alle für ihre Entscheidung nötigen Informationen haben. Er generiert aus diesem Umstand konstant Spannung, z.B. bei Soran Keizes Annahmen über seinen Gegner, aber auch in Bezug auf Yrica Quells Wahrnehmung durch ihre Staffelmitglieder.
Nach dem noch etwas unsicheren Buch 1 hat Freed hier echt solide nachgelegt, und wenn er das jetzt noch so gut abrundet, dann wird diese Trilogie bald Kultstatus haben.
Danke für die Rezensionen. Da freut man sich direkt auf die Lektüre. Klasse!
Wirklich ein sehr schön geschriebenes Buch. Das Ende war zwar nicht wie ich es mir gewünscht hatte aber es macht Freude auf mehr. Mal sehen ob wir wieder bis Juli warten müssen…
Mal sehen. Vielleicht ist es ja gar nicht mehr so lange.