Heute erscheint bei Disney-Lucasfilm Press das wohl ungewöhnlichste Buch aus dem Galaxy’s Edge-Verlagsprogramm: Star Wars: Myths & Fables von George Mann, mit Illustrationen von Grant Griffin. Es handelt sich dabei um ein Geschichtenbuch mit Märchen, Fabeln und Mythen direkt aus dem Star Wars-Universum – also Geschichten wie Anakin, Luke, Rey und die anderen Helden der Galaxis sie in ihrer Kindheit gehört haben könnten! Der Verlag war so freundlich, mir das Buch vorab bereitzustellen, sodass ich euch heute bereits meine Eindrücke schildern kann.
Nach einem Vorwort enthält Myths & Fables neun Erzählungen im Stile klassischer Märchenbücher und Legendensammlungen, die sich stilistisch zwischen den Gebrüdern Grimm, griechischen Heldensagen, moralisierenden Ammenmärchen und Fabeln sowie gaunerhaften Abenteuerstücken bewegen. Jede Geschichte wird von einer ganzseitigen Illustration begleitet, die Grant Griffin in einem sehr klassischen, gemäldeartigen Stil gehalten hat, der gemeinsam mit dem Buchdesign wirklich das Gefühl erweckt, man würde einen Märchenband aus einer anderen Galaxis in der Hand halten.
Folgende Geschichten sind enthalten:
- „The Knight and the Dragon“ – Der Drache Krayt terrorisiert einen Sandleute-Stamm auf Tatooine, bis er es eines Tages mit einem mysteriösen Ritter zu tun bekommt, der sich auf dem Planeten versteckt hält.
- „The Droid With a Heart“ – Ein Cyborg-General opfert gnadenlos seine Kampfdroiden, bis sich ein unerwarteter Champion für die Soldaten der Droidenarmee einsetzt.
- „Vengeful Waves“ – Die Anselmi, die ihre Heimatwelt Glee Anselm mit den Nautolanern teilen, beuteten dereinst ihre Nachbarn aus und erbauten entgegen aller Warnungen ein großes Reich. Doch der Ozean strebt nach Gleichgewicht…
- „The Wanderer“ – Dreimal wurde die Stadt Solace auf dem Planeten Cerosha von einem mysteriösen Wanderer mit loderndem Schwert gerettet. Dies ist seine Geschichte.
- „The Black Spire“ – Ein skrupelloser Sklaventreiber auf Batuu entführt die Geschwister des Mädchens Anya, das nun zur Rettung eilen muss.
- „Gaze of Stone“ – Die Geschichte des Sith-Schülers Ry Nymbis und seines Meisters Darth Caldoth, die einst auf Korriban/Moraband lebten.
- „The Witch and the Wookiee“ – Eine Fabel über die Figuren Shelish und Owacchi aus dem Handyspiel Star Wars: Uprising.
- „The Dark Wraith“ – Ein Ammenmärchen über den dunklen Lord, der die Stadt Solace für ihren moralischen Verfall zugrunde richtete. (Hier entstanden für mich Parallelen zum Lord-Nyax-Mythos aus den Legends.)
- „Chasing Ghosts“ – Auf der Flucht vor einer gnadenlosen Kopfgeldjägerin lässt der Gauner Misook sich auf Batuu eine gewiefte Finte einfallen…
Allein anhand meiner kurzen Einblicke dürfte bereits erkennbar sein, dass es sich hier um einen wirklich vielfältigen Band handelt, der von klassischen Geschichten über Jedi und Sith bis hin zu mysteriösen Monstern und Gaunereien aus der Unterwelt alles abdeckt. George Mann schafft es dabei, verschiedene Konzepte aus der Mythologie unserer Welt organisch in den Kontext der weit, weit entfernten Galaxis zu integrieren. Dies gelingt ihm dank Beschreibungen, die dem Leser vermitteln, wer sich z.B. hinter dem Ritter aus „The Knight and the Dragon“, dem Cyborg-General oder hinter dem „Dark Wraith“ verbirgt, aber auch dadurch, dass beispielsweise das Kyber-Blutungsritual oder Ogas Cantina auf Batuu und andere bekannte Teile der Saga nicht noch einmal erklärt, sondern einfach in Nebensätzen eingestreut werden. Mann bedient sich also vieler Kontinuitätselemente aus dem Kanon sowie mancher aus den Legends, um seine Geschichten trotz ihrer märchenhafter Sprache fest in Star Wars zu verankern.
So mancher mag mir nun entgegnen: Aber Star Wars ist doch auch ein Weltraummärchen? Richtig, aber dies wird in Myths & Fables nochmal auf die Spitze getrieben. Stilmittel wie Übertreibungen durch wiederholte mündliche Überlieferung, blumige, bisweilen altertümliche Sprache oder klassische Märchenelemente wie die Zahl „Sieben“, die vermehrt auftaucht, vermitteln dem Leser trotz der Anwesenheit von Raumschiffen und Blastern das Gefühl, dass man sich in einem Märchenbuch der Gebrüder Grimm befindet. Auch werden manchmal reale Mythen angedeutet – hinter der Stadt Solace oder dem Reich der Anselmi könnte man die biblischen Städte Sodom und Gomorrha oder auch die Stadt Atlantis aus dem griechischen Mythos vermuten.
Nicht zuletzt wird dieses Gefühl der Authentizität durch Grant Griffins atmosphärische Illustrationen gesteigert, von denen es gerne mehr hätte geben dürfen. Man merkt – insbesondere bei „The Dark Wraith“ – dass Griffin sich in einen Zeichner hineinversetzt hat, der „wirklich“ in der Star Wars-Galaxis lebt und aus dieser Welt heraus zeichnet. Illustrationen uns wohl bekannter Figuren wirken etwas verzerrt und nicht wie abgepaust aus den Filmen. Wie würde denn jemand in der Galaxis, der noch nie ein Bild von Darth Vader gesehen hat, den Dunklen Lord der Sith zeichnen, wenn er nur Beschreibungen gehört hat? Solche Feinheiten machen Myths & Fables zu einem echten Schatz für Leser, die auch gerne einmal ein sehr untypisches Star Wars-Buch zur Hand nehmen.
Als Fazit kann ich nur sagen, dass ich selten so viel Spaß hatte wie beim Lesen dieser In-Universe-Erzählungen, die trotz aller Übertreibungen und Verfremdungen seitens der Überlieferer mein Wissen über und Verständnis von der Star Wars-Galaxis bereichert haben. Gerade, was den Blick der einfachen Bürger auf Wesen wie die Jedi und Sith angeht, aber auch auf die Abenteuer anderer Wesen aus unserer Lieblingsgalaxis, hat mich Star Wars: Myths and Fables bestens bedient.
Wir danken Disney-Lucasfilm Press für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Das liest sich sehr interessant und ist mal was völlig anderes.
Ich denke hier brauche ich auch gar nicht (vergeblich) auf eine deutsche Fassung warten, sondern kann direkt bei der Originalfassung zugreifen 😉
Btw: Glückwunsch zu eurem neuen Design. Gefällt mir sehr gut.
Gefällt mir anhand der Rezension sehr gut.
Ist es evtl. geplant die In-Universe Literatur irgendwie gesondert zu markieren?
Wenn ich mich recht erinnere sollte folgende Kanon-Literatur In-Universe sein:
Propaganda
Galactic Atlas
Alien Archive
On the Frontlines
The Rebel Files
Smugglers Guide
Auch das Kochbuch zu Galaxy’s Edge ist in-universe, dazu noch die Replica Journals… das würde kein Ende nehmen. Also nein, ist erst mal nicht geplant.