Rezension: The Last Jedi: Expanded Edition von Jason Fry

Star Wars: The Last Jedi (06.03.2018)
Star Wars: The Last Jedi (06.03.2018)

Der Trubel um Die letzten Jedi liegt nun schon etwas zurück und bald erscheint mit Solo: A Star Wars Story schon der nächste Film. Doch erst jetzt, fast drei Monate nach dem Kinostart, ist diese Woche beim Verlag Century der Roman zum Film, geschrieben von Jason Fry, als Hardcover und E-Book erschienen. Beworben wird er aufgrund zusätzlicher, nicht im Film enthaltener Szenen mit dem Titelzusatz Expanded Edition.

Wie unseren regelmäßigen Lesern bekannt sein dürfte, war ich kein Fan von Die letzten Jedi und bin es auch nach wie vor, nach viermaligem Sehen und zahlreichen Diskussionen nicht. (Wer meine genauere Begründung nachlesen möchte, kann das in unserem Jahresrückblick 2017 tun.) Für mich war mit dem Filmroman daher auch ein wenig die Hoffnung verbunden, dass er manche Ungereimtheiten des Films ausbügeln und einige Dinge besser erklären könnte. Von Autor Jason Fry erhoffte ich mir auch ziemlich viel, da er mit seinen bisherigen Star Wars-Werken immer überzeugen konnte, vor allem mit seiner wunderbaren Jugendbuch-Reihe Servants of the Empire.

Bevor wir zur eigentlichen Rezension kommen, muss ich sagen, dass ich trotz meiner negativen Meinung zu Die letzten Jedi an die Romanadaption fair und so neutral wie möglich herangehen werde. Dass ich die im Film erzählte Geschichte nicht gut finde, soll die Bewertung des Romans natürlich nicht von vorne herein herunterziehen. Was ich allerdings, wie auch bei jedem anderen Filmroman, einfließen lassen werde, ist, ob der Roman die Chance nutzt, Aspekte, die mir persönlich im Film zu wenig ausgearbeitet waren, auszubauen oder besser zu erklären.

Was also liefert uns The Last Jedi: Expanded Edition? Zunächst einmal stimmt natürlich die Grundvoraussetzung für einen Filmroman: Jason Fry erzählt das Geschehen auf der Leinwand originalgetreu nach. Auch bei Dialogen stimmt der Wortlaut genau mit dem überein, was im Film gesagt wird. Darüber hinaus gibt uns der Roman natürlich auch noch etwas mehr Einblick in die Figuren, wobei deren Gedanken und Gefühle sich in den Filmszenen jedoch meist auf recht Vorhersehbares beschränken. Tiefere Einblicke in die Figuren bekommen wir eher in zusätzlichen Szenen, auf welche ich später eingehen werde.

Obwohl die Treue zum Original für einen Filmroman erst einmal positiv ist, stört sie an manchen Stellen jedoch auch. Der Humor, den ich selbst und viele andere Fans schon im Film teilweise unpassend fanden, wirkt in geschriebener Form noch viel grotesker und unpassender. Deutlich wird das beispielsweise bei der Szene, in der Luke Rey mit dem Grashalm auf die Hand schlägt, und beim Sturz des Felsens auf den Schubkarren der Caretaker. Einen solch abrupten Stimmungswechsel von ernst zu „lustig“ kennt eine geschriebene Geschichte normalerweise nicht und ohne visuelle Unterstützung, zum Beispiel durch die Blicke der Figuren, zündet der Witz nicht. Viel besser funktionieren da für mich Jason Frys eigene Gags, die keine Entsprechung im Film haben, so beispielsweise Leias humorvoller Umgang mit ihrem Alter, als sie Poe erklärt, sie sei, als sie noch jung war, „also bevor der Hyperantrieb erfunden wurde“, schon mal auf Crait gewesen.

Rose und Finn in Die letzten Jedi (EW/Lucasfilm)
Rose und Finn in Die letzten Jedi (EW/Lucasfilm)

Womit wir schon bei Frys eigentlicher Eigenleistung wären: den zusätzlichen Szenen. Hierin liegt meiner Meinung nach die größte Stärke des Romans. Denn Fry vertieft hier nicht nur die Charakterisierung der Hauptfiguren, beispielsweise mit einer wunderbar traurigen Szene, in der sich Leia nach Lukes Tod an Chewies Schulter ausweint. Nein, er nutzt auch die Gelegenheit, um Figuren, die im Film zu kurz gekommen sind, eine Bühne zu bieten. So erleben wir ein letztes Mal einen gealterten Admiral Ackbar auf der Brücke und erfahren dessen Gedanken während der Evakuierung von D’Qar. Auch eine Figur wie der First Order-Captain Canady, der im Film wenig mehr als ein Statist ist, bekommt während seines kurzen Auftritts eine komplett nachvollziehbare Persönlichkeit und eigene Motivationen. Sogar aus der Sicht der Caretakers wird ein kleiner Abschnitt erzählt. Auch Rose wird in einigen zusätzlichen Szenen ein kleines bisschen interessanter, da sie Finn mehr Contra gibt und ihn immer wieder damit konfrontiert, wie lächerlich es eigentlich ist, dass er so an Reys Rockzipfel hängt. Eine glaubhafte Liebesgeschichte zwischen den beiden findet aber auch im Roman nicht statt. Auch Jason Fry macht denselben Fehler wie der Film selbst und arbeitet zwar etwas mehr, aber immer noch zu wenig darauf hin, dass das Liebesgeständnis und der Kuss am Ende wie eine natürliche und nachvollziehbare Entwicklung zwischen Finn und Rose wirken.

Bei anderen Figuren hingegen findet eine vertiefte Charakterisierung durch zusätzliche Szenen kaum bis gar nicht statt. Hier müssen vor allem Luke und Kylo Ren genannt werden. Wann immer Kylo Ren ins Spiel kommt, wirkt es, als habe Jason Fry mit einem Mal sein schriftstellerisches Talent verloren. Statt Vorgänge im Inneren dieser spannenden Figur zu beschreiben, wird auf einmal nur noch die äußere Handlung, die im Film zu sehen ist, nacherzählt. Dabei tritt wieder einmal das altbekannte Problem zutage, das ich schon seit Beginn des neuen Kanons kritisiere und das schon bei einer ganzen Reihe Bücher verhindert hat, dass sie wirklich gute Werke werden: Es wird den Romanautoren verboten, zu tief in die Gedankenwelt ihrer Figuren vorzudringen, um nichts aus kommenden Filmen vorwegzunehmen oder um sich für kommende Filme noch alle Türen offen zu halten. Jason Fry benennt dieses Problem selbst in einem Gastbeitrag auf StarWars.com:

Kylo Ren — oder vielleicht besser Ben Solo — forderte in der Romanadaption einen Balanceakt. Wir wollten natürlich mehr über seine Vergangenheit und seine Gedanken über die Zukunft wissen… aber zur gleichen Zeit musste ich vorsichtig sein, dass ich nichts tue, was der Geschichte von Episode IX in die Quere kommt. Trotzdem konnte ich uns Eindrucke seiner Kindheit geben, wozu auch Leias Erinnerung an Ben in ihrem Bauch gehört – eine Szene, die auf Chuck Wendigs Nachspiel-Trilogie zurückgreift.

Ich finde es immer wieder extrem schade, dass die Angst um zukünftige Filme gute Romane im Hier und Jetzt verhindert. Hier liegt die Schuld natürlich nur bei Lucasfilm und nicht beim Autor, der sicher bessere Leistungen erbringen könnte, wenn man ihn nur frei schreiben ließe. Dennoch kann ich nur das Endprodukt bewerten, das mir in Form des Filmromans vorliegt. Und dieses hat eindeutige Schwächen in der Darstellung von Kylo Ren. Für einen Filmroman ist das fatal, denn man liest ihn ja fast ausschließlich, weil man Innenansichten der Figuren bekommen will, während man die äußere Handlung aus dem Film ja schon zu genüge kennt.

Rey und Luke in Die letzten Jedi (EW/Lucasfilm)
Rey und Luke in Die letzten Jedi (EW/Lucasfilm)

Auch aus Luke wird man leider nicht schlauer. Im Film hatte ich ein großes Problem mit den Rückblenden, in denen Luke seinen Neffen umbringen will. Hier hätte ich mir noch viel mehr Unterfütterung durch den Roman gewünscht, um auch nur ansatzweise verstehen zu können, wie Luke Skywalker so eine Entscheidung treffen konnte, die für mich seinem Charakter aus der Original-Trilogie widerspricht. Aber auch hier liefert der Roman nur eine Filmbeschreibung, verbunden mit ein paar generischen Platitüden darüber, was Luke in Kylo wahrnimmt. Auch die geschnittene Szene mit dem angeblichen Piratenangriff auf das Caretaker-Dorf lässt Luke noch seltsamer, unsympathischer und grundlos fies gegenüber Rey wirken. Ich für meinen Teil bin ziemlich froh, dass diese Szene es nicht in den Film geschafft hat.

Des Weiteren hatten sich viele Fans im Vorfeld noch mehr Informationen über Snoke im Roman erhofft, wobei ich persönlich nie erwartet hatte, dass der Roman hier etwas wirklich Relevantes enthüllen würde. Genau so ist es auch gekommen. Jason Fry belässt es bei einigen vagen Andeutungen und ein paar Details zu Snokes Vergangenheit, die man sich ohnehin schon denken konnte. Wer also auf die große Enthüllung über Snoke gehofft hat, wird von dem Roman enttäuscht sein.

Positiv anzumerken ist allerdings, dass Jason Fry seine Romanadaption sehr gewissenhaft in das große Ganze des Kanons eingewoben hat. Man findet nicht nur, wie oben schon genannt, Rückbezüge zur Aftermath-Trilogie, sondern auch unter anderem Anspielungen auf Leia: Princess of Alderaan, Cobalt Squadron und den Comic Storms of Crait. Über diese Verbindungen zu anderen Werken habe ich mich beim Lesen immer wieder besonders gefreut, weil man so den Eindruck bekommt, dass wirklich alles zusammenhängt. Eine Figur wie Leia wirkt durch diese Erinnerungen an ihre Vergangenheit auch gleich noch einen Tick plastischer und realistischer.

Insgesamt kann ich also sagen, dass Jason Fry mit seiner Roman-Adaption zu The Last Jedi gute Arbeit geleistet hat – im Rahmen dessen, was Lucasfilm ihm erlaubt hat. Während The Last Jedi: Expanded Edition vor allem in den zusätzlichen Szenen glänzt, in denen der Autor sich frei ausleben konnte, merkt man anderen Szenen doch stark die Beschränkungen an, in denen er arbeiten musste. Dadurch bleiben uns wichtige Einblicke in Figuren verwehrt und die drängendsten Fragen des Films unbeantwortet. Wer den Film Die letzten Jedi mag, wird auch dieses Buch sehr gerne lesen. Wer dem Film eher skeptisch gegenübersteht, bekommt hier zwar eine solide Adaption, die durchaus lesenswert ist, wird aber auch durch den Roman sicher nicht zum Die letzten Jedi-Fan bekehrt werden.

Insofern würde ich diesem Roman 3,5 von fünf Holocrons geben, runde dieses Ergebnis aber auf, weil ich weiß, dass ich beim Thema Die letzten Jedi wahrscheinlich trotz aller Bemühung um Neutralität kritischer bin als die meisten Fans. Vier Holocrons entsprechen daher wohl eher einer fairen Wertung.

Der Rezensent vergibt 4 von 5 Holocrons!
Die Rezensentin vergibt 4 von 5 Holocrons!

Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

The Last Jedi: Expanded Editon in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de¹ bestellen. Die deutsche Ausgabe von Penhaligon ist, wie wir diese Woche berichteten, auf den 20. August 2018 verschoben worden. Ihr könnt sie aber bereits bei Amazon¹ vorbestellen.

Was ist eure Meinung zu The Last Jedi: Expanded Editon?

9 Kommentare

  1. Also ich bin ja mit dem neuen Kanon eigentlich sehr zufrieden, allerdings sind es gerade solche Rezis, die mich dann doch immer davon abhalten Romane zu kaufen, die im Dunstkreis der ST spielen. Es ist einfach Schade, dass man, wie im Falle Kylo Ren, eindeutig das „Darf nichts dazu schreiben“ Plakat aufgehängen muß. Warum schreibe ich das dann überhaupt. Kylo Ren ist eine der intressantesten Figuren überhaupt und dann wird permanent um den heißen Brei geschrieben.

    Alles Geheim, darf man nicht vorwegnehmen, es nervt einfach nur. Ich hoffe das sie nach der ST, von dieser ganzen Geheimniskrämerei wieder absehen, da das für die Romane einfach nicht förderlich ist. So werde ich auch dieses Mal wieder von einem Kauf des Film Romans absehen.

    1. Das kann ich so eigentlich nur unterschreiben. Ich bin zwar auch insgesamt mit dem Kanon zufrieden, aber es ist so ärgerlich, dass immer diese Schreibverbote verhindern, dass aus einem „ganz okay“-Roman ein guter oder sehr guter Roman wird. Wenn man ehrlich wäre und nicht die Einnahmen mitnehmen würde, müsste man sagen: „Sorry, momentan können wir noch keinen Roman zur ST veröffentlichen. Die Romane erscheinen dann erst, wenn die ST beendet ist.“ In einigen Jahren könnte man einfach so viel bessere Filmromane schreiben, aber dann existieren ja schon die jetzigen und werden sicher nicht ersetzt.

  2. Bin fast 2/3 durch und hier ein kleines Zwischenfazit. Kylo Ren finde ich bisher ziemlich gut dargestellt – gerade die anfänglichen Einblicke in seine Jugenderinnerungen, z.B. streitende Eltern, die über ihn reden… das hat ihn sehr lebendig gemacht. Ansonsten sprechen bei dieser Figur auch ziemlich gut die Taten; das gefiel mir im Film schon.

    Einen Kritikpunkt habe ich aber bisher: mit den Macht-Flashbacks ist Jason echt nicht so gut umgegangen. Ich erwarte/möchte ja nicht unbedingt, dass der Roman an dieser Stelle mehr verrät als der Film – das ist der Roman zu TLJ, nicht Episode IX – aber die Kursivschreibung und Erzählung im Präsens erschließt sich mir hier nicht ganz. Im Kontext des Romans ist das ein unbegründeter Stilbruch, um der Darstellung im Film Rechnung zu tragen. Hier hätte entweder eine Art Einleitung gefehlt, wonach Luke ihr das mit der Macht zeigt, oder Jason hätte das umschreiben sollen, dass es alles in Lukes Erzählung ist – also die Tonspur des Films um 1-2 Sätze erweitert, um die visuellen Elemente schriftlich zu transportieren.

    Kleiner Schönheitsfehler…

    1. Es sind verschiedene Bücher verschiedener Autoren mit verschiedenen Auslegungen des Films und verschiedenen Szenen für verschiedene Zielgruppen. 😀 Also was ganz Verschiedenes eben.

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