Darth Vader schlägt zurück! In Marvels neuer Comicserie Darth Vader vom britischen Autor Kieron Gillen und dem spanischen Zeichner Salvador Larroca, deren erste Ausgabe gestern erschienen ist, hat der Dunkle Lord es nicht leicht. Sein Imperator ist von ihm enttäuscht und behandelt ihn wie einen Versager, doch der ehemalige Anakin Skywalker lässt sich das nicht gefallen und macht sich in bester Kevin-Spacey-Manier a la House of Cards auf, um seine rechtmäßige Position im Galaktischen Imperium zurückzuerlangen. So beginnen der Fall und der Aufstieg des Darth Vader…
Erste Auffälligkeit: Der Lauftext am Anfang ist aus imperialer Sicht geschrieben und stellt die Rebellen als Antagonisten dar, was dem Thema des Comics angemessen und auch eine nette Abweichung des Standardschemas ist. Hier meine Eigenübersetzung:
Es ist ein Zeitalter des Aufstands. Rebellenraumschiffe, die von einer verborgenen Basis auf einem der Monde Yavins aus zuschlagen, haben einen schockierenden Überraschungssieg gegen die rechtmäßige Herrschaft des Galaktischen Imperiums gewonnen.
Des Imperiums ultimatives Machtmittel zur Wahrung des Friedens, der TODESSTERN, wurde aufgrund eines unvorhergesehenen Designfehlers zerstört. Ohne dieses Abschreckungsmittel sind Recht und Ordnung in Gefahr. Chaos droht!
Die neunzehn Jahre seit der Auslöschung der Jedi und seiner schmerzvollen Wiedergeburt auf dem vulkanischen Mustafar hat Sith-Lord DARTH VADER treu seinem Meister gedient. Aber nun hat er in den Augen des Imperators versagt und muss den Preis dafür bezahlen…
Die Handlung knüpft nicht direkt an Episode IV an, sondern beginnt kurz nach den Ereignissen auf Cymoon 1 in Star Wars #2: Skywalker Strikes, Part 2, wo Vader erneut versagt hat. Dabei hat Kieron Gillen eine nicht-chronologische Erzählform gewählt. Wir sehen zunächst Vader in Jabbas Palast, bevor wir in einer kurzen Rückblende erfahren, wieso er dorthin gegangen ist. Und innerhalb der Rückblende gibt es weitere Rückblenden auf die Ereignisse in Episode IV und in Star Wars #1 und #2. Dabei sind auch kurz die „Großen Drei“ Han, Luke und Leia sowie Aufseher Aggadeen aus der Schwesterserie zu sehen. Diese Erzählform schließt also nicht aus, dass wir eines Tages eine weitere Rückblende direkt ans Ende von Episode IV bekommen (oder vielleicht zeigt man uns Vaders Bergung sowie seine erste Rückkehr ins Imperiale Zentrum ja auch noch in einem anderen Medium).
Allerdings bekommen wir jetzt erstmals richtig zu spüren, dass hinter den aktuellen Star Wars-Medien eine Story Group setzt, die alles koordiniert. Klar, Rebels-Crossover gab es bereits in der Literatur, aber echte Kontinuität untereinander haben die verschiedenen Literaturerzeugnisse noch nicht gezeigt. Darth Vader #1 greift – neben der Verknüpfung zu Jason Aarons Star Wars – einige Elemente aus James Lucenos Roman Tarkin wieder auf. Wir sehen den Imperialen Palast, der – anders als in den Legends – im Jedi-Tempel eingerichtet wurde. Es hat schon etwas Morbides, den Imperator und Vader Gänge entlanggehen zu sehen, die in den Kinofilmen von Obi-Wan, Yoda, Mace Windu und Co. verwendet wurden.
Auch die Erwähnung des Crymorah-Syndikats, das in Tarkin eingeführt wurde, lässt auf Kontinuität schließen. Die politischen Ziele des Imperators spiegeln Dinge wieder, die in Tarkin und sogar im halb-Legends/halb-kanonischen Handbuch der Imperialen Streitkräfte angedeutet wurden. Wer den ganzen Kanon liest hat also ein besseres Gesamtbild, so wie es sein sollte.
Auch das House of Cards-Element ist interessant. Darth Vader bekommt mit General Cassio Tagge sowie einem mysteriösen Cyborg neue Hindernisse in den Weg gestellt, da diese Personen höher in der Gunst des Imperators stehen. Diese Hindernisse gilt es wohl in künftigen Ausgaben zu beseitigen. Aber nicht nur auf beruflicher Ebene, sondern auch auf privater Ebene hat Vader jede Menge Sorgen – die Begegnung mit dem Rebellensoldaten mit Anakin Skywalkers Lichtschwert auf Cymoon 1 hängt ihm schwer nach. Da hat Darth Vader direkt in der ersten Ausgabe einen Vorteil, den Jason Aarons Star Wars nicht hatte – tiefgehende Charakterzeichnung. Das ist natürlich bei einer Serie mit einer einzigen Hauptfigur auch einfacher als bei einer Reihe mit einem Ensemble. Ich muss Kieron Gillen auch dafür loben, dass sein Darth Vader sehr gut getroffen ist und in jedem Panel – selbst in denen, in denen Palpatine auch anwesend ist – diese einzigartige Bedrohlichkeit ausstrahlt. Das ist allerdings auch Salvador Larrocas gelungenem photorealistischen Zeichenstil geschuldet.
Im Laufe des Heftes lernen wir, warum man Darth Vader niemals als „Jedi“ bezeichnen sollte, und treffen neben Jabba und Palpatine auch einige andere Nebenfiguren aus der Filmsaga wieder. Dazu kommen mit dem mysteriösen Cyborg und dem eindrucksvollen Wookiee-Söldner Black Krrsantan auch spannende neue Figuren hinzu, damit das Ganze nicht auf eine Cameo-Show hinausläuft. Das wäre derzeit der einzige Kritikpunkt, den ich gegen Darth Vader vorbringen könnte: eine exzessive Menge an Filmanspielungen, von visuellen Referenzen in Jabbas Palast und im Jedi-Tempel/Imperialen Palast bis hin zu Handlungselementen (ein Skywalker würgt Jabba…). Man muss allerdings sagen, dass all diese Dinge sinnvoll in eine sehr spannende Erzählung eingewoben sind und dass die Serie verspricht, durch eigene Figuren und das Ausbauen von Nebenfiguren wie General Tagge auch eigene Wege zu gehen, sodass dieser Kritikpunkt nicht zu sehr ins Gewicht fällt.
Alles in allem kann ich Autor Kieron Gillen, Zeichner Salvador Larroca, Kolorist Edgar Delgado sowie die Marvel-Redaktion um Jordan D. White nur loben. Von der an die klassische Trilogie erinnernde ersten Seite bis zur Prequel-inspirierten letzten Seite und über das gesamte Drama dazwischen ist eine solide Grundlage für den neuen Comic entstanden, der zugleich epische Proportionen als auch gute Charaktermomente bietet und dabei auch Jason Aarons und John Cassadays Star Wars zumindest in meiner persönlichen Wahrnehmung an Spannung überbietet. Vielleicht bin ich auch nur ein Opfer von „Sith sells“, aber ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dieser Auftaktausgabe weniger Holocrons zu geben als Star Wars #1, sodass ich definitiv 5 von 5 Holocrons vergebe.
Die nächste Ausgabe von Darth Vader erscheint bereits am 25. Februar, sodass das Warten auf Fortsetzung nicht lange dauern wird. Wir werden mit den Marvel-Rezensionen allerdings so verfahren, dass wir immer nur die Auftaktausgabe einer Reihe rezensieren und dann anlässlich des Sammelbands oder aber der deutschen Veröffentlichung eine Rezension anfertigen werden. Den ersten Sammelband, der am 20. Oktober erscheint, kann man bereits hier vorbestellen.
Und jetzt bin ich gespannt: Hat euch das Heft auch so gut gefallen wie mir? Oder müsst ihr doch ein paar Abstriche in der Bewertung machen? Schreibt es uns in die Kommentare.
Ich stimme dir in allen Belangen zu, so dass mir nichts Ergänzendes mehr einfällt, außer vielleicht eine Bemerkung zum Thema Kanon: Als EU-Neuling stelle ich immer mehr fest, dass ich irgendwie zwischen den Stühlen sitze. Auch mir ist natürlich die Erwähnung des Crymorah-Syndikats im Heft aufgefallen, da ich Tarkin ja erst kürzlich beendet habe. Da ich aber nicht wusste, dass die Crymorah-Truppe etwas Neues ist, was im EU zuvor gar nicht vorkam, hatte ich jetzt auch nicht den „Wow“-Effekt eines NeuKanon-„Crossovers“, sondern dachte, naja, die Fans kennen’s halt sicher schon lange. Ich muss mir noch abgewöhnen, unbekannte Namen als EU-Reste zu verstehen und sollte vllt. mal häufiger beim Lesen die Wookieepedia zu Rate ziehen, damit ich Zusammenhänge und/oder Neues schneller erkenne.
Meine Begeisterung über das cineastische Lesegefühl bei Nutzung der Digitalausgabe habe ich ja schon an anderer Stelle kundgetan. Und auch wenn ich tatsächlich ständig diese Auslandssteuer draufgerechnet bekomme, denke ich, dass ich bei der Digitalausgabe bleibe, einfach, weil das Lesen bei dieser Darstellung echt Spaß macht.
Schöne Rezension zu einem schönen Comic. Ich kann dir eigentlich auch nur zustimmen – nach dem „Star Wars“-Auftakt schieben sie mit Vader einen weiteren klasse Start nach. Und ich bin mal gespannt, ob sie die Verknüpfung der verschiedenen Medien auf Dauer in einem solchen Maße beibehalten, das macht natürlich noch einmal einen neuen Reiz aus.
Super Beitrag! Gibt es eigentlich schon eine deutsche Version oder kann ich mir die Comics noch irgendwo analog bestellen? Immerhin ist hier der Beschreibungstext auf deutsch 🙂
Oder gibt es Comics nur noch digital für Tablets? Bin seit ca 10 Jahren kein regelmäßiger Comicleser mehr und etwas verloren aber total geil auf die kommenden Marvel-Comics
Hallo Jandalf! Deutsche Ausgaben gibt es noch nicht – die Beschreibungstexte übersetzen wir selbst für unsere Leser. 🙂 Wie du an die englischen Comics (digital oder gedruckt) kommst, erfährst du hier.
spielen die Gr0ßen Drei eine Rolle im Heft? Wie sieht wohl ihre Rolle in den weiteren Heften aus?
Also sie tauchen kurz in einem Flashback zu Star Wars #1 auf. Aber naja – vorsicht, kleiner Spoiler für Star Wars #1 und #2 – Darth Vader denkt natürlich sehr viel über Luke nach. Er weiß nicht, wer Luke ist, aber er weiß, dass dieser Junge in Begleitung von Obi-Wan auf dem Todesstern war und ihm dann in SW#1 und #2 mit Anakin Skywalkers altem Lichtschwert über den Weg gelaufen ist. Ansonsten ist das hier aber Vaders Show mit sehr vielen imperialen Charakteren.