Marvel-Mittwoch: The Rise of Skywalker #1

Hand aufs Herz: Welche Komplettisten haben nicht alles die Film- und Serienadaptionen im Regal stehen? Ich bin sicher, einem Großteil unserer Leserschaft geht es so. Nun kann man vom Finale der Skywalker Saga halten, was man will, doch das jahrzehntelange Gesetz zu brechen, dass zu jedem Star Wars-Film auch eine solche Comic-Adaption gehören muss, schmerzte. Doch an dieser Stelle nun genug der turbulenten Ankündigungs- und Veröffentlichungsgeschichte, denn hier ist er endlich: Der Marvel-Mittwoch, auf den man fünf Jahre warten musste.

Achtung: Wie immer besprechen wir im Marvel-Mittwoch die Handlung der Comics, sodass sowohl der Beitrag als auch die Kommentare Spoiler enthalten können.

„Endlich. Jody Houser hat dich gut adaptiert.“

„Jody Houser hat eine Menge adaptiert. Nicht nur mich.“

„Mein Junge, ich habe Jody Houser bezahlt. Ich produzierte jede Adaption… die du je gelesen hast… als Comicheft. Episode VII war nur der Anfang. Ich werde dir so viel mehr geben.“

„Vorher werde ich abgesagt.“

„Du wurdest schon abgesagt. Die dunkle Seite der Redaktion ist der Pfad zu mannigfaltigen Fähigkeiten, welche manche für… unnatürlich halten.“

Adaptiertes Gespräch zwischen Marvel als Palpatine und dem Comicheft als Kylo Ren

Lang hat es gedauert, jetzt ist das erste Heft der fünfteiligen Adaption von Der Aufstieg Skywalkers endlich da. Viele Comics sind seitdem erschienen, vor allem Adaptionen mehrerer Staffeln an Disney+-Serien. Die immer ähnlichen Kritikpunkte solcher Miniserien wurden im Marvel-Mittwoch schon mehr als einmal dargelegt, wo die weiter zurückliegenden Filmadaptionen der Disney-Ära manchmal mehr (Rogue One) und manchmal sogar noch weniger zu bieten hatten (Das Erwachen der Macht). Wo reiht sich eine im Jahr 2025 erscheinende Adaption eines Films aus 2019 auf dieser Skala ein?

Nach der Lektüre des Hefts, das auf 30 Seiten von der ersten Szene des Films bis zum – aus dem ersten Trailer bekannten – Showdown zwischen Rey und Kylo Ren auf Pasaana reicht, stellt sich zumindest der Eindruck ein, dass nicht nur stumpf die damalige Arbeit des Kreativteams übernommen und nun zu Ende gebracht wurde, sondern auch ganz leichte Anpassungen erfolgt sind. Insbesondere zu erwähnen sind Flashback-Darstellungen und Gedanken der Figuren, die sich direkt auf Im Schatten der Sith zu beziehen scheinen. Der Roman beschreibt die Suche von Luke Skywalker und Lando Calrissian nach Ochi von Bestoon und dem Geheimnis von Exegol, erschien aber erst sehr viel später, als der Comic zum Film ursprünglich hatte erscheinen sollen. Houser vergisst dementsprechend nicht, was in den Jahren seit dem Kinostart an neuen Informationen und Geschichten im Kanon hinzukamen und baut diese nebenbei in ihre Version der Geschichte mit ein. Hut ab dafür.

Abgesehen von kleinen Ergänzungen aktuellerer Werke hat The Rise of Skywalker #1 aber noch einiges mehr über den Film hinaus zu bieten. Als besonderes Stilmittel fallen vor allem viele einzelne Flashback-Panels zu Ereignissen vergangener Filme auf, die in den jeweiligen Stellen so nicht im Kino zu sehen waren, den jeweiligen Momenten aber mehr Substanz verleihen und sie mit der Historie der Figuren verankern. So wirkt Houser in Teilen der großen Schwäche des Films entgegen, dass er meist seine eigene, losgelöste Suppe kocht und wegen dem fehlenden Plan der Handlung der Sequel-Trilogie unstrukturiert ist.

Ähnlich zur Romanadaption finden durchgehend innere Monologe statt, die zwischen den Hauptcharakteren wechseln. Es erfrischt, jene Sätze zu lesen, die beim Schauen der Vorlage nicht zu hören waren und die ein oder andere Motivation wird etwas zugänglicher, die Sichtweise auf die Filmhandlung wird aber nicht völlig neu überschrieben. Das Flickwerk von Vorlage wird im Rahmen der Möglichkeiten eines Comichefts doch tatsächlich eine leicht rundere Sache. Mit der Wahl der Monologe wird auch klar, dass der Fokus vom großen Ensemble des Films und seine zahlreichen Plotpunkte auf die Beziehung zwischen Kylo Ren und Rey sowie ihren jeweiligen Reisen liegt. Statt Szenen, die darüber hinausgehen, gekürzt mit in das Heft zu quetschen und damit einen halbgaren Misch zu erzeugen, wie die letzten Serienadaptionen, sind diese dann ganz herausgeschnitten. Im Gegenteil, neben den Monologen gibt es auch kleinere Dialoge und mit Chewbacca gegen die Ritter von Ren sogar eine kleine Actionszene, die neu sind.

Stattdessen finden geschnittene, aber dafür im Roman verwendete Szenen, wie Kylos Begegnung mit dem Auge des Nebelsumpfs, keine Beachtung. Dafür verbindet Houser die Filmszenen auf gelungene Weise neu miteinander und erschafft einen ganz eigenen Leseflow. Das eigenwillige, teils hektische Schnittempo des Films überträgt sich wohl kaum auf Comicseiten, deshalb versucht die Autorin es erst gar nicht. Hilfreich sind dabei sehr coole Bildkompositionen und mehrere Parallelmontagen, die auf kreative Weise eine neue, wenn auch vorlagentreue Version der bekannten Geschichte liefern.

Zeichnungen

Mit Will Sliney als Zeichner hat Houser genau den Richtigen zur Seite, um den Misch aus Filmszenen und Montagen aufs Papier zu bringen, der sich auch schon in vielen Werken der Sequel-Ära austoben durfte. Zum Glück paust der begnadete Künstler auch nicht einfach stumpf die Kameraaufnahmen ab, sondern wählt eigene Winkel und Darstellungen der Ereignisse. Dies kommt der eigenständigen Seele des Comics ebenso zugute, wie die federführende Arbeit der Autorin.

Die Charaktere sind ihren Vorbildern auch in Slineys typischem Stil meist sehr gut nachempfunden, nur so manche Augenbraue wirkt zu stark. Dennoch sind die Lebendigkeit und die Persönlichkeiten der Charaktere durch ihre Mimik immer klasse getroffen. Nur für Poe Dameron und Finn geht die Energie ihrer Schauspieler oft verloren. Durch den gewählten Fokus haben sie natürlich wenig Auftritte und werden zu Statisten degradiert, was aber nicht an den Zeichnungen liegt. Nach der grausigen Arbeit an Obi-Wan Kenobi – ebenfalls von Houser adaptiert – macht aber auch das Kolorierungsstudio Guru-eFX diesmal wieder einen hervorragenden Job.

Fazit

Wer hätte ahnen können, dass die abgesägte Adaption der letzten Episode doch noch erscheint? Wer hätte erst recht ahnen können, dass ausgerechnet einer der unbeliebtesten Star Wars-Filme als Adaption einen derart guten Job im Rahmen der Möglichkeiten macht? Bei den Vorzeichen wohl die wenigsten. Wer einen billigen Cashgrab Marvels befürchtet, der aufgrund des ausgedünnten Outputs nötig wurde, wird heute eines Besseren belehrt. The Rise of Skywalker #1 legt den Grundstein für eine gelungene Comic-Adaption mittelmäßigen Ausgangsmaterials, das viel mehr kann, als endlich zahlreiche Sammlungen zu komplettieren.


Mit The Rise of Skywalker #2 geht es dann am 26. März weiter. Nächste Woche startet mit Jedi Knights #1 die nächste Reihe.

Wir bedanken uns bei Marvel für die Bereitstellung der digitalen Vorab-Exemplare, ohne die unser Marvel-Mittwoch nicht möglich wäre.

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