Rezension: Temptation of the Force von Tessa Gratton lässt die Herzen höher schlagen

Avar Kriss und Elzar Mann auf dem Cover: Temptation of the Force von Tessa Gratton verspricht eine Beziehung zu thematisieren, die Fans der Hohen Republik schon seit Light of the Jedi fasziniert, aber bisher leider wegen der häufigen räumlichen Trennung der beiden Jedi bisher noch kaum Potential zur Entwicklung hatte. Kann der am 11. Juni bei Random House Worlds erschienene Roman, welcher den Startschuss für die zweite Welle von Phase III darstellt, den hohen Erwartungen gerecht werden?

Die galaktische Situation

Avar Kriss hat zwar den Stormwall durchbrochen und die Jedi unternehmen nun in Zusammenarbeit mit Cair San Tekka, der den Widerstand in der Occlusion Zone anführt, wiederholte Flüchtlingsmissionen in das Gebiet der Nihil. Doch das langfristige Ziel von Republik und Jedi, den Stormwall komplett zu zerstören, ist noch lange nicht erreicht. Doch noch bevor dieses eine Problem gelöst ist, zeichnet sich schon eine neue Bedrohung ab, die in ihrem Zerstörungspotential alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt…

All you need is love

Tessa Gratton schreibt im Nachwort zu Temptation of the Force, dass sie in dem Roman das Thema Liebe in all ihren Facetten beleuchten wollte. Dass dieses Leitmotiv sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, ist tatsächlich so klar und deutlich, dass ich mir das auch schon vor dem Lesen des Nachworts notiert hatte. Im Mittelpunkt von all dem stehen natürlich Avar und Elzar, die sich nach langer Verdrängung und Trennung endlich den Emotionen stellen, die schon immer zwischen ihnen geschwelt haben. Die ausführlichen Aussprachen und intensiven Begegnungen zwischen den beiden liebgewonnenen Figuren werden nicht nur die Herzen ihrer Fans höherschlagen lassen, sondern bieten auch Stoff zum Nachdenken. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie die Antwort auf Padmés Frage „Are you allowed to love?“ aus Episode II lautet, wenn sie nicht von einem sich clever die Regeln zurechtbiegenden Teenager beantwortet wird, sondern von zwei Erwachsenen, die ehrlich zu sich selbst und zueinander sind, wird an den Überlegungen von Avar und Elzar seine Freude haben.

Aber auch andere Figuren in Temptation of the Force setzen sich mit dem Thema der Liebe auseinander: Das entfremdete Mutter-Tochter-Duo Avon und Ghirra Starros muss sich der Frage stellen, ob bei all den durch Krieg und Politik verhärteten Fronten noch etwas Liebe zwischen ihnen übriggeblieben ist. Kanzlerin Lina Soh sieht sich gezwungen, die Liebe zu ihrem Sohn gegen die Liebe zur Republik und der Galaxis abzuwägen. Und selbst bei dem neuen Traumpaar aus Defy the Storm, Xylan Graf und Cair San Tekka, kriselt es in der Beziehung. All diese Facetten der Liebe und noch mehr arbeitet Tessa Gratton wunderbar heraus und setzt sie teilweise, v.a. in Elzars Überlegungen, auch in Kontrast zueinander. So nähern wir uns als Leser*innen gemeinsam mit Elzar über den Roman auf spannende Art und Weise immer weiter der Antwort auf die Frage an, wie er denn künftig mit seinen Gefühlen für Avar umgehen soll.

Elzar und das Hochstaplersyndrom

Generell sind die Kapitel aus Elzars Sicht eine große Stärke des Romans. Der unkonventionelle Jedi hat neben dem Thema Liebe nämlich noch weitere Baustellen, die, wie eigentlich immer bei Elzar, sehr nachvollziehbar sind. Noch immer setzt er sich mit seinem Versagen auf Starlight Beacon auseinander, wo er in Wut Chancey Yarrow tötete und damit die Rettung der Station verhinderte. Doch während Elzar sich selbst als nicht gerade vorbildlichen Jedi sieht, wird ihm von einer überraschenden Seite gespiegelt, dass er seinen Job extrem gut macht. Dieser Kontrast zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung setzt bei Elzar natürlich das gute alte Hochstaplersyndrom frei und lässt ihn überdenken, in welcher Form er seine Berufung als Jedi künftig ausleben möchte. Elzar bei all seinen allzu menschlichen Unsicherheiten und Zweifeln zu begleiten, ist für mich persönlich immer ein Highlight, da sein Umgang mit seinen Problemen so erfrischend ehrlich ist.

Burry, Marchion und die dunkle Bedrohung

Eine weitere Perspektive, über die ich mich sehr gefreut habe, ist die des Wookiees Burryaga. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir in den Romanen zuletzt in Light of the Jedi Burry als Point-of-View-Charakter bekommen, und das ist einfach viel zu lange her! In Temptation of the Force fungieren die jungen Jedi-Ritter Burry und Bell nun als diejenigen, die der neuen Bedrohung Schritt für Schritt auf die Spur kommen und dazu passt Burrys stark ausgeprägte Empathie-Fähigkeit wunderbar. Selbst den bösartigsten Monstern und den schrecklichsten Bedrohungen versucht Burry sich stets in der Macht freundlich, offen und verständnisvoll anzunähern, was sich auch wieder in das übergreifende Thema der Liebe einfügt. Dieser einzigartige Blick auf die Galaxis und die Wesen um sich herum macht Burrys Perspektive zu einer sehr wertvollen, die zu unrecht so wenig genutzt wird!

Die neue Bedrohung, die Leser*innen von Defy the Storm schon kennengelernt haben, stellt Tessa Gratton auch in diesem Roman angemessen gruselig dar, sodass einen beim Lesen ein Schaudern durchläuft, wenn man daran denkt, welche Zerstörungskraft noch freigesetzt werden könnte. Die brillant inszenierte Schlussszene treibt dieses Gefühl auf die Spitze und lässt uns mit dem Verlangen zurück, sofort den nächsten Roman zu lesen.

Aber auch Marchion Ro bekommt durch die neue Bedrohung wieder einen Push. Nachdem er in The Eye of Darkness ziemlich desinteressiert an den weiteren Entwicklungen der Nihil schien und dadurch einiges an Bedrohlichkeit eingebüßt hat, wacht er hier wieder aus seiner Lethargie auf. Zwar überlässt er die täglichen Geschäfte, an denen er nach wie vor kein Interesse zeigt, immer noch Ghirra Starros, Boolan und General Viess, aber die neue Bedrohung fasziniert ihn so sehr, dass er all seine Energie in deren Untersuchung steckt. Es ist wirklich interessant, Marchion dabei zuzusehen, wie er versucht, sich die neue Bedrohung zu Nutze zu machen. Dadurch schwappt deren Bedrohlichkeit auch auf Marchion über und er wirkt wieder wie ein ernstzunehmender, gefährlicher Gegner, was in letzter Zeit nicht mehr der Fall war.

Lose Fäden

Mein einziger größerer Kritikpunkt an dem Roman ist, dass die vielen parallel laufenden Handlungen teilweise zu wenig miteinander verbunden sind und auch am Schluss nicht alle zusammenlaufen. Als loser Faden im Handlungsgeflecht sticht vor allem Porter Engle hervor. Nachdem dieser schon in The Eye of Darkness allein durch die Occlusion Zone gewandert ist, verfolgen wir ihn hier wieder solo auf der Jagd nach Viess, die recht wenige Berührungspunkte mit dem Rest der Handlung hat und am Ende noch nicht einmal zu einem befriedigenden Abschluss geführt wird. Am Ende des Romans habe ich mich wirklich gefragt, was das jetzt sollte und wieso man die Kapitel mit Porter nicht einfach weggelassen hat, wenn sein eigentliches Abenteuer ohnehin wohl erst in dem Comic The Broken Blade erzählt werden wird.

Fazit

Insgesamt ist Temptation of the Force ein weiterer sehr lesenswerter The High Republic-Roman, der vor allem mit einer sehr starken Darstellung der Beziehung zwischen Avar und Elzar punktet und die neue Bedrohung angemessen aufbaut. Hier und da hätte ich mir jedoch etwas mehr Zusammenhang zwischen den verschiedenen Handlungssträngen gewünscht. Daher verpasst der Roman ganz knapp die fünf Holocrons und ich vergebe stattdessen nur gute vier.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons
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Ein Kommentar

  1. Einen Roman mit solch einem Cliffhanger finde ich inakzeptabel, vor allem, wenn die Fortsetzung erst in Monaten kommt. Aber sonst ein sehr brauchbarer Roman, in dem die Geschichte rund um die Nameless und die Bleiche endlich mal etwas vorankommt.

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