Die dritte Phase startet in Romanform nun auch in Deutschland und wie üblich mit den Panini-Veröffentlichungen. Während wir in Das Auge der Finsternis von Blanvalet erst im September blicken können, steht mit Trotzt dem Sturm und eben dem hier besprochenen Jugendroman Flucht von Valo im Frühling des Jahres der deutschsprachige Roman-Auftakt der dritten Phase ins Haus.
Wie üblich bei den Jugendromanen, versammelt sich wieder eine jüngere Jedi-Gruppe. Dieses Mal, um von Valo zu fliehen. Doch dass das nicht so einfach ist, nachdem die Nihil ihre Sturmmauer errichtet haben, wird ihnen recht schnell klar und auf dem Grund des Sees schlummert ein noch viel wertvolleres Ziel. Wieso das alles spannend klingt, auf Figurenebene meist überzeugt, aber leider oft zu sehr auf Deus Ex vertraut und inhaltlich zu banal wirkt, soll Gegenstand dieser Rezension sein.
Begrenzter Raum, beschränkte Feinde
Ein großes Problem von Jugendromanen generell ist die Diskrepanz zwischen lockerer und altersgerechter Unterhaltung innerhalb dieses Werkes und dem Beitragen zum eher düsteren Gesamtbild. Denn wenn man bedenkt, wo die Republik und die Nihil gerade machttechnisch stehen, ist die Zeit seichter Unterhaltung eigentlich vorbei. Ein gelungenes Werkzeug ist daher immer die Begrenzung der Handlung, um eine isolierte Atmosphäre aufzubauen, die in sich schlüssig ist. Deshalb funktionierte für mich damals Kampf um Valo nicht wirklich, weil die kindgerechte Story zu sehr mit der ernsten Handlung des Erwachsenenromans verschmolz und daher zwei verschiedene Bilder gezeichnet wurden, die nicht wirklich zusammenpassen wollten. Andere Romane, wie Die Bewährungsprobe oder Mission ins Verderben, haben die Grenzen kindgerechter Erzählung zwar stark ausgereizt, blieben aber mit Weto und Dalna genauso begrenzt, wie der hier besprochene Roman mit Valo. Das ist also der beste Weg, um eine solche Story zu erzählen, ohne das Gesamtbild zu beeinflussen.
Doch wieso muss gerade diese Geschichte begrenzt sein? Flucht von Valo stützt sich wieder sehr stark auf die klassischen Tropes einer eher jugendgerechten Handlung. Sehr junge Protagonist*innen und sehr beschränkte Antagonisten. Der erste Punkt ist kein wirklicher Kritikpunkt, denn dass vor allem Jedi-Figuren auch sehr jung sein können, ist nichts Unglaubwürdiges. Aber die Darstellung der Gegenseite in Form der Nihil braucht unbedingt einen solch begrenzten Raum, denn hätten sie einen Fuß auf Hetzal gesetzt, hätte Marchion die Gruppe rund um Vark Tapalin direkt exekutiert. So passt dieser Antagonist nicht ins Gesamtbild der eher bedrohlicheren Nihil und schart den schon aus Im Zeichen des Sturms bekannten Idrax Snat um sich, der hier noch inkompetenter dargestellt wird als einst im Erwachsenenroman. Einzig ein recht junger Nihil-Forscher, der Boolan unterstellt ist und später im Roman hinzutritt, bringt etwas Kompetenz auf diese Seite. In Anbetracht des Jugendroman-Genres war es wohl einfach wichtig, dass auch der einzig ernstzunehmende Antagonist ein Jugendlicher ist, der den Erwachsenen mal zeigt, wie es gemacht wird. Kommt bei der Zielgruppe wahrscheinlich entsprechend gut an und passt ja auch zu einer gewissen Avon, der diese Hybris manchmal aber auch zum Verhängnis wurde.
Rückbeförderung
Eine der Hauptfiguren auf der Jedi-Seite ist in diesem Roman Ram Jomaram, den wir schon in der ersten Phase in mehreren Werken begleiten durften und der immer eine gewisse Sehnsucht nach Valo hatte. Nachvollziehbar also, dass er in dieser Zeit auch auf dem Planeten ist und versucht, gegen die Nihil vorzugehen. Dabei muss er mit seinen neuen Verantwortungen umzugehen lernen, gerade, wenn das Jedi-Ensemble dann noch um weitere Jünglinge anwächst, die zu ihm aufschauen. Jedoch hat mich ein Detail dabei etwas gestört: Ram wurde ja mit Welle 3 der ersten Phase bereits zum YA-Charakter „befördert“ und war in Mitternachtshorizont ein Begleiter von Reath und Co auf Corellia. Nun lässt man ihn diese Beförderung scheinbar beibehalten, bis eben ein gewisser Meister Kunpar auf den Plan tritt. Denn der ist auch im Tempel auf Valo und steht Ram mit Rat (und eher weniger Tat) zur Seite. Zu sehr will das Autor*innen-Duo ihn dann aber auch wieder nicht benutzen und findet andauernd Auswege, damit er nicht so wirklich an der Handlung teilnehmen muss.
Das sorgt insgesamt für eine Diskordanz in der Rolle Rams. Einerseits ist er eine Mentorenfigur mit Problemen und Verantwortung, andererseits gibt es die Möglichkeit für ihn, selbst seine Sorgen wieder zu entladen. Das ist ja an sich eine gute Sache und jeder sollte eine solche Bezugsperson haben, nimmt aber rein narrativ etwas die Last von den Schultern, die durch seine Erlebnisse auf Corellia breit genug gewesen wären, um allein die Rolle als Bezugsperson in diesen Roman auszufüllen. Die zusätzliche Ebene eines sowieso meist nur passiven Meister Kunpar, der aber dennoch wie eine Deus-Ex-Erlösung über allem schwebt und somit die Verantwortung Rams vermeintlich lindert, hätte es in meinen Augen da nicht gebraucht.
Deus DeExter
Doch bleiben wir bei Deus Ex und dem Problem eines solchen Jugendromans. Schreibt man die Handlung rein spannend und ernst, kann sie zu dramatisch sein. Deshalb nutzte Die Suche nach Planet X einen Ausweg, um nicht zum namensgebenden und schreckenserweckenden Planeten fliegen zu müssen. Die Bewährungsprobe hingegen opferte Bezugspersonen und Vertraute der Hauptfiguren, während auch Mission ins Verderben mit Schuldgefühlen und dem Herauswachsen aus der kindlichen Naivität gekonnt spielte. Older und Wong gehen hier – wie nach Kampf um Valo zu erwarten war – eher wieder den simpleren Weg des Handlungsaufbaus. Der Roman hat drei Teile und jeder davon einen eigenen kleinen Handlungsbogen, während Charakterdarstellungen sich über alle drei kontinuierlich entwickeln. Jeder Teil hat das Gefühl eines Abschlusses und dann wird im Interlude wieder ein neues Thema eingebracht. Das wirkt spätestens beim Übergang vom zweiten zum dritten Teil dann doch arg gewollt und als müsste eine Lösung her, damit die Jedi und Zyle – zu xiem später mehr – nun einen gemeinsamen Grund haben, um zusammen in den dritten Akt zu gehen.
Und auch ansonsten wirft das Team den Figuren auch immer genau das entgegen, was sie gerade brauchen. Da sehnt sich Ram so lange nach einem alten Freund und in einem unerwarteten Moment kommt dieser auch zur Hilfe. Da kommen ganze Armadas an Helfenden, die die für eine Jugendgruppe dann doch zu groß angelegte Mission plötzlich wie eine Sonntagsfahrt aussehen lassen. Diese Momente schmälern leider – mehr noch als die übertrieben inkompetenten Nihil – das Gesamtbild einer glaubwürdigen und ernstzunehmenden Handlung. Trotzdem macht das Gesamtbild der Handlung Laune und hält einem durch die simple Struktur am Ball. Nur eine etwas mehr Mut zur Konsequenz und weniger auf Zufällen gebaute Erzählung wäre dann doch erfreulicher gewesen.
Sieg auf der Figurenebene?
Bleibt natürlich noch die für einen Jugendroman so wichtige Figurenriege, die den Lesenden als Identifikation dienen soll. In dem Roman haben wir da einige, die auch fast alle Fraktionen abdecken. Auf Seiten der Jedi leitet Gavi eine Jünglingsgruppe, die noch aus Kildo und Tep Tep besteht. Die beiden Letzteren sind eher „Mitläufer“-Figuren, wobei sie auch hier und da durch ihre Vergangenheit und Traumata ausgebaut werden. Beide haben klar zugewiesene Stärken und Schwächen und fungieren als Stichwortgeber und Bindeglied der noch wesentlich komplexeren Gruppendynamiken jenseits der Jedi.
Da wäre nämlich zum einen noch Zyle. Xier ist Nachkomme von Saya Keem aus den Adventures-Comics rund um Sav Malagan und das erzählt xier einem auch oft genug. Das schmälert leider etwas das Interesse an der Figur, da xiese komplette Persönlichkeit nur aus der Nachahmung einer Großmutter (was übrigens schwierig ist, da Saya vor 150 Jahren im jugendlichen Alter war und das mehr als zwei Generationen braucht, bis eine weitere so junge Person in der dritten Phase Sinn ergibt) besteht, die in den Comics all diese Großtaten gar nicht vollbracht hat. Das müssen wir Zyle also einfach glauben. Ansonsten geht xier stark in die Piraten-Richtung und sucht Profit, wobei xier natürlich nach und nach die menschliche (zabrakische?) Seite entdeckt und auch für das Gute eintritt. Diese Figur hätte deutlich mehr hergegeben, wenn man sie aus der Vergangenheit entwurzelt und für sich alleine hätte stehen lassen. So bleibt Zyle zu oft nur eine Projektionsfläche vergangener Taten anderer Figuren, wo xiese eigene Persönlichkeit nur selten durchscheint.
Zu guter Letzt komplettiert das Raster aus Jugendfiguren noch das traumatisierte Duo aus Driggit und Gavi. Gavi ist, wie bereits angesprochen, der Sprecher und Anführer der Jedi-Gruppe, während Driggit früher mit ihm befreundet war, dann aber den Nihil beitrat, um ihr Volk vor deren Wut zu schützen, indem sie auf die Entscheidungen Einfluss nimmt. Diese beiden Figuren teilen eine gemeinsame Vergangenheit und das wird auch toll in Rückblenden und Gegenwartsbegegnungen aufgearbeitet. Tatsächlich hat mich die Arbeit des Autor*innen-Duos an diesen beiden Figuren am meisten überzeugt, auch wenn ein gewisser Twist am Ende dann doch für Kopfschütteln sorgen kann. Hingegen funktionieren Gavis Traumata nach der Invasion der Nihil bei der Republikschau und dann erneut nach Ausrufung der Okklusionszone sowie Driggits Versuch, einen guten Einfluss im absolut Bösen zu nehmen und dafür auch Opfer zu bringen, auf ganzer Linie. Sie hätten da sogar teilweise noch tiefer gehen können, was dann aber schon eher etwas für den YA-Sektor gewesen wäre.
Fazit
Ich könnte jetzt noch zu einigen Details wie dem sehr lustigen und auf die falsche Fährte lockenden Prolog oder die eher kindgerechte Darstellung einer gewissen Nihil-Waffe eingehen, aber das würde nicht nur den Rahmen sprengen, sondern auch meinen Argumenten keine weiteren Punkte hinzufügen. Insgesamt ist der Roman ein solides Werk der Hohen Republik, welcher vor allem auf der persönlichen Ebene zweier Figuren funktioniert, aber auch darüber hinaus gute Dialoge hinbekommt. Bei der Handlung bleibt es jedoch zu oft entweder vorhersehbar, unnachvollziehbar unvorhersehbar oder konservativ im Aufbau, sodass man den Roman rein inhaltlich sicherlich auch auslassen kann. Die Einführung einer gewissen Forschung sowie des jungen Nihil Forschers Niv Drendow Apruk könnte zwar für das Gesamtprojekt noch relevanter werden, wäre dann aber auch in der Rekapitulation in den entsprechenden Werken nachvollziehbar. Flucht von Valo tritt damit also das Erbe von Kampf um Valo an, wirft nur bei den Figuren noch etwas mehr Substanz in den Kessel und kann daher mehr überzeugen, kommt aber trotzdem lange nicht an Justina Irelands Jugendroman-Beiträge aus der ersten Phase ran.
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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