Rezension: Star Wars #93: Darth Vader: Der Schatten des Schattens, Teil 5 & Visionen

Diese Party ist vorbei.

Shogun

Bevor im nächsten Heft wieder die bewährte Struktur mit einer ersten Geschichte um einen großen Jedi-Meister gefolgt von einer zweiten Geschichte mit Darth Vader im Mittelpunkt Einzug hält, wird zumindest erstere in #93 durch einen besonderen One-Shot ersetzt. Nach Obi-Wan und vor Yoda liefert uns Panini nämlich Takashi Okazakis Comic zur Animationsserie Visionen, wodurch die überformatige Ausgabe #93 zum allerersten monatlichen Star Wars-Comicheft der aktuellen Nummerierung avanciert, das eine durch und durch unkanonische Geschichte enthält. Story, Zeichnungen und sogar das Cover, welches auch auf der Kiosk- und Comicshop-Ausgabe zu sehen ist, stammen dabei allesamt aus Okazakis Feder. Das düstere Kiosk-Cover von Rahzzah zeigt mit Vader und Sabé die Hauptfiguren der zweiten Geschichte.

In dem (30-seitigen) Comic setzt der Autor und Zeichner Takashi Okazaki seine Story aus der von der Kritik gefeierten Disney+-Anime-Episode Visionen: „Das Duell“ fort! Diebe halten den mysteriösen Ronin auf, ohne zu ahnen, welchen Fehler sie damit begehen … Star Wars-Mythologie trifft auf das feudale Japan – ein absolutes Highlight für Star Wars– und Manga-Fans gleichermaßen! Plus: Die Fortsetzung der aktuellen Storyline um den dunklen Sith-Lord Darth Vader!

Die Eröffnungsepisode „Das Duell“ der Anime-Serie scheint es den Kreativen bei Lucasfilm angetan zu haben, dient sie doch häufiger als Basis für weiterführende Literatur. Mit Ronin: Ein Visionen-Roman erschien in diesem Jahr sogar ein kompletter Erwachsenenroman, der das Setting des feudalen Japan und den einsamen Sith-Krieger auf die weit, weit entfernte Galaxis anwendet und über die Folge hinaus erforscht. Doch ein Roman kann natürlich nur die erzählerischen und dramaturgischen Besonderheiten der Episode vom Studio Kamikaze Douga aufgreifen und vertiefen, nicht aber die ebenso einzigartigen visuellen Aspekte. Genau hier dockt Takashi Okazaki mit seinem Comicheft an und bringt den typischen Schwarz/Weiß-Look des Anime-Kurzfilms zurück, mit dem „Das Duell“ seine Hommage an Akira Kurozawas Filme, die George Lucas nachweislich geprägt haben, auch optisch transportiert hat.

Mit den vielen Adaptionen und ergänzenden Geschichten über verschiedene Medien hinaus hätte natürlich die Chance auf der Hand gelegen, ein eigenes kleines, in sich geschlossenes „Ronin-Universum“ zu gestalten und verschiedene Elemente auch in den anderen Werken wiederzuerkennen. Der Comic beweist allerdings, dass das nicht der Fall bei der Gestaltung des Comics war. Zwar erzählt er eine kleine, nicht unmittelbare Vorgeschichte zum Kurzfilm und könnte so dem Roman, der „Das Duell“ adaptiert und im Anschluss in eine größere Geschichte gipfelnd fortsetzt, leicht aus dem Weg gehen. Leider präsentiert Okazaki uns aber mehr seine eigene Interpretation der Welt und Geschichte des Ronins, die dem Roman zwar nicht direkt widerspricht, aber teils stark davon abweicht. Das schmälert den Comic zwar für all jene nicht, die lediglich die Folge kennen, Komplettiert*innen des Visionen-Begleitmaterials könnten aber ebenso wie ich irritiert werden. Es hat jedenfalls den Anschein, dass jene weiterführende Literatur ebenso die Folge unterschiedlich auffasst und kreativ vollkommen frei eigene Geschichten erzählen möchte, wie die Serie selbst uns schon von Folge zu Folge unterschiedlichste Star Wars-Versionen präsentierte.

Die Handlung des Comics selbst passt jedenfalls wunderbar zum künstlerischen Ansatz der Folge und bringt im Zuge dessen viele typische Elemente der Ära Akira Kurosawa und des japanischen Kinos der 50er und 60er Jahre ein. Über kleine eingebaute kulturelle Bezüge auf Japan kann man sich ebenso freuen, wie über die neuen Versionen und Einbettung bekannter Star Wars-Designs wie Ewoks und den Schlachten der Klonkriege. Visuell kann Okazaki sich hier jedenfalls absolut austoben und schafft selbst in der Anordnung der Panels, das Schnitttempo der Folge auf das Medium Comic zu übertragen. Das Highlight bildet dabei neben der verschneiten Berglandschaft der Haupthandlung eine Collage der bisher vom Ronin gejagten und besiegten Sith, an deren Designs man sich erst einmal lange sattsehen kann. Mit der im Comic präsentierten „Variante“ einer ganz bestimmten Figur aus dem bekannten Star Wars-Universum, die durch ihren Filmtod, dem Aussehen ihrer Waffe und sogar durch ein eigenes Zitat referenziert wird, überrascht Okazaki kurz vor Schluss sogar, wenn man offen dafür ist, diese Figur, oder zumindest ihre Einflüsse, als eine Visionen-Version anzuerkennen. Dass der Autor und Zeichner hier sogar beabsichtigt leichten Meta-Humor über ein von manchen Fans im Internet immer wieder gefordertes Comeback dieser Figur eingestreut hat, kann man jedenfalls gerne spekulieren.

Insgesamt ist es aber nicht so, dass der extra lange Comic unbedingt eine gänzlich neue Perspektive auf die Folge und ihre Welt wirft. Vielmehr liefert er uns mehr vom bereits Bekannten und sorgt öfters für ein vertrautes Gefühl, als würde man in einen weiteren, bisher unveröffentlichten Teil der Folge eintauchen. Für wen sie zu den Highlights der ersten Anime-Staffel zählt, der sollte auch mit einem Blick in Star Wars #93 nichts falsch machen, vor allem weil über das Heft hinaus bisher keine weitere Veröffentlichung der Geschichte in einem Sammelband oder als Neuauflage geplant ist.

Im Anschluss an den Ausflug nach Fernosten geht es beim Heftinhalt mit Vader, Sabé und ihrem Kampf gegen die abtrünnige Gouverneurin Tauntaza in Das Herz der Königin weiter. Die in der letzten Ausgabe noch dominierenden Flashbacks wurden diesmal stark reduziert, wodurch aber auch wieder die großen Schwächen von Autor Greg Pak beim Schreiben von guten Dialogen zum Vorschein kommt. Insbesondere bei offensichtlich auf lustig gedachten Figuren wie Ochi und dem Droiden ZED-6-7 wird immer wieder deutlich, dass die Reihe weder gut durchdachte Charaktere oder Handlungsbögen hat und munter vor sich hin plätschert, während sie auch in dieser Ausgabe die Actioncheckliste der Vader-Comics abhakt. Plötzlich auftauchende und ebenso schnell erledigte Monster? Check. Alleiniger Kampf gegen die Superwaffe? Check. Endgegner mit unnötigem Mech-Anzug? Check. Immerhin darf Zeichner Raffaele Ienco in einer Szene, in der der dunkle Lord ein ähnliches Manöver durchführt, wie sein Sohn Luke mit R2 später auf Jabbas Segelbarke, mal wieder beweisen, dass er das Potenzial hat, Vader hin und wieder episch darzustellen. Mir fällt nach der Ausgabe jedenfalls auf, dass ich in dieser Reihe doch lieber zum Großteil die souverän dargestellten und direkt übernommenen Flashbacks sehe, als Paks aktuelle, viel zu sehr Comic-Stereotypen bedienende Haupthandlung. Mit meinen Kritikpunkten an Visionen und den meine Erwartungen von Enttäuschung erfüllenden Vader-Part komme ich für dieses Heft insgesamt auf eine unterdurchschnittliche Wertung, zur Orientierung als Kauf- und Leseempfehlung für euch, sollte aber mehr der vorletzte Absatz dienen, als die Holocron-Wertung.

Der Rezensent vergibt 2 von 5 Holocrons!
Bewertung: 2 von 5 Holocrons

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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