Nach dem Erwachsenenroman Cataclysm von Lydia Kang und dem Jugendroman Quest for Planet X von Tessa Gratton blieben noch einige Fragen zu Phase II von The High Republic offen. Morgen erscheint nun dem Young-Adult-Roman Path of Vengeance der Abschluss des 150 Jahre vor der Großen Hyperraumkatastrophe spielenden Handlungsstrangs. Kann Cavan Scott in dem sage und schreibe 517 Seiten dicken Werk die gesamte Phase zu einem befriedigenden Ende bringen?
Diese Rezension ist nur teilweise spoilerfrei! Ich werde keine Charakterschicksale oder Wendungen vorwegnehmen, aber auf den groben Handlungsverlauf eingehen. Lest also auf eigene Gefahr weiter!
Zum Inhalt
Der Roman ist in drei Teile aufgeteilt: „The Battle of Jedha“, „The Battle for the Path“ und „The Battle of Dalna“. Mit Yana und Marda Ro sowie Matthea „Matty“ Cathley bekommen wir drei Protagonistinnen und Point-of-View-Figuren im besten YA-Alter, die verschiedene Perspektiven auf die Handlung abdecken. Marda geht voll in ihrer Rolle als „Guide“ des Path auf, während Yana die Entwicklung des Kults eher skeptisch von außen betrachtet und Matty auf Seiten der Jedi den Path bekämpft. In „The Battle of Jedha“ erleben wir die Schlacht aus der Sicht unserer drei Protagonistinnen. Yana befreit den Herold und entwendet im Auftrag der Mutter den Rod of Daybreak aus dem Tempel des Kyber. Marda lernt derweil im Schlachtengetümmel den jungen Bokana kennen, einen Path-Anhänger, der romantisches Interesse an ihr zeigt. Derweil begleitet Matty die verschlossene Jedi-Ritterin Oliviah Zeveron, die auf Dalna einer vagen Ahnung nachgehen will, an der sie Matty aber nicht teilhaben lassen will. In „The Battle for the Path“ ermitteln die beiden Jedi auf Dalna, während Yana dort ihre Cousine Marda finden und mit ihr sprechen möchte. Diese ist aber zusammen mit Bokana, Sunshine Dobbs und weiteren Path-Mitgliedern auf einer Mission nach Planet X, um mehr Leveler-Eier für die Mutter zu besorgen. Im letzten Teil, „The Battle of Dalna“ kulminiert schließlich alles in der großen Schlacht, bei der die Glaubensvorstellungen oder Loyalitäten aller drei Protagonistinnen auf eine harte Probe gestellt werden…
Alle Fäden zusammengeführt
Wie ihr schon an meiner umständlichen Inhaltszusammenfassung merkt, hat Cavan Scott hier ein umfangreiches und ehrgeiziges Werk geschrieben, das alle Fäden der Phase II zusammenführt und multiple Perspektiven, Orte und Handlungsstränge abdeckt. Damit das alles klappt, müssen wir in Kauf nehmen, dass in Teil I einiges an „Was bisher geschah“ stattfindet. So denkt Marda zurück an ihre Vorgeschichte mit Kevmo Zink aus Path of Deceit, wir erleben nochmals einige Szenen aus dem Hörspiel The Battle of Jedha und die Handlung der The High Republic-Comicreihe wird ebenfalls in Teilen rekapituliert. Letzteres nimmt den Comic teilweise sogar vorweg und spoilert ihn, da uns zum jetzigen Zeitpunkt ja noch die zwei letzten Hefte fehlen. Wer streng chronologisch lesen bzw. spoilerfrei bleiben will, sollte mit Path of Vengeance daher vielleicht besser erst anfangen, wenn am 24. Mai der letzte Teil der Heftreihe erschienen ist. Nachdem wir die ganzen Inhaltszusammenfassungen hinter uns gelassen haben und alle Fäden zusammengeführt sind, bekommen wir in Path of Vengeance dann aber endlich das ganze Bild und Antworten auf unsere Fragen: Wer ist eigentlich die Mutter und was will sie? Wie konnte sich der Path so radikalisieren? Was hat es mit Planet X auf sich? Während Cataclysm sich vor allem im letzten Teil, der ebenfalls die Schlacht um Dalna erzählt, sehr zurückhielt und nach dem Lesen ein Gefühl hinterließ, dass einem nicht alles erzählt wurde, funktioniert Path of Vengeance komplett als eigenständiges Werk und hinterlässt nicht den Eindruck, es würde nur eine halbe Geschichte erzählen.
Die Radikalisierung des Path
Besonders auffällig ist dies, wenn man sich die Entwicklung des Paths of the Open Hand ansieht. Während ich in Cataclysm ziemlich ratlos dasaß und mir nicht erklären konnte, warum der friedliche Kult aus Path of Deceit jetzt auf einmal auf Konfrontation gebürstet ist und sich „Path of the Closed Fist“ nennt, bekommen wir dies hier aus der internen Perspektive ausführlich gezeigt und die Radikalisierung wird damit verständlicher. Dabei gefällt es mir sehr, wie Cavan Scott manipulative Taktiken aus der realen Welt auf den Path überträgt. So behauptet die Mutter beispielsweise, überall in der Galaxis würden aufgrund der Machtnutzung der Jedi schweres Leid und Katastrophen geschehen und die republikanisch bestimmten Holonet-Medien würden nur nicht darüber berichten (Stichwort „Lügenpresse“). Es zeigt sich auch wunderbar, wie opportunistisch nur an Macht interessierte Personen wie die Mutter oder der Herold sind. Loyalitäten und moralische Bedenken werden mal schnell über Bord geworfen, wenn es der eigene Vorteil erfordert. Positiv finde ich aber auch, dass wir auch Path-Mitglieder gezeigt bekommen, die bei der Neuausrichtung der Gruppe nicht mitziehen wollen und ihre eigenen moralischen Vorstellungen haben. Was mir an der Schlacht von Dalna und allerdings immer noch nicht klar geworden ist, ist die Frage, wie sich aus der sogenannten „Night of Sorrow“ auf Dalna ein schlechtes Image für die Jedi ergeben konnte, wie wir es in Phase I erleben. Hier ist meiner Meinung nach immer noch ein Logikloch, das erklärt werden müsste.
Endlich auf nach Planet X!
Eine Reise nach Planet X stand ebenfalls ganz oben auf meiner Wunschliste für Phase II von The High Republic, denn ich wollte endlich mehr über die Leveler und ihre Herkunft erfahren. Grusel-Spezialist Cavan Scott, der ja Stamm-Autor für Halloween-Comics wie Tales from Vader’s Castle ist, geht hierin natürlich ganz auf. Nicht nur der Flug durch den mystischen „Veil“ (Schleier) und die seltsamen Wesen und Vegetation, die wir auf dem Planeten antreffen, tragen zum einem schauderhaften Gefühl beim Lesen bei. Auch das Verhalten einiger Figuren ist angemessen beunruhigend und erschreckend. Die beklemmende Atmosphäre, in der die Figuren genau merken, dass sie von diesem Ort emotional auf bestimmte Art und Weise manipuliert werden, sich dessen aber nicht erwehren können, ist sicher eines der Highlights des Romans. Großartige neue Erkenntnisse zu den Levelern gewinnen wir bei dieser gruseligen Exkursion aber leider nicht, was ich etwas schade fand. Ich hoffe, dass dies dann noch in Phase III thematisiert wird.
Glaubhafte Charaktere
Eine der größten Stärken von Path of Vengeance ist sicher auch seine Charakterarbeit. Alle drei Protagonistinnen befinden sich in spannenden Konflikten, allen voran Marda, die eigentlich die Hauptfigur von Phase II ist, mit der alles steht und fällt. Sie muss sich hier nicht nur damit auseinandersetzen, ob sie so kurz nach dem Tod von Kevmo schon bereit für eine neue Liebe ist, sondern ist durch Bokana und die Erlebnisse auf Planet X und Dalna auch erstmals ernsthaft gezwungen, ihre Glaubenssätze zu hinterfragen. Zu guter Letzt schafft sie es auch, sich endlich vom Einfluss der Mutter zu emanzipieren und ihren eigenen Weg zu gehen, erwachsen zu werden und selbst Verantwortung zu übernehmen. Ihre persönliche Reise, bei der sie auch kämpferischer wird und ihr Evereni-Erbe annimmt, spiegelt sich auch im gesamten Path wider, in welchem Marda eine immer prominentere Rolle einnimmt. Aber auch Yana möchte sich nach dem Tod ihrer Freundin Kor nicht länger von der Mutter oder vom Herold manipulieren lassen und sucht nach ihrem eigenen Weg, ebenso wie Matty, die für eine Padawan-Schülerin ganz schön weit den Mund aufreißt, da sie es nicht länger hinnehmen möchte, über wichtige Informationen im Dunkeln gelassen zu werden. Außerdem muss sie mit ihrer Trauer um ihre Meisterin fertig werden und ebenfalls mit einer ersten Verliebtheit klarkommen. Alle drei Hauptfiguren handeln durchweg glaubhaft und in sich konsistent, sodass man ihre Konflikte und Entscheidungen stets nachempfinden kann, selbst wenn sie sich in problematische Richtungen entwickeln.
Fazit
Path of Vengeance bringt Phase II zu einem fulminanten Abschluss, der die meisten Fragen beantwortet und darüber hinaus wunderbare Charakterarbeit, eine spannende Erzählung der Radikalisierung des Paths sowie eine ordentliche Portion Grusel-Action auf Planet X bietet. Durch seine komplexe Struktur, seine Multiperspektivität und seinen Umfang wirkt der Roman fast schon eher wie ein Erwachsenenroman als ein YA-Roman. Für ein durchweg spannendes Leseerlebnis vergebe ich daher die vollen fünf Holocrons.
Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, dessen zweite Phase 380 Jahre vor Episode IV spielt und einen neuen Einstiegspunkt bietet. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I und Phase II.