Rezension: Stories of Jedi and Sith

Gestern erschien bei Disney-Lucasfilm Press die Kurzgeschichtensammlung Stories of Jedi and Sith, in der zehn verschiedenen Autor*innen verschiedene Jedi- und Sith-Charaktere aus den unterschiedlichsten Ären ins Visier nehmen. Das Buch, welches zu jeder Geschichte eine Illustration von Jake Bartok enthält, richtet sich eher in erster Linie an ein jugendliches Publikum.

Als großer Fan der Jedi war ich natürlich sofort begeistert von der Idee einer Geschichtensammlung über Machtnutzer. Ob das Buch meine hohen Hoffnungen auch erfüllen konnte, erfahrt ihr im Folgenden. Ich werde ich zunächst auf jede der Geschichten einzeln eingehen. Diese sind im Buch chronologisch angeordnet, beginnend mit der Hohen Republik und endend mit dem Zeitalter des Widerstands.

„What a Jedi Makes“ von Michael Kogge

Gleich zu Beginn findet sich eine meiner Lieblingsgeschichten aus dem Werk. Es geht um einen Jungen von den unteren Ebenen Coruscants, der unbedingt ein Jedi werden will und daher immer wieder versucht, in die Nähe des Tempels zu gelangen und Kontakt zu Jedi aufzunehmen. Dabei begegnet er auch Yoda höchstpersönlich. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbilds, das ihn recht eindeutig den unteren Ebenen zuordnet, gerät er jedoch recht schnell in Schwierigkeiten mit der Polizei. Außerdem findet er sich auch inmitten eines Komplotts einer Verbrecherbande wieder. Kann er es trotzdem noch schaffen, noch ein Jedi zu werden? Michael Kogge erzählt eine wunderbare Geschichte über Vorurteile, Chancengerechtigkeit, Toleranz und Diversität, die sich perfekt in die Ära der Hohen Republik einfügt und nicht mit Anspielungen auf Avar Kriss, Elzar Mann, Lina Soh und Co. spart. Sogar der Ausruf „Wizard!“ hat es in die Geschichte geschafft.

„Resolve“ von Alex Segura

Qui-Gon Jinn, der immer noch mit Weggang seines ehemaligen Meisters Dooku zu kämpfen hat, befindet sich hier auf einer Befreiungsmission für eine Padawan-Schülerin, die auf einem Planeten festgehalten wird, auf dem Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Fraktionen herrscht. Interessant ist, dass in dieser Geschichte erneut (wie auch in The High Republic) das spannende Thema einer Padawan aufgegriffen wird, die sich nicht sicher ist, ob sie weiter im Orden bleiben will. Den Konflikt auf dem Planeten empfand ich allerdings als zu wenig ausgearbeitet und daher schwer nachvollziehbar und Qui-Gon selbst oft als zu empathielos und undiplomatisch gegenüber den auftretenden Einheimischen. Für mich eine der schwächeren Geschichten. Immerhin präsentiert Segura uns hier wohl (nach Zorii Bliss‘ Mutter Zeva in Poe Dameron: Free Fall) nun auch noch ihre Großmutter Zarah, die auch schon Spice transportierte. Liegt wohl in der Familie!

„The Eye of the Beholder“ von Sarwat Chadda

Diese Geschichte nimmt uns mit auf die von den Klonkriegen gebeutelte Welt Devalok, auf der der sechsjährige Dumuz und seine ältere Schwester Zorah verzweifelt und mit nur wenig Nahrungs- und Wasservorräten auf die Rückkehr ihrer Eltern warten. Anakin und Obi-Wan retten die beiden vor einem Droidenangriff. Doch sind auch ihre Eltern noch am Leben? Und was bringt die Zukunft für diese Kinder, die ihre Heimat verloren haben und nun auf der Flucht sind? – Sarwat Chadda fängt die Schrecken des Krieges für die Zivilbevölkerung gut ein und liefert einen interessanten Blickwinkel auf die Jedi zwischen Heldenverehrung und Zweifel.

„A Jedi’s Duty“ von Karen Strong

Hier begegnen wir Barriss Offee, die den Auftrag bekommt, ihre Meisterin Luminara Unduli zurück nach Geonosis zu begleiten, wo eine kriegswichtige Waffenfabrik der Separatisten eingenommen werden soll. Allerdings ist sie noch traumatisiert von der Schlacht von Geonosis und hadert mit der neuen Rolle der Jedi als Kämpfer. – Diese Geschichte, die uns einen tiefen Einblick in die Psyche der Padawan-Schülerin liefert, hat mich ein wenig an Brotherhood erinnert, wo eine Schülerin ebenfalls die kriegerische Seite der Jedi stark hinterfragt und daran nicht teilnehmen möchte. Besonders Fans von The Clone Wars werden an „A Jedi’s Duty“ sicher große Freude haben.

„Worthless“ von Delilah S. Dawson

Asajj Ventress ist in dieser Geschichte in Dookus Auftrag auf der Suche nach Reliquien der dunklen Seite, als sie in einen Abgrund fällt und sich eine Gehirnerschütterung und einen Beinbruch zuzieht. Ihre einzige Chance, lebend wieder rauszukommen, ist die Zusammenarbeit mit dem Klonsoldaten Doc, der ebenfalls in diesen Abgrund gefallen ist. Dabei müssen die beiden Fallen überwinden, die eine uralte, machtsensitive Spezies installiert hat, und nebenbei mit ihren Differenzen klarkommen. Hier wurden bei mir einige Erinnerungen an meine Lieblingsepisode von Rebels, „The Honorable Ones“, wach, die von einer ähnlichen Situation erzählt. Deliah S. Dawson gelingt es mit dem Kniff der schweren Verletzungen, Ventress soweit glaubhaft außer Gefecht zu setzen, dass sie die Hilfe des Klons braucht. Dabei werden auch interessante Fragen wie die der Freiheit oder Unfreiheit der Klone angesprochen.

„The Ghosts of Maul“ von Michael Moreci

Für Geschichten über Darth Maul habe ich eigentlich extrem niedrige Erwartungen, denn sie verlaufen zu oft nach dem Motto: „Die Wut durchströmte Maul und er metzelte sich durch 83 Gegner. Ende.“ Insofern war ich positiv überrascht, dass Maul sich hier eine Herausforderung des Geistes stellen muss. In einem alten Sith-Schloss sucht er nach Wissen, um Rache an Kenobi und Palpatine zu nehmen. Doch es warten Geister seiner Vergangenheit in Form von Savage Opress, General Grievous und Qui-Gon Jinn auf ihn, die ihn mit seinem unverarbeiteten Schmerz und Verlust konfrontieren. Wir sehen hier eine andere Seite Darth Mauls, der hier einmal nicht mit seinen Lichtschwertkünsten weiterkommt.

„Blood Mood Uprising“ von Vera Strange

Diese Geschichte widmet sich Darth Vader, welcher bei der Inspektion einer imperialen Raffinerie Sabotage entdeckt. Bei seinen Nachforschungen entdeckt er eine junge Wookiee-Rebellin, die versucht, einen Staudamm in die Luft zu sprengen. Es kommt zur Konfrontation. Vera Strange konnte mich mit ihrem Beitrag leider nicht wirklich überzeugen. Wieder einmal stellt sich Vader hier viel zu unfähig gegenüber einer klar unterlegenen Gegnerin an. Die Autorin scheint sich auch noch nicht ganz heimisch in Star Wars zu fühlen, denn ihr Vader spricht viel zu häufig in Zitaten aus der klassischen Trilogie, als dass es noch natürlich wirken würde. Und Katharina (auch wenn man den Namen als „Kataarynnna“ schreibt) ist nun auch nicht der beste Wookiee-Name aller Zeiten. Auch dass der Kampf um einen Detonator zwischen Vader und dem Wookiee-Mädchen (das nicht mal als machtbegabt beschrieben wird) nun so episch sein soll, dass sich durch diese Machtnutzung der Boden zwischen ihnen spaltet, halte ich für etwas zweifelhaft im Vergleich zu dem, was man sonst von Star Wars kennt. Insgesamt für mich die schwächste Geschichte.

„Luke on the Bright Side“ von Sam Maggs

Hinter diesem sagenhaften Wortspiel versteckt sich eine Geschichte rund um Luke Skywalker, der mit seinen Machtfähigkeiten beim Tunnelbau auf Hoth helfen soll. Dabei wird er von dem Rebellen-Sergeant Reyé Hollis begleitet, der den Jedi eher skeptisch gegenübersteht und dem Heldenkult um Luke nichts abgewinnen kann. Doch als ein Tunnel einstürzt, muss er sich wohl oder übel auf Lukes Fähigkeiten verlassen. Die Geschichte zeigt schön, dass Luke zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht sehr geübt mit der Macht ist. Auch das Thema, dass Lukes kometenhafter Aufstieg in der Rebellion für Unmut sorgen kann, wird hier schön verarbeitet. Etwas seltsam fand ich an der Geschichte jedoch, dass Luke auf einmal wissend über die Tierwelt von Hoth referiert und sich Gedanken darüber macht, dass Reyés Haare bestimmt gut riechen. Hier scheint Luke Exposition in den Mund gelegt worden zu sein, die besser ein auktorialer Erzähler oder ein anderer Charakter vorgetragen hätte. Eher ungewöhnlich ist auch, dass uns mit Reyé ein Mann von Naboo vorgestellt wird, der ebenfalls einen dieser typischen Namen auf -é trägt, den sonst eher Frauen tragen.

„Masters“ von Tessa Gratton

Tessa Gratton wagt sich mit „Masters“ an die Figuren Imperator Palpatine und Meister Yoda. Palpatine denkt auf dem zweiten Todesstern über seinen anstehenden Triumph nach und darüber, wie er damals im Senat gegen Yoda gekämpft hat. Gerne würde er den Jedi-Meister noch komplett erledigen. Derweil stirbt Yoda auf Dagobah und stattet dem Sith-Lord als Geist einen Besuch ab. Die Idee dieser Geschichte ist auf jeden Fall sehr kreativ und die Autorin setzt Sidious‘ und Yodas Perspektive mit entsprechend kraftvoller Prosa um – was mich sehr zuversichtlich stimmt für ihr The High Republic-Debüt Path of Deceit im Herbst. Leider verschwendet die Geschichte aber zu viele Seiten für Wiederholungen des Kampfes aus Episode III und Yodas Todesszene aus Episode VI. Zwar werden diese mit interessanten Gedanken aus Sicht der Protagonisten angereichert, aber ich hätte mir doch lieber mehr neuen Inhalt gewünscht, statt so langen Filmnacherzählungen.

„Through the Turbulence“ von Roseanne A. Brown

Rey und Poe sind nach der Schlacht von Crait unterwegs, um Essen und Materialien für den Widerstand zu besorgen und streiten sich dabei ständig darum, wer besser Bescheid weiß. Doch als plötzlich BB-8 entführt wird und ihnen aufgrund von aufziehendem giftigem Nebel nur wenige Stunden auf dem Planeten bleiben, müssen die beiden sich zusammenraufen. Dabei hilft Poe Rey dabei, eine Blockade zu überwinden, die sie daran hindert, die Macht zu nutzen. Da ich kein großer Sequel-Fan bin, hatte ich mir von dieser Geschichte nur wenig erhofft und war am Anfang auch recht genervt von ihr, da sie Rey wieder mal als Alles-Besserwisserin und Poe als komplett unfähig darzustellen schien. Doch dann wandelte sich mein Eindruck: Erstmals seit Jahren las ich eine Geschichte, in der Rey als plastische Figur mit Gedanken und Problemen (Machtblockade, Zweifel an ihrem Platz und Nutzen im Widerstand) dargestellt wird, mit denen man sich als Leser*in tatsächlich identifizieren kann. Besonders schön fand ich dann auch, dass auch es am Ende Poe ist, der ihr hilft, indem er ihr quasi eine Machtmetapher ans Herz legt, die aus der High Republic stammen könnte: Sie soll sich ihre Blockade als Turbulenz, in sie sie mit ihrem Schiff geraten ist, vorstellen und daraus hinausfliegen. Ein gelungener Abschluss!

Gesamtfazit

Insgesamt sind die Geschichten durchgehend unterhaltsam und es macht großen Spaß, das Buch zu lesen. Es gibt zwar Geschichten, die mir besser oder schlechter gefallen haben, aber ein Totalausfall ist hier nicht dabei. Das Format der Kurzgeschichten bietet sich gerade für jüngere Leser*innen an. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Kind vielleicht jeden Tag vor dem Schlafengehen eine der Geschichten liest. Aber auch für Erwachsene ist das Buch eine kurzweilige Lektüre mit viel Abwechslung, wenngleich man auch ehrlich sagen muss, dass es kein „Must-read“ ist. Keine der Geschichten erzählt etwas für den Kanon so Relevantes, dass man sie unbedingt gelesen haben müsste. Auch Jake Bartoks schöne Zeichnungen, die zu Beginn einer jeden Geschichte die Hauptfigur portraitieren, tragen zum Lesegenuss bei – obwohl ich zugeben muss, dass mir seine im Stil etwas eigensinnigeren Werke auf Twitter noch besser gefallen als die recht erwartbar aussehenden Zeichnungen in diesem Buch. Insgesamt vergebe ich für eine gut gelungene Kurzgeschichtensammlung vier von fünf Holocrons.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

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