Vader-Comics kann man nie genug veröffentlichen! Das scheint seit Jahren das Credo der Comic-Verlage zu sein. Darth Vader zieht anscheinend immer genügend Leser an. Und so verwundert es nicht, dass bei Panini am 19. November mit Vader: Dunkle Visionen ein weiterer Sonderband erschienen ist, der sich um den dunklen Lord der Sith dreht.
Bei dem Comic-Band, der von Dennis „Hopeless“ Hallum geschrieben wurde, präsentiert uns nicht eine den ganzen Band umspannende Geschichte, sondern fünf Episoden. Diese wurden jeweils von verschiedenen Illustrationsteams gestaltet. Inhaltlich zusammengehalten werden sie dadurch, dass sie alle Geschichten von „Normalbürgern“ erzählen, deren Weg sich kurz mit Darth Vaders kreuzt und deren Leben sich dadurch entscheidend verändert (bzw. bei manchen auch endet).
Da die Geschichten sehr unterschiedlich sind, werde ich sie zunächst einzeln bewerten und anschließend zu einem Gesamtfazit kommen. In der deutschen Ausgabe, die ich rezensiere, haben die einzelnen Geschichten leider keine Titel. Daher werde ich, sofern vorhanden, die Titel der US-Hefte verwenden.
Den Sonderband könnt ihr, wie immer als Softcover, u.a. bei Amazon, kaufen. Alternativ steht das auf 333 Exemplare limitierte Hardcover zur Auswahl, welches ihr im Comic-Fachhandel oder direkt bei Panini bekommt. Beide Cover, die ihr unten seht, gestaltetet Greg Smallwood.
Dark Visions #1
Die erste Episode, die auch im Original keinen Titel hat, wurde von Arif Prianto gezeichnet und von Paolo Villanelli koloriert. Es geht um einen Einwohner einer nicht technisierten Welt, dessen Stamm regelmäßig von einem Monster terrorisiert wird. Darth Vader landet zufällig auf diesem Planeten und liefert sich mit dem Monster eine epische Schlacht, bei dem der namenlose Protagonist bewundernd zusieht und hofft, dass die schwarze, gottartige Gestalt sein Volk von der Bedrohung durch das Monster erlösen kann.
Ich persönlich bin in diesen Comic nur sehr schwer reingekommen. Er versucht auf den wenigen Seiten, die er hat, ein ganzes Volk und seine Kultur vorzustellen, was mehr schlecht als recht gelingt. Dass die Hauptfigur keinen Namen hat und noch nicht einmal als männlich oder weiblich zu erkennen ist, trägt auch nicht gerade zur Identifikation mit dieser Figur bei. Die Zeichnungen sind, v.a. was Gesichtsausdrücke des Protagonisten angeht, auch sehr detailarm, was mir nicht gefällt. Wer meine Rezensionen kennt, weiß auch, dass ich kein Fan von sinnloser Monster-Action bin. Insofern finde ich auch diese Story-Idee nicht gerade besonders kreativ. Dazu sind die Zeichnungen in ihrer Darstellung von Vader als übermenschlichem Helden auch sehr übertrieben, wohl um die Perspektive des bewundernden Protagonisten einzufangen. Mir ist das alles ein wenig zu dick aufgetragen und zu viel Vader-Coolness in zu kurzer Zeit. Die Geschichte von Vader als gottgleichem Retter eines einfachen Volkes gab es außerdem dieses Jahr schon einmal in Myths & Fables, dort aber meiner Meinung nach wesentlich besser umgesetzt.
„Unacceptable“
Die zweite Episode des Bandes stellt den imperialen Commander Tylux in den Mittelpunkt. Dieser hat in der Vergangenheit mit eigenen Augen gesehen, wie Vader eine ganze Gruppe von Offizieren getötet hat. Nun, da eine Mission unter seinem Kommando zu scheitern droht, hat er panische Angst, dass Vader ihn auf die gleiche Art und Weise strafen wird, und setzt alles daran, den Rebellenspion, der ihm entkommen ist, doch noch zu fangen.
Die Prämisse dieses Comics, dass ein Offizier Angst vor Vader hat, ist natürlich etwas ausgelutscht. Dennoch ist die Figur des Commanders interessant, da er dazu neigt, sich quasi vorauseilend selbst zu bestrafen, indem er immer hirnrissigere und verzweifeltere Manöver befielt, um den Rebellenspion doch noch zu kriegen. Die Verfolgungsjagd im All enthält auch einige ziemlich kreative Ideen, die ich so noch nie gesehen habe und die mich sehr gut unterhalten haben. Die Zeichnungen von Jordan Boyd und Kolorationen von Brian Level sind besser gelungen als die im ersten Comic. Allerdings ist mir die Angst des Commanders in vielen Panels viel zu übertrieben dargestellt. Ich denke doch, man kann auch eine panische Person zeichnen, ohne dass diese direkt aussieht wie die vor der Bundeslade zerschmelzenden Nazis in Indiana Jones.
„Tall, Dark and Handsome“
In der goldenen Mitte des Bandes befindet sich der meiner Meinung nach beste Comic dieser Sammlung. Hier treffen wir auf eine imperiale Krankenpflegerin, die krankhaft in Darth Vader verliebt ist, welcher regelmäßig auf ihrer Station behandelt wird. Sie bewundert ihn aber nicht nur im Stillen, sondern stalkt ihn regelrecht und sammelt auch blutbefleckte Splitter und ähnliche Dinge, die nach den Behandlungen an Vader im OP übrig bleiben.
Die Protagonistin wirkt extrem verrückt an mit ihrer Fetisch-haft anmutenden „Liebe“ zu Vader und ihren seltsamen, Fangirl-artigen Fantasien von einer Zukunft mit dem dunklen Lord. Aber gerade das macht den Comic ja so interessant. Eine Figur wie diese Krankenpflegerin haben wir bisher noch nie gesehen. Sie bringt frischen Wind in die Ansammlungen von schon oft dagewesenen Vader-Motiven. Besonders gut gefallen mir hier auch die Zeichnungen von David Lopez und Javi Pina die Koloration von Muntsa Vicente. Immer, wenn die Protagonistin sich ihre wundervolle Zukunft mit Vader vorstellt, sehen die Bilder aus wie Cover von schmalzigen Groschenheften. Die Farben sind weniger grell und die Bilder wirken weichgezeichnet, was sehr gut die Naivität dieser Vorstellungen betont. Insgesamt setzt der Comic eine ungewöhnliche, kreative Idee auch grafisch sehr gelungen um.
„Hotshot“
Der vierte Comic zeigt uns Vader aus der Sicht eines jungen Rebellenpiloten. Dessen Vater wurde, als der Pilot noch ein Kind war, vor seinen Augen von Sturmtruppen erschossen. Deshalb will er nun Rache am Imperium nehmen. Bei einem Raumkampf mit TIE-Jägern bekommt er zufällig Darth Vader höchstpersönlich vor seine Geschütze.
Der junge Rebellenpilot ist sympathisch dargestellt und man kann sich als Leser aufgrund seiner traurigen Vorgeschichte direkt mit ihm identifizieren. Allerdings fehlt der Geschichte meiner Meinung nach etwas, damit sie sich komplett anfühlt. Der „Twist“ am Ende fühlt sich für mich nicht stark und relevant genug an. Die Überraschung oder der Aha-Effekt stellte sich bei mir beim Lesen irgendwie nicht ein, sodass ich am Ende dieser Geschichte eher den Gedanken hatte: „Okay, und das war jetzt alles?“ Die Zeichnungen von Stephen Mooney und die Kolorationen von Lee Loughridge sind jedoch gut gelungen. Selbst die Nebenfiguren haben alle so individuelle Züge, dass man sie gut wiedererkennt.
„You can run…“
Im letzten Comic erleben wir, wie ein Barkeeper Bekanntschaft mit Vader macht, als dieser in seine Cantina einmarschiert, um dort feiernde Rebellen zu vernichten. Der Barkeeper kann fliehen, fällt aber auf der Flucht in eine giftige Pflanze und erlebt daraufhin in seinen Halluzinationen Darth Vader in noch furchteinflößenderer Gestalt als sonst.
Diese Geschichte hat so gar keinen Wendepunkt oder überraschenden Aspekt. Wie schon bei der vorigen Geschichte, bleibt man auch hier stirnrunzelnd zurück und fragt sich, ob das schon alles war. Die giftige Pflanze wirkt auch wie ein ganz billiges Mittel, nur um Vader mal grotesk verzerrt mit Klauen und Reißzähnen zeigen zu können. Mich konnte die Geschichte jedenfalls nicht überzeugen, auch da die Figur des Barkeepers nicht sonderlich interessant gestaltet ist. Die Bebilderungen im Horrorstil, gestaltet von Marco Menyz (Zeichnungen) und Geraldo Borges (Farben), sind angemessen gruselig, aber mein Geschmack ist das Ganze leider nicht.
Gesamtbewertung
Insgesamt ist Vader: Dunkle Visionen leider ein recht vergessbarer Comic-Band. Bis auf Vaders etwas zu enthusiastische Verehrerin wird mir hiervon nichts in Erinnerung bleiben. Die vier anderen Geschichten sind zu generisch, haben zu wenig Interessantes und Neues zu erzählen oder ihre Protagonisten nicht spannend genug. Insgesamt wird hier sehr viel auf die Schauwerte gesetzt und Vader als überlegener Kämpfer oder als krasse Schreckensvision gezeigt. Letztendlich erfahren wir aber nichts Neues über den dunklen Lord der Sith. Wenn man diesen Comic nicht gelesen hat, hat man also definitiv nichts Wichtiges verpasst. Auch für Vader sind all die Begegnung mit den Normalbürgern völlig irrelevant und er wird sich wohl kaum an sie erinnern. Natürlich ist genau das der Punkt dieses Comics: Vader mal aus der Sicht von Normalbürgern zu zeigen. Aber das Konzept gibt meiner Meinung nach zu wenig Spannendes her, das mein Interesse wecken könnte. Dass man Vader auf Zeichnungen cool und bedrohlich inszenieren kann, wusste ich schon vorher. Erzählt mir mal was Neues!
Insgesamt vergebe ich für Vader: Dunkle Visionen zwei von fünf Holocrons.
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!