Achtung, diese Rezension enthält Spoiler zum Roman Phasma!
Vi Moradi und Captain Cardinal sind zurück! Wer Delilah S. Dawsons Roman Phasma gelesen hat, kennt die beiden bereits. Vi ist eine knallharte Spionin des Widerstands und Captain Cardinal ein Offizier der Ersten Ordnung in ikonischer roter Rüstung. Cardinal folterte Vi zunächst, wechselte dann aber am Ende desillusioniert von der Ersten Ordnung die Seiten, kämpfte gegen Phasma und wurde von ihr schwer verwundet.
In Galaxy’s Edge: Black Spire, erschienen am 29. August 2019 beim Verlag Century, greift Delilah S. Dawson nun beide Figuren wieder auf. Cardinal hat inzwischen seinen bürgerlichen Namen, Archex, wieder angenommen und wurde vom Widerstand aufgepäppelt. Nun wird er von Leia Organa zusammen mit Vi Moradi auf eine Mission geschickt: Die beiden sollen auf Batuu eine Widerstandsbasis errichten und neue Mitglieder rekrutieren. Doch Vi und Archex stürzen unkontrolliert auf dem Planeten ab und zu allem Übel wird ihnen auch noch ihre komplette Ausrüstung von einer lokalen Gangsterbande gestohlen. Ohne Möglichkeiten der Kommunikation mit dem Widerstand müssen Vi und Archex nun ganz von vorn beginnen und gleichzeitig auch lernen miteinander auszukommen. Doch bei der Vorgeschichte, die sie teilen, ist das einfacher gesagt als getan, denn beide leiden noch stark unter ihren körperlichen Wunden und seelischen Traumata aus dem vorangehenden Roman…
Als ich die Prämisse des Romans las, dass Vi und Cardinal alias Archex nach der Foltersituation aus Phasma nun als Team zusammenarbeiten sollen, fand ich das sofort extrem spannend. Die Figur des Cardinal war für mich in Phasma das absolute Highlight, wie ihr auch in meiner Rezension nachlesen könnt. Umso mehr freute ich mich, dass er und auch Vi nun einen zweiten Auftritt bekommen, was für literarische Kanon-Figuren ja eher ungewöhnlich ist. Die meisten von ihnen treten bis jetzt ja in nur einem einzigen Werk auf.
Der Roman startet dann auch sehr gut und gibt uns viel Spannung und Reibereien zwischen Vi und Archex, die beide vollkommen traumatisierte und kaputte Charaktere sind. Vi leidet noch unter den Folgen der Folter, die Archex ihr angetan hat, und hat nachts Albträume von dieser Situation. Archex ist von Phasma schwer verwundet worden, sodass eines seiner Beine sowie ein Lungenflügel nie wieder richtig funktionsfähig sein werden. Als jemand, der von Kind auf als Krieger indoktriniert wurde, nagen diese körperlichen Einschränkungen sehr an ihm. Darüber hinaus ist er nach seiner Emanzipation von der Ersten Ordnung auch auf der Suche nach einer neuen Identität abseits des „Captain Cardinal“. Delilah S. Dawson beschreibt solche kaputten Charaktere einfach brillant und allein mein Interesse an diesen beiden Figuren und ihren Interaktionen sorgte dafür, dass ich das Buch gar nicht weglegen wollte.
Dann aber passiert etwas Seltsames. Anstatt die Geschichte zwischen Vi und Archex weiterzuspinnen, die längst nicht zu Ende erzählt ist, haben Vi und Archex plötzlich kaum noch gemeinsame Szenen. Vi geht nämlich nach dem Absturz auf Batuu auf Erkundungstour im Black-Spire-Außenposten, während Archex aufgrund seiner Beinverletzung zurückbleiben muss und im weiteren Verlauf der Handlung immer mehr an den Rand der Handlung gedrängt wird.
Statt spannenden Interaktionen zwischen Vi und Archex bekommen wir nun also tolle Szenen auf Batuu wie: Vi geht etwas essen. Vi geht in Oga’s Cantina und trinkt einen Cocktail. Vi kauft sich auf dem Markt neue Klamotten. Vi holte sich etwas beim Take-away. Warum bekommen wir diese Szenen? Weil das natürlich Werbung für den Themenpark Galaxy’s Edge ist, der auch im Titel des Romans steht. Ich glaube, ich habe noch nie ein Star Wars-Buch gelesen, in dem so viel gegessen, getrunken, konsumiert und geshoppt wurde. Dabei wird immer wieder betont, wie lecker das Essen schmeckt und wie sehr sich Vi nach einem weiteren Wrap von Ronto Roasters sehnt. Außerdem findet es Vi auf Batuu auch aus irgendeinem Grund generell ziemlich super und fühlt sich sofort heimisch. Recht komische Einstellung, wenn man bedenkt, dass der Außenposten von der Gangsterchefin Oga dominiert wird, die auch Vis Ausrüstung stiehlt und sie daraufhin auch noch in ihre (lebensgefährlichen) Dienste zwingt. Insgesamt hat man schon den Eindruck, dass ein Lektor über den Roman drübergelesen hat, um sicherzugehen, dass auch nur Positives über Disneys Themenpark-Welt Batuu drinsteht. Ich hatte jedenfalls an diversen Stellen den Eindruck, dass man mir hier einen Besuch in Galaxy’s Edge etwas zu bemüht schmackhaft machen will. Das hat mein Leseerlebnis teilweise getrübt, denn ich möchte eine gute Geschichte erzählt bekommen, ohne Werbeunterbrechungen für Freizeitpark-Essen, das in Wahrheit wahrscheinlich vollkommen generisch schmeckt.
Statt Archex treten neue Figuren ins Zentrum der Handlung, nämlich Einheimische von Batuu, die Vi rekrutiert. Darunter sind unter anderem die Macht-gläubige Schrottsammlerin Ylena, der Farmerjunge Dolin, der Schmuggler Zade und die Chadra-Fan-Technikerin Kriki. Vor allem Zade mit seiner Dummschwätzerei und Kriki, die irgendwie niedlich ist und schnell Angst bekommt, sind unterhaltsam. Aber an Archex, der ohne viel zu tun vor sich hin dümpelt, reichen sie allesamt nicht heran. In ein paar Wochen werde ich diese Figuren allesamt wieder vergessen haben.
Auch die Handlung um die Widerstandsbasis nimmt nicht wirklich Fahrt auf, denn es geht viel zu lange nur um den langwierigen Prozess, Geld zu beschaffen und sich die nötige Ausrüstung wieder zu beschaffen. Dazu geht Vi unter anderem einem extrem langweiligen Job als Schrottsortiererin nach. Dabei werden zwar immer wieder Funde von Jedi-Artefakten angedeutet, aber für die Handlung spielt das keine Rolle. Es dient wahrscheinlich nur dazu, zu erklären, warum man sich in Galaxy’s Edge bei Savi’s Workshop Lichtschwerter bauen kann. Zwischendrin steigt die Spannung kurz an, als es eine kleine Indiana Jones-Episode gibt. Allerdings spielt das Ziel dieser Schatzsuche auch keine Rolle mehr. Da frage ich mich schon, wo da der rote Faden verloren gegangen ist. Die Handlung im Mittelteil mäandert doch etwas ziellos vor sich hin.
Als Gegner werden unseren Widerstandskämpfern schließlich Lieutenant Kath und zwanzig Sturmtruppler gegenübergestellt, die im Auftrag von General Hux die Spionin Vi auf Batuu finden sollen. Der vollkommen gewissenlose Kath ist, als Gegenpol zu seinem geläuterten früheren Kameraden Archex, zwar eine interessante Figur. Aber wenn man den Trailer zu Der Aufstieg Skywalkers gesehen hat, wo die Erste Ordnung offenbar hunderte Sternzerstörer auffährt, dann fragt man sich schon, ob Vis Mission auf Batuu überhaupt Relevanz hat. Was sind schon zwanzig Sturmtruppen mehr oder weniger für die Erste Ordnung? Und was sind eine Handvoll mehr Rekruten für den Widerstand, wenn die Erste Ordnung ihnen so extrem überlegen ist? Irgendwie gelingt es mir nicht, die Wichtigkeit dieser Batuu-Mission, die Leia immer wieder betont, zu erkennen. Die gesamte Handlung findet in extrem kleinem Rahmen statt, sodass ich mir nicht vorstellen kann, wie dadurch jetzt die Lage für den Widerstand massiv verbessert werden könnte. Aber vielleicht liefert da auch Resistance Reborn noch bessere Hinweise.
Insgesamt muss ich leider sagen, dass mich Galaxy’s Edge: Black Spire nach einem vielversprechenden Start dann doch nicht überzeugen konnte. Ich verstehe nicht, wieso Delilah S. Dawson eine tolle Figur wie Archex, die sie ja selbst kreiert hat, über weite Strecken so „verhungern“ lässt und stattdessen viel uninteressantere Figuren und Ereignisse in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Die Handlung ist im Mittelteil recht zäh und schweift teilweise etwas ab. Außerdem stört stellenweise die werbend wirkende übertrieben positive Darstellung des Black Spire Outposts und seiner Läden. Insgesamt gibt es daher von mir nur durchschnittliche drei Holocrons.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Galaxy’s Edge: Black Spire in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon bestellen. Über eine deutsche Ausgabe ist bis jetzt nichts bekannt.
Was ist eure Meinung zu Galaxy’s Edge: Black Spire ?
Kann man so unterschreiben. Ich würde das Buch auch mit „3 Holocrons, leichte Tendenz nach oben“ bewerten. Die Archex/Vi-Szenen sind super, und ich mag auch das Ende des Buches und den Konflikt mit Kath, aber zwischendurch gibt es schon ein paar Szenen, bei denen ich mich frage, wieso es die brauchte.
Letzten Endes frage ich mich aber auch, wer Green Leader ist, dessen Stimme Vi so vertraut schien… hier hoffe ich auf ein Crossover mit Resistance Reborn.
Ist ja alles Geschmacksache aber ich fand das Buch echt super. Das alles in „kleinem Rahmen“ gespielt hat fand ich erfrischend anders. 20 Sturmtruppen sind hier noch eine echte Bedrohung, im Gegensatz zu den meisten Kanon-Werken. Ich würde gerne noch ein drittes Buch über Vi lesen.
Dem kann ich so zustimmen, mir hat das Buch auch besser gefallen als vielen anderen.