Am heutigen Dienstag veröffentlicht Disney-Lucasfilm Press in den Vereinigten Staaten ein Hardcover-Geschichtenbuch mit dem volltönenden Namen Life Day Treasury: Holiday Stories from a Galaxy Far, Far Away, also eine Anthologie rund um Weihna-, pardon, das Lebensfest, wie man es aus diversen Holiday Specials, SWTOR-Events und anderen Star Wars-Storys kennt. Das Kreativteam hinter dem Buch ist kein unbekanntes, denn Autor George Mann und Illustrator Grant Griffin durften mit Myths & Fables und Dark Legends bereits konzeptionell verwandte Bücher aus der Taufe heben – und diesmal gibt es mit Cavan Scott als Co-Autor auch noch prominente Verstärkung. Ich durfte das Buch bereits vorab lesen und möchte euch heute, bei warmen, spätsommerlichen Außentemperaturen, meine Eindrücke dieser winterlichen Geschichtensammlung darlegen.
Zunächst sei gesagt, dass sich das Konzept dieser Bücher gemäß einem in Dark Legends begonnenen Trend weiter wandelt. In Myths & Fables war klar, dass jede Erzählung mythischen Charakter hatte und trotz eines potentiell wahren Kerns hauptsächlich eine Story war, die man sich auch in der Star Wars-Galaxis so am Lagerfeuer hätte erzählen können. Es gab immer einen kulturellen Kontext oder sprachliche Hinweise darauf, dass man hier quasi Grimms Märchen im Weltraum liest und keinen Star Wars-Roman im engeren Sinne. In Dark Legends kamen dann hierzu auch noch Geschichten, bei denen dieser kulturelle Rahmen fehlte und die bisweilen recht glaubwürdig erschienen. In der Life Day Treasury ist lediglich eine der acht Geschichten, The Spirit of Life Day, eindeutig als Überlieferung zu identifizieren; vielleicht auch noch An OId Hope. Der Rest scheint, rein erzählerisch, für bare Münze genommen werden zu wollen – was auch funktioniert.
Nun mag der ein oder andere Fragen: Was rechtfertigt hier dann das Format von Myths & Fables bzw. die Vermarktung als „Weihnachtsmärchenbuch“ aus der Star Wars-Galaxis? Nun, zunächst einmal lassen sich vielen dieser Erzählungen auch eine Moral zuordnen, oder sie „inspirieren“ den Leser über weihnachtliche Botschaften – aber keine Angst, Christentum oder anderen realen Religionen wird hier kein Raum gegeben. Ganz im Sinne früherer Darstellungen des „Wookiee Life Day“ (und modernen, kommerziellen Weihnachtsgeschichten) geht es in den acht Storys eher darum, in kalten, düsteren und – ob nun wetterlich oder seelisch – winterlichen Zeiten Freunde, Hoffnung oder ein Zuhause zu finden.
Ein weiterer Bezug zum mythischen Format wird über „Geschichten in der Geschichte“ geliefert. Das Autorenduo George Mann und Cavan Scott liefert einen kulturellen Querschnitt zu winterlichen Sonnwenden-Traditionen – von Coruscant über Tatooine, Alderaan, Endor und Jedha bis hin zu Kashyyyk selbst. Darin erzählen sich Menschen, Aliens (z.B. Ewoks und Twi’leks) und sogar Droiden Geschichten aus ihren kulturellen Mythologien, die dann in der Rahmenhandlung von Belang sind. Und wer die beiden Autoren kennt, weiß auch, dass dabei viele Querverweise dabei sind – auf den Ewoks-Cartoon und Die Hohe Republik genauso wie auf reale Ereignisse und Weihnachtsmythen unserer Welt. Für ersteres möchte ich den Weihnachtsfrieden von 1914 im Ersten Weltkrieg hervorheben, für zweiteres sei einfach mal darauf verwiesen, dass viele winterliche Mythen unserer Welt auch düster und brutal sind und nicht alles nur aus Behaglichkeit, Tannenbäumen und Geschenken besteht. Gerade Cavan Scott, Autor der Geschichten aus Vaders Schloss, ist bekanntlich ein großer Horror-Fan…
Hier in Kurzfassung das, was ihr von den acht Erzählungen in der Life Day Treasury erwarten könnt:
- In A Coruscant Solstice beaufsichtigt Jedi-Meister Stellan Gios aus der Ära der Hohen Republik Sonnwenden-Feierlichkeiten auf Coruscant, als ihm ein jugendlicher Taschendieb in der Menge auffällt, der die Feiernden um ihre Habseligkeiten erleichtert… – Für Fans der Hohen Republik ein nettes kleines Nebenabenteuer, das mir Stellan allerdings leider nur minimal sympathischer machen konnte.
- In An Old Hope erfahren wir, dass auch Droiden in einer Jawa-Sandraupe dem Aberglauben anheim fallen können… oder ist der sagenumwobene Ölbringer vielleicht sogar real? – Hier punkten die Autoren mit Einfallsreichtum und cleveren Anbindungen an die Skywalker-Saga.
- In The Kindling befinden sich zwei Figuren auf der Flucht aus einem Gefangenenlager des Imperiums. Können die Legenden der Twi’lek-Siedler von Aaloth dabei helfen, den imperialen Häschern zu entrinnen? – Ich fand es hier bemerkenswert, wie viel Zeit den Protagonisten hier zum Geschichtenerzählen blieb, fand die Legende von Darth Quell aber aufrichtig faszinierend und bin somit gewillt, meinen Unglauben zurückzustecken.
- In The Kroolok begeben sich ein junger Ewok namens Wicket mitsamt seinen Freund*innen Teebo und Kneesaa im tiefsten Winter hinaus in die Wildnis, um Wickets großem – und großspurigem – Bruder ihren Mut zu beweisen. Doch treibt da etwa ein Monster aus den Geschichten des Ewok-Schamanen sein Unwesen? – Mit den Ewoks konnte ich noch nie viel anfangen, aber vor allem Fans der Zeichentrickserie werden hier auf ihre Kosten kommen. Immerhin: Das Abenteuer war zwar voraussehbar, aber stimmig erzählt, und das ist auch etwas wert.
- In The Song of Winter’s Heart lernen wir zwei alderaanische Jugendliche kennen, deren Leben sie schließlich auf unterschiedliche Seiten des Galaktischen Bürgerkriegs führt. Kann ein Lied aus ihrer Jugend die Brücken zwischen den beiden Männern überwinden? – Dies wäre wohl meine Lieblingsgeschichte in diesem Band (vielleicht auch wegen Parallelen zu Lost Stars?) geworden, wenn sie etwas länger gewesen wäre, um die Protagonisten und ihren Lebensweg etwas besser auszuarbeiten.
- In The Spirit of Life Day treiben auf einem alten Klonkriegs-Schauplatz, wo die Kampfdroiden der Separatisten am Lebensfest dereinst ein Massaker anrichteten, die gequälten Geister der grausam Ermordeten ihr Unwesen. Jedes Jahr um die Festzeit verbarrikadieren sich alle Bewohner der Stadt in ihren Häusern und lauschen furchtsam dem unheimlichen Treiben da draußen. Dumm nur, dass dieses Jahr das Haustier der kleinen Emi in mitten des Spuks ausgebüchst ist… – Dies ist die für mich denkwürdigste Geschichte in diesem Band, da sie mit ihrem schaurigen Spektakel etwas aus der Reihe schlägt, und wohl mein Favorit.
- In Reflection Day verschlägt es einen ziellosen, zynischen jungen Mann zum titelgebenden Feiertag wider Willens nach Jedha. Kann er in den Kyber-Spiegeln einen Blick auf die Zukunft erhaschen, der seinem Leben eine Richtung weist? Und was hat eine Zufallsbekanntschaft damit zu tun? – Auch hier fand ich die Erzählung vorhersehbar, obschon irgendwie süß, und mit Jedha hat man sich auch einen tollen Schauplatz dafür ausgesucht, mit dem man bei mir immer punkten kann. Das titelgebende Wortspiel – „Reflection“ kann ja sowohl Spiegelbild als auch existenzielle Rückbesinnung bedeuten – ist da ein Sahnehäubchen.
- In The Tree of Life folgen wir Chewbaccas aus dem Holiday Special (und unlängst wohl auch der Nachspiel-Trilogie) bekannten Familie, die ohne ihn das Lebensfest begehen muss, weil er mit Han Solo die Neue Republik unterstützt. Gerade Sohnemann Lumpy – pardon, Waroo – ist darüber unglücklich… – Natürlich darf eine Lebensfest-Anthologie nicht ohne die Wookiees auskommen, über die im Holiday Special damals dieser Feiertag überhaupt erst eingeführt wurde. Diese eher besinnliche Familiengeschichte ist auch eine nette Coda für das gesamte Buch.
Als Fazit lässt sich sagen, dass George Mann und Cavan Scott erneut ein schönes kleines Geschichtenbuch gelungen ist, das auch mir – meines Zeichens zynischer Weihnachts-Verweigerer – recht Spaß gemacht hat. Zwar bevorzuge ich nach wie vor die beiden Vorgänger und hoffe künftig auf eher wieder allgemein gefasstere Bücher, die sich nicht an irgendwelchen Feiertagen und Festen abarbeiten, doch in puncto Worldbuilding und Erzählkunst liefern beide Autoren wie gewohnt ab, während sie das Format dieser Anthologien konsequent weiterentwickeln. Besonders der Querschnitt durch die verschiedenen Kulturen der Galaxis macht dieses Buch reizvoll, und Grant Griffins stimmungsvolle Gemälde runden es ab. Auch wenn ihr – wie ich – eher ein „Grinch“ seid, lohnen sich zumindest manche dieser Geschichten für euch.
Wir danken Disney-Lucasfilm Press für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.