Rezension: The High Republic: Tempest Breaker von Cavan Scott

Mitte Dezember veröffentlichte Penguin Random House Audio in den USA mit Star Wars: The High Republic: Tempest Breaker von Cavan Scott das obligatorische Hörspiel der dritten Phase des Projekts. Anders als George Manns Die Schlacht von Jedha aus Phase II behandelt es nicht das zentrale Ereignis der Phase, sondern wartet wieder mit einem stärkeren Charakterfokus auf, ist es doch – wie der Titel bereits nahelegt – das Sequel zu Tempest Runner von Cavan Scott aus Phase I. Wir bekommen also ein Wiedersehen mit Lourna Dee, die erneut in den Konflikt zwischen Marchion Ro und den Jedi verstrickt wird, obwohl sie dieses Leben eigentlich hinter sich lassen wollte. Bedenkt man, dass weder Blanvalet noch Panini ein deutsches Skriptbuch für Tempest Breaker geplant haben, stellt sich die Frage: Was verpasst man? Diese versuche ich in der vorliegenden Rezension für euch zu beantworten.

Tempest Breaker stellt in puncto Produktion sowie Nutzung des Mediums Hörspiel den bisherigen qualitativen Gipfel dar. Clever wird mit Effekten, Verzerrungen und auch narrativen Mitteln gespielt. Letzteres merkt man bereits beim grundlegenden Aufbau des Hörspiels: Es gibt eine Rahmenhandlung, in der die Reporterin Rhil Dairo (u.a. bekannt aus The Rising Storm, aber auch The Eye of Darkness) im Auftrag eines Holonetz-Leitmediums ein Interview mit Lourna Dee führt, nachdem diese von der Kanzlerin Lina Soh eine Begnadigung für ihre Verbrechen im Gegenzug für Hilfe im Kampf gegen Marchion Ro erhalten hat. Die eigentliche Handlung besteht dann quasi aus Rückblenden, in denen Lourna erzählt, was ihr widerfahren ist – und natürlich ist sie nicht die verlässlichste Erzählerin, was zusätzliche Spannung schafft.

Der einzige Aspekt der Produktion, von dem ich immer noch kein Freund bin, sind die „Kotzlaute“, die der Trandoshaner Sskeer als Teil seiner Reptilienstimme fortweg macht – da kann einem schon mal vom Zuhören schlecht werden. Immerhin sind die exzessiven Stöhnlaute aus dem Vorgänger Tempest Runner nicht mehr mit von der Partie.

Die eigentliche Handlung ist die unmittelbare Fortsetzung von Cavan Scotts zehnteiliger Comicreihe, die aus den Bänden Children of the Storm (Die Kinder des Sturms) und The Hunted (Die Gejagten) besteht: Keeve Trennis, Lourna Dee und ihre Crew (u.a. Tey Sirrek aus Phase II) haben es geschafft, Baron Boolan auf seiner eigenen Raumstation zu überwältigen, nachdem sie ohne Genehmigung der Republik in den Nihil-Raum eingedrungen sind, um Keeves vermissten Meister Sskeer zu finden. Im weiteren Verlauf der Handlung, über die nicht zu viel verraten werden soll, treten dann noch Avar Kriss und Elzar Mann auf den Plan und es wird ein Plan ausgeheckt, in dessen Verlauf die Jedi und Boolan sich der Frage nach dem Ursprung der mysteriösen, planetenfressenden „Blight“ (Seuche, Plage) annehmen und Lourna auf ein tödliches Wiedersehen mit dem wahnsinnigen Marchion Ro zusteuert…

Tempest Breaker adaptiert dabei Szenen aus den Comics der ersten und dritten Phase, um ein nahtloses Hörerlebnis zwischen Tempest Runner und Tempest Breaker zu ermöglichen, was ich vielerorts schon kritisiert gesehen habe. Wohl wahr – manche der Ereignisse im Hörspiel hätten wohl auch besser in den Comics stattfinden sollen, da es durchaus relevant ist für Charaktere wie Keeve, die hier einen großen Lebenswandel durchmacht. Da mir die Marvel-Comics der dritten Phase zu sehr aus substanzlosen Actionsequenzen bestanden, stellt sich wirklich die Frage, ob es klug war, die Phase-III-Ongoing, das Hörspiel und die bald startende Miniserie Fear of the Jedi mit so viel inhaltlicher Verknüpfung und Überlappung anzulegen.

Was man Tempest Breaker hier zugute halten muss, ist, dass es durch die Einbindung teils vergessener Plot-Elemente aus Phase I, spannenden Verknüpfungen zu Phase II und Lückenfüllern zwischen den Phasen dafür sorgt, dass sich Die Hohe Republik zum ersten Mal seit Langem wieder wie aus einem Guss anfühlt, wovon vor allem Lourna Dees Entwicklung profitiert. Gekonnt spielt Scott hier auch mit der Frage, warum Lourna den Jedi hilft und ob sie nicht noch etwas im Schilde führt, das den Jedi schaden könnte. Sehr spannend fand ich hierbei das Zwischenspiel zwischen Avar und Lourna und die Tatsache, dass Lourna davon traumatisiert ist, dass Avar sie Ende der ersten Phase verstümmelt hat. Dies gibt Lourna eine Tiefe, die selbst nach all den Rückblenden und Vorgeschichten aus Tempest Runner noch gefehlt hat, und macht sie zugleich wieder so bedrohlich und spannend, wie ich sie zuletzt in The Rising Storm wahrgenommen habe.

Die Nihil-Szenen in The Rising Storm waren für mich vor allem wegen der gefährlichen, explosiven Dynamik zwischen Marchion Ro und Lourna Dee spannend und gerade in der Ballszene, die von Lucasfilm mit einem eigenen Artwork bedacht wurde, ist diese Spannung wirklich beeindruckend umgesetzt. Wenn Avar schon ein großer Trigger für Lourna ist, dann ist Marchion ein umso größerer, und ich ziehe meinen imaginären Hut vor Scott, dass er für Tempest Breaker mehrere der gruseligsten Marchion-Szenen der Phase geschrieben hat, wobei Das Auge der Finsternis und Die Versuchung der Macht sich hier natürlich auch nicht verstecken müssen.

Inmitten dieser Charaktermischung kommt natürlich auch der Humor nicht zu kurz – seien es Tey Sirreks mürrisches Naturell, Lournas Sarkasmus oder eine ordentliche Prise sexueller Anspielungen, die zwischen suggestiv und explizit mäandern und bei Star Wars in dieser Form selten zu finden sind.

Marchion Ro und Lourna Dee tanzen Tango in Tempest Breaker

Aber ist das Hörspiel nun unerlässlich? Für Fans der Comics auf jeden Fall. Es hat einen guten Grund, warum am Ende von The High Republic (2023) #10 bzw. dem zweiten Sammelband der dritten Phase sogar ein expliziter Vermerk darauf eingebaut wurde, dass die Story im Audioformat weitergeht. Die Figuren Keeve Trennis, Lourna Dee und Marchion Ro durchlaufen hier wichtige Entwicklungen, die bestimmt Folgen haben werden, ebenso wie Baron Boolan. Umso tragischer ist es, dass der Markt für Hörspielskripte in Deutschland so schlecht läuft, dass es Stand jetzt keine Übersetzung geben wird, aber ich kann euch (auch in meiner Funktion als motivierter Englischlehrer) nur ermutigen, dem Hörspiel eine Chance zu geben – ggf. in Kombination mit dem amerikanischen Skript, das im Mai erscheinen wird.

Auch wenn der genaue Mehrwert dieses Hörspiels wohl erst nach Ende von Phase III eingeschätzt werden kann, kann ich es persönlich nur empfehlen. Anders als der Vorgänger Orkanläuferin hat es Tempest Breaker geschafft, mir Lournas Innenleben nachvollziehbar zu machen, und das ohne diese komplexe Figur ihrer Komplexität zu berauben – ganz im Gegenteil. Ich hatte jedenfalls viel Spaß beim Hören und freue mich darauf, mir Tempest Breaker mit dem Skriptbuch nochmal zu Gemüte zu führen.

Habt ihr euch das Hörspiel angehört? Wie fandet ihr es?

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Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.

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