Rezension: The Princess and the Scoundrel überzeugt mit Charakterarbeit

Han und Leia heiraten und zur Feier sind wir alle eingeladen! Das klingt eigentlich nach einer schönen, romantischen Geschichte, die The Princess and the Scoundrel erzählt. Trotzdem sah ich Beth Revis‘ Roman, der kommenden Dienstag bei Random House Worlds erscheint, eher skeptisch entgegen, denn die beiden Frischvermählten sollten ihre Flitterwochen auf keinem geringeren Luxuskreuzer als der Halcyon verbringen. Also schon wieder ein Roman als Werbemaßnahme für Disneys Themenpark und Hotel? Ob das gut gehen kann, erfahrt ihr in meiner Rezension.

Zum Inhalt

Worum geht es also? Der Roman setzt direkt nach Episode VI an und erzählt, abwechselnd aus der Sicht von Leia und Han, von deren Hochzeit auf Endor und den anschließenden Flitterwochen auf der Halcyon. Allerdings dienen diese nicht der reinen Entspannung. Im Gegenteil: Als Gesicht der entstehenden Neuen Republik muss Leia nach außen Vertrauen in die Dauerhaftigkeit des gewonnenen Friedens demonstrieren und erste Kontakte zu politisch noch unentschlossenen Welten knüpfen. Dies verträgt sich nicht immer gut mit den Bedürfnissen ihres neuen Ehemanns, der gerne mehr private Zeit mit Leia verbringen würde („It’s a honeymoon. We don’t need anything but a bed, and even that’s optional.“ (deutsch: „Es sind Flitterwochen. Wir brauchen nur ein Bett, und selbst das ist optional“)). Als der Regierungschef des Eismondes Madurs auf Leias Kontaktanfrage reagiert, wird aus den romantischen Flitterwochen allerdings erst ein diplomatischer Besuch und dann eine spektakuläre Rettungsaktion…

Leia und ihr schweres Erbe

Die Idee, Kapitel abwechselnd aus der Sicht von Han und Leia zu schreiben, gefällt mir sehr gut, denn so kommen beide Figuren gleichermaßen zu Wort und wir erhalten Einblicke in das, was sie in diesen Zeiten des Umbruchs bewegt. Beth Revis fängt dabei die Stimmen der beiden sehr glaubhaft ein. Dabei erfahren wir nicht nur, was beide aneinander so sehr schätzen und lieben, dass sie den Bund der Ehe eingehen wollen. Es kommen auch prägende, teils traumatische Erlebnisse zur Sprache, die Han und Leia aus den Filmen der klassischen Trilogie mitgenommen haben. Leia setzt sich zum Beispiel intensiv mit dem Gedanken auseinander, dass Vader ihr Vater gewesen sein soll, und schwankt, ob sie ihr Jedi-Erbe wirklich annehmen und ihre Kräfte mit Lukes Hilfe trainieren soll. In einer interessanten Parallele zu Anakin Skywalker fragt Leia sich sogar an einer Stelle: „What is the point of power if it cannot save the people I love?“ (deutsch: „Welchen Nutzen hat Macht, wenn sie nicht die Menschen retten kann, die ich liebe?“). Dies alles gibt der Figur Leia noch mehr Tiefe und knüpft auch wunderbar an den später spielenden Roman Blutlinie an, in dem gerade das Thema ihrer Abstammung nochmals wichtig werden wird.

Hans Karbonit-Trauma

Großartige Charakterarbeit leistet der Roman aber auch bei Han. Meines Wissens wird hier zum ersten Mal überhaupt thematisiert, dass so ein Jahr, das man eingefroren in Karbonit verbracht hat, wohl auch an dem coolsten Schmuggler nicht spurlos vorübergeht. Han merkt in diesem Roman nicht nur, dass er viel verpasst hat, und beispielsweise gar nicht mehr versteht, wieso sich Leia und Chewie auf einmal so nahestehen, wo sie ihn doch gefühlt gestern erst „laufenden Bettvorleger“ genannt hat. Er scheint auch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden. Als Han und Leia im Laufe des Romans auf dem Eismond Madurs landen und dort auch auf Tauchgang im eisigen Wasser gehen, stellt sich heraus, dass plötzliche Kälte und Stille Panik bei Han auslösen und Erinnerungen an das Einfrieren wach werden lassen. Dass hier ein Held wie Han Solo von einer ganz menschlichen, verletzlichen Seite gezeigt und nahbar gemacht wird, ist eine der großen Stärken des Romans.

The Princess and the Scoundrel - Hans und Leias Hochzeit
The Princess and the Scoundrel – Hans und Leias Hochzeit

Von Einzelkämpfern zum Team

Doch Han und Leia haben nicht nur jeweils ihr eigenes Päckchen zu tragen, sondern müssen auch als Paar erst einmal zusammenfinden. Das ist die zentrale Geschichte, die der Roman – abseits von Action und Politik – eigentlich erzählt. Beide sind es gewohnt, unabhängig zu sein und selbst zu entscheiden. Deshalb kommt es neben vielen romantischen Szenen voller Liebe und Glück auch immer wieder zum Streit: Han bringt manchmal wenig Verständnis dafür auf, dass Leia ihre politische Verantwortung so oft über ihre eigenen Interessen stellt. Leia dagegen muss sich erst daran gewöhnen, Han auch in ihre Gedanken und Pläne einzubeziehen, und die emotionalen Mauern, die sie während des Kriegs als Schutz um sich herum errichtet hat, abzureißen. Und so wird im Lauf des Romans aus zwei Einzelkämpfern ein Team. Diesen Anpassungsprozess erzählt Beth Revis sehr lebensnah und nachvollziehbar, sodass man sich jederzeit in Lage des frischgebackenen Ehepaars hineinversetzen kann.

Wunderbares Worldbuilding

Auch beim Worldbuilding zeigt Beth Revis ihr Können. Bei der Hochzeit auf Endor erfahren wir einiges Interessantes über Rituale der Ewoks. Und auch die Eiswelt Madurs mit ihren speziellen Kultur, ihren beeindruckenden Bau- und Kunstwerken aus Eis und der aufkommenden Klimawandel-Thematik wird mir bestimmt in Erinnerung bleiben. Auch die instabile Lage kurz nach dem Fall des Imperiums fängt die Autorin facettenreich ein. Aspekte wie in der Krise unvermeidlich steigende Preise für Treibstoff oder unbelehrbare Verschwörungstheoretiker, die nicht an den Tod des Imperators glauben wollen (und am Ende leider Recht behalten), sorgen für eine gehörige Portion Realismus und machen die Situation glaubhaft und lebensnah. Auch Bezüge zu anderen Werken webt die Beth Revis mühelos ein. Ob ein Cameo einer Figur aus Verlorene Welten, ein Gespräch über Leias Begegnung mit Qi’ra in den Star Wars-Comics, ein Wiederaufgreifen und Ausbauen alderaanischer Traditionen aus Leia, Prinzessin von Alderaan oder einer Rückkehr einer Feindin aus Han Solos Vergangenheit. Hier passen einfach alle Puzzleteile perfekt. Selbst eine am Rande erwähnte Künstlerin und eine Journalistin lassen sich in Star Wars Propaganda bzw. From a Certain Point of View wiederfinden. (Ich google jedes Mal, wenn Künstler*innen erwähnt werden, ob hier die leicht zu schlagende Verbindung zu Propaganda hergestellt wurde, und wurde schon oft genug enttäuscht.)

Die Halcyon nicht nur im besten Lichte präsentiert

Doch wie sieht es mit der oben angesprochenen von mir befürchteten Galactic Starcuiser-Werbung aus? – Zunächst einmal muss man sagen, dass das Schiff überhaupt nicht Haupthandlungsort des Romans ist. Von 61 Kapiteln spielen die ersten zwölf auf Endor, danach befinden sich Han und Leia bis Kapitel 29 auf der Halcyon und der Rest spielt dann größtenteils auf Madurs, auch wenn die Halcyon dabei noch immer im Orbit bleibt und stellenweise eingreift. An einigen Stellen merkt man schon, dass die Halcyon beworben werden soll. So tritt zum Beispiel, als Han und Leia an Bord gehen, ein Droide auf, der über die vielen Vorzüge des Schiffs spricht. Und an einer Stelle kratzt Han sinnlos seine und Leias Initialen in ein Rohr an Bord – wohl ein Easter Egg, das Besucher des Hotels dann vor Ort suchen sollen. Allerdings sind diese „Werbemaßnahmen“ alle wirklich so im Rahmen, dass sie einem wahrscheinlich nicht auffallen würden, wenn man für dieses Thema nicht sensibilisiert ist. Dazu kommt, dass überraschenderweise die Gäste auf der Halcyon nicht als supernette Reisebekanntschaften für Han und Leia und dargestellt werden, sondern – sehr realistisch – als größtenteils reiche Schnösel und Kriegsprofiteure ohne Gewissen, denen es egal ist, ob sie nun unter dem Imperium oder unter der Neuen Republik Geld scheffeln. Denn wer sonst würde sich so kurz nach dem Fall des Imperiums, also in wirtschaftlich sehr unsicheren Zeiten, eine Luxus-Kreuzfahrt gönnen? Auch wenn es bestimmt nicht so gedacht ist, kann man das Ganze auch gut als Meta-Kommentar auf das überteuerte Galactic Starcruiser-Erlebnis in der echten Welt lesen, das sich auch nur eine ausgewählte Schicht an Fans leisten kann.

Verspätete Action und wenig Spannung

Was man dem Roman vielleicht vorwerfen kann, ist, dass zu lange unklar ist, wohin die Handlung eigentlich gehen soll. Die Hochzeit von Han und Leia wirkt wie ein vorgeschobener, langer Prolog und danach dauert es auf der Halcyon noch einige Zeit, bis sich der Eismond Madurs als zentraler Handlungsort herausstellt. Dort angekommen, dauert es erneut eine Weile, bis klar wird, was das Problem ist, das es letztlich zu bekämpfen gilt. Fans von Action und Abenteuern könnte der Vorlauf zu lange dauern, bis es endlich etwas passiert. Actionreich wird es erst im letzten Drittel des Romans. Und auch wenn Madurs als Schauplatz durchaus beeindruckend ist, so ist der dort stattfindende Konflikt nichts, was man nicht schon einige Male gesehen hätte. Welches „Geheimnis“ sich auf dem Mond verbirgt, ist eigentlich jedem klar, der weiß, wie Star Wars funktioniert, und auch dessen letztliche Lösung wird uns schon frühzeitig auf dem Silbertablett präsentiert. Insofern fehlt ein wenig die Spannung.

Fazit

The Princess and the Scoundrel überzeugt mit fantastischer Charakterarbeit zu Han und Leia und erzählt auf überzeugende Weise, wie die beiden trotz Hürden zu einem richtigen Paar zusammenwachsen. Beth Revis bindet ihre Geschichte wunderbar in den schon existierenden Kanon ein und schafft es auch, dass diese nicht wie eine Werbemaßnahme für den Galactic Starcruiser wirkt. Leichte Abzüge gibt es für die fehlende Spannung bei der Handlung auf Madurs. Alles in allem vergebe ich somit vier von fünf Holocrons für ein kurzweiliges Buch. Alle Fans von Han und Leia sowie alle, denen Charakterentwicklung über Action geht, sollten hier auf jeden Fall zugreifen.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir danken Random House Worlds für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Die deutsche Ausgabe unter dem Titel Die Prinzessin und der Schurke erscheint voraussichtlich im Oktober 2023 bei Blanvalet.

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