Reys Eltern waren über Jahre hinweg das Mysterium der Sequel-Trilogie. Fans zerbrachen sich die Köpfe darüber, wer sie sein könnten, und stellten Theorien auf, die sich schlussendlich dann doch größtenteils als falsch herausstellten. Nun lernen wir die beiden erstmals in einem Roman näher kennen: Shadow of the Sith von Adam Christopher, welcher am 28. Juni bei Random House Worlds erscheint. Da ich persönlich wenig von den Sequels halte, ging ich dieses Buch mit niedrigen Erwartungen an und befürchtete, man würde hier versuchen, im Nachhinein einige Ungereimtheiten der Sequels zu glätten. Ob der Roman letztlich doch auch eine Sequel-Skeptikerin wie mich überzeugen konnte, erfahrt ihr dieser Rezension.
Zum Inhalt
21 Jahre nach der Schlacht von Yavin: Wir treffen Miramir und Dathan an, die gemeinsam mit ihrer sechsjährigen Tochter Rey auf der Flucht sind. Ihnen im Nacken sitzt Ochi von Bestoon, der im Auftrag der Sith Eternal Rey zu Palpatine bringen soll. Doch die flüchtende Familie zieht Aufmerksamkeit auf sich. Lando Calrissian, dessen kleine Tochter einige Jahre zuvor entführt worden ist, wird hellhörig, als er mitbekommt, dass ein Kind entführt werden soll. Und als sich herausstellt, dass auch die Sith ihre Finger im Spiel haben, ist Luke Skywalker sofort bereit, seinen alten Freund bei der Suche nach der Familie zu begleiten. Luke hat nämlich immer wieder beunruhigende, dunkle Visionen und möchte dringend herausfinden, was es damit auf sich hat. Doch der Kontakt zu der flüchtenden Familie stellt sich als alles andere als leicht heraus, denn Ochi und seine Schergen jagen die drei quer durch die Galaxis…
Luke und Lando: Legends-Nostalgie pur!
Als jemand, der mit dem alten Post-Endor-EU aufgewachsen ist, fühlte ich mich in diesem Roman sofort zuhause, als Luke und Lando auftraten. Die beiden auf gemeinsamer Mission? – Unbedingt, gebt mir mehr! Und der Roman enttäuscht nicht, denn beide Figuren schreibt Christopher absolut überzeugend. Luke Skywalker erleben wir zu Beginn als Meister seines neuen Ordens auf Ossus und im Umgang mit seinem begabten Neffen und Padawan Ben. Dabei zeigt sich der Jedi so, wie wir ihn kennen und lieben, als verantwortungsvoll, ruhig, immer um das Wohl anderer besorgt und auf der Suche nach mehr Wissen über die Macht – aber manchmal zeigt sich auch noch der Farmerjunge in ihm. Lando Calrissian dagegen begegnen wir, wie üblich, an einem Spieltisch und in der Klemme sitzend. Das Glücksspiel dient ihm allerdings eher als Ablenkung von der Trauer seiner Tochter und dem Gefühl, bei der Suche nach ihr versagt zu haben. Als dann noch Legends-Anspielungen (beispielsweise auf die Errant Venture) fielen und ausgiebig heiße Schokolade getrunken wurde, wurden da doch einige positive Erinnerungen wach.
Starkes Worldbuilding
Generell ist Adam Christophers Worldbuilding sehr stark. Die stets vollkommen organisch eingebundenen Querverbindungen zu den Legends, aber auch zu anderen Kanon-Werken wie Aftermath, Last Shot, The Mandalorian, Adventures in Wild Space, The High Republic sind dabei nur ein Aspekt, der Freude macht. Auch die selbst erfundenen Welten des Autors strotzen nur so vor Kreativität. Jeder Planet, Mond oder Asteroid, der im Laufe der Handlung angesteuert wird, hat seine ganz eigene Atmosphäre und seine Besonderheiten.
Uninspirierte Antagonist*innen
Weniger überzeugend sind leider die Antagonist*innen des Romans. Da wäre einmal Ochi von Bestoon, der wohl ein wahnsinnig guter Jedi-Jäger in den Klonkriegen war, es aber dennoch ewig lange nicht schafft, Rey und ihre Eltern zu schnappen. Komischerweise stellt trotzdem niemand seine Kompetenz in Frage. Auch als Charakter konnte mich Ochi nicht wirklich fesseln. Seine kurz angeschnittene Hintergrundgeschichte und Motivation für sein Handeln bleiben für meinen Geschmack zu vage und reichen nicht, um ihn mir als Persönlichkeit greifbar zu machen. Eine weitere Gegnerin von Luke und Lando ist die mysteriöse, maskierte Frau, die auch auf dem Cover zu sehen ist. Was sie angeht, versucht Christopher Spannung aufzubauen, indem er zu Beginn kaum etwas über sie verrät: Wir erfahren nicht ihren Namen, nicht wo sie ist, nicht mit wem sie spricht. Die letztendliche Auflösung ihrer Identität ist dann leider viel weniger spektakulär und relevant, als man es vielleicht vermuten könnte. Auch hatte ich an keiner Stelle den Eindruck, dass diese Antagonistin eine ebenbürtige Gegnerin oder ernste Bedrohung für Luke Skywalker darstellt. Hier hätte ich mir eine etwas stärkere Figur gewünscht.
Repetitive Handlung
Die größte Schwäche des Romans liegt allerdings nicht in seinen Figuren, sondern im Handlungsaufbau. Es passiert leider immer wieder dasselbe: Rey und ihre Eltern fliehen vor Ochi und seinen Leuten, Luke und Lando fliegen ihnen hinterher und wollen ihnen helfen, kommen aber zu spät. Dies passiert wieder und wieder über die gesamten fast 500 Seiten hinweg und wird mit der Zeit wirklich ermüdend. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man die Geschichte auch auf wesentlich weniger Seiten kompakter hätte erzählen können. Als Leser*in weiß man leider auch, dass gewisse Ereignisse und Ausgänge aufgrund der Sequels gar nicht möglich sind. Nun ist eine Geschichte ja nicht generell schlecht, nur weil man ihren Ausgang schon kennt, aber wenn alle Bemühungen der Hauptfiguren vorhersehbar ins Leere laufen, ist das schon etwas frustrierend beim Lesen.
Unausbügelbare Widersprüche der Sequels
Leider kommt zu den schon angesprochenen Schwächen noch eine, die der Autor nicht selbst zu verantworten hat: Er hat die undankbare Aufgabe bekommen, aus den widersprüchlichen Aussagen der Sequel-Trilogie eine logische Handlung zu bauen. Und das ist an einigen Stellen nur mit sehr vielen erzählerischen Verrenkungen auf Seiten des Autors und extremer Suspension of Disbelief auf Seiten der Leser*innen möglich. So müssen beispielsweise Reys Eltern mit Ochis Schiff von Jakku wegfliegen und Rey muss bei Unkar Plutt zurückgelassen werden. Um das möglich zu machen, treffen Reys Eltern einige ziemlich dumme und unglaubwürdige Entscheidungen. Miramir und Dathan sind eigentlich als sehr sympathische Figuren angelegt und durch Rückblicke auf ihr bisheriges Leben erfährt man einiges Interessantes über sie – vor allem über Dathan als Klonexperiment des Imperators – und kann mit ihnen und ihrer Situation mitfühlen. Leider verlor ich diesen emotionalen Bezug zu den beiden Figuren gegen Ende immer mehr, da ich ihre Handlungen nicht mehr nachvollziehen konnte. Auch an einigen weiteren Stellen musste ich den Kopf schütteln, weil Wendungen hin zum Status Quo der Sequels zu bemüht erschienen.
Fazit
Das Leseerlebnis mit Shadow of the Sith gleicht einer Berg- und Talfahrt: Einerseits gibt wunderbare Szenen mit Luke und Lando, spannende Informationen zu Reys Eltern und interessante neue Locations. Andererseits kann ich doch über die schwachen Antagonst*innen, die repetitive Handlung und die mehr schlecht als recht gestopften Logiklöcher der Sequel-Trilogie nicht hinwegsehen – wobei Letzteres nicht allein dem Autor anzulasten ist. Daher vergebe ich drei von fünf möglichen Holocrons.
Wir danken Random House Worlds für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Vielen Dank für die Rezension. Ich persönlich freue mich schon sehr auf das Buch, da ich denke dies ist eine gute Chance Episode 9 ein wenig besser vorzubereiten. Allerdings wird es bei mir wohl noch ein paar Jahre dauern bis ich es lesen kann, da mein Textverständnis nicht ausreichend ist um einen kompletten Roman im englischen zu erfassen und ich dementsprechend auf die deutsche Übersetzung warten werde.
So lange wie Blanvalet für die deutsche Übersetzung braucht, kannst du bis dahin kontinuierlich deine Englischkenntnisse verbessern. Fang einfach an, learning by doing. Mit jedem Buch wird es einfacher und irgendwann kannst du englische Bücher fast genauso flüssig wie deutsche Bücher lesen.
Naja, ich für meinen Teil würde mich als Anglist*in jetzt durchaus auch als fähige*n Englischsprecher*in bezeichnen, aber ich lese das Buch ja nicht nur fürs inhaltliche Verständnis (da könnte ich auch die Wook lesen), sondern für literarische Erlebnis. Und das geht halt flöten, selbst wenn ich nur alle fünf Seiten ein Wort nachschlagen muss. Von daher warte ich auch lieber auf auf die Schnarchnasen von blanvalet.
Bis Blanvalet das Buch übersetzt hat, haben wir 2027 – Oder es wird gar nicht übersetzt wie a Certain Point of View. Ich verstehe die Politik Blanvalets was übersetzungen angeht nicht. Panini bekommt es ja auch hin. Da muss sich in sehr naher Zukunft mal was ändern…
Werde für die Kanon-Romane auch auf Englisch umsteigen, weil ich würde die Bücher gerne lesen ohne Jahre warten zu müssen und in der zwischenzeit schon jeden Twist gespoilert zu bekommen. Und ja ich kann bestätigen, je mehr man auf Englisch ließt, desto einfacher kommt man damit klar, aber ich kann da nur für mich selbst sprechen.
Aber dein Vokabular wird ja auch mit jedem gelesenen Buch besser und du musst im Laufe der Zeit immer weniger nachschlagen.
Die Umstellung ist natürlich etwas anstrengender in der ersten Zeit aber es lohnt sich.
Ach Mist. Das war ja leider zu befürchten. Ich hatte aber nach den ersten Ankündigungen auf sowas wie es Blutlinie für Leia war jetzt für Luke gehofft. Und, dass es irgendwie gelingt diese unsägliche Sequelgesamtstory doch noch zu einem etwas runderen Ganzen zu verhelfen (okay vielleicht eine unrealistische Hoffnung). Schade. Klingt leider nach einer vertanen Chance. Irgendwie ist die Zeit vor VIII halt auch kaputt. Was soll man da noch groß erzählen, was die alten Figuren angeht. Nur abseits mit neuen Figuren wie Mando und Grogu geht noch was. Und an die Zeit nach IX wird sich auch nicht rangetraut. Vermutlich befürchten sie zurecht, dass das eh keinen mehr interessiert…