Rezension: Star Wars Comic-Kollektion, Band 107: Legacy II: Gesucht: Ania Solo

Gesucht: Ania Solo – im englischen Original Wanted: Ania Solo –  ist der dritte und letzte Teil der deutschsprachigen Ausgaben der Legacy II-Reihe aus der Star Wars Comic-Kollektion. Im englischen Original erschien die Handlung in zwei voneinander getrennten Geschichten, Wanted: Ania Solo und Empire of One (in der deutschen Übersetzung Die letzte Schlacht). Die Mitwirkenden sind dieselben wie beim vorangegangenen Band 99: Legacy II: Planet des Todes, Corinna Bechko und Gabriel Hardman als Autorenduo, Brian Albert Thies als Zeichner und Michael Nagula als Übersetzer. Auch das Cover stammt erneut aus der Feder Augustin Alessios. Der Band erschien am 03.11.2020 als Hardcover bei Panini.

Handlung

Der Comic beginnt mit der Szene einer mysteriösen Kopfgeldjägerin, die auf der Suche nach Ania Solo ist, zunächst aber nicht weiter vorgestellt wird. Der Leser erfährt ein paar Seiten darauf, dass Ania Solo – irrtümlich, wie sich später herausstellen soll – wegen der Ermordung eines Imperialen Ritters zur Fahndung ausgeschrieben ist. Dies bringt sie selbstverständlich in eine unangenehme Konfliktsituation mit Jao Assam, der selbst ein Imperialer Ritter ist. Auf den nachfolgenden Seiten begleitet der Leser Solo dabei, wie sie von einer zweiten Kopfgeldjägergruppe gewaltsam verschleppt wird, und ihre Verbündeten Jao Assam, Sauk sowie den Attentäterdroiden AG-37 dabei, wie sie zu einer Rettungsmission aufbrechen. Nach einigen emotionalen Szenen mit dem Anführer des zweiten Kopfgeldjägertrupps, der sich als Solos einstiger Liebhaber Ramid herausstellt, und einem Kampf zwischen Assam und der mysteriösen Kopfgeldjägerin, die sich als Solos ehemalige Gefängnisaufseherin aus Kriegszeiten zu erkennen gibt, gelingt es der Gruppe zwar, die Feinde zurückzuschlagen, doch werden sie allesamt von einer Einheit imperialer Sturmtruppen gefangengenommen. Zurück auf Coruscant gelingt es Assam zu beweisen, dass Solo unschuldig ist und den ihr vorgeworfenen Mord nicht begangen hat; er selbst wird jedoch unter Arrest gestellt, weil nach wie vor ein Haftbefehl wegen Desertion gegen ihn aussteht. Das letzte Drittel des Comics, das im englischen Original der Geschichte Die letzte Schlacht entspricht, begleitet Solo dabei, wie sie von Imperatorin Marasiah Fel auf eine geheime Mission entsandt wird, während in einem zweiten Handlungsstrang Assam von dem antagonistischen Sith-Lord Darth Wredd befreit wird, der ihn von seinen Wegen zu überzeugen versucht. Die Geschichte endet mit einer großen Entscheidungsschlacht zwischen den verbliebenen Sith-Kriegern und einer Armee Imperialer Ritter unter Führung Imperatorin Fels, wobei die Sith sowie Darth Wredd erfolgreich vernichtet werden können.

Beim Lesen der Handlung war ich den größten Teil des Comics über positiv und in spannungsvoller Stimmung gestimmt. Gesucht: Ania Solo hinterlässt keine offenen Enden und ist logisch aufeinander abgestimmt. Der Leser erfährt die Hintergründe, die zu den Handlungen der einzelnen Charaktere führen (dazu im nächsten Abschnitt mehr), die Geschichte wird zu einem Schluss geführt, den zumindest ich persönlich stimmig fand (es wäre merkwürdig gewesen, wenn Solo das Angebot, Hauptmann der kaiserlichen Garde zu werden, angenommen hätte, denn diese Art der Einordnung in eine militärische Organisationsform hätte charakterlich schlicht nicht zu ihr gepasst), und es werden nicht zuviele Handlungsstränge gleichzeitig bedient.

Wer diesen Legacy-Band liest, der muss dabei eine Sache stets im Hinterkopf behalten: Es handelt sich hierbei um die chronologisch allerletzte Geschichte aus dem Star Wars Legends-Universum. Gesucht: Ania Solo (bzw. Die letzte Schlacht) schließt also mit Legacy II nicht nur irgendeine beliebige Comicreihe ab, sondern sie setzt einen Schlussstrich hinter das Star Wars-Franchise, wie wir es kennen. Vergnügungslesern mag dies natürlich gleichgültig sein, doch wer voll und ganz in diesem Universum aufgeht und sich dort zuhause fühlt, der kommt nicht umhin, diese Tatsache konstant zu konstatieren. Und vor diesem Hintergrund kann ich für mich sagen, dass hier ein würdiger Abschluss gefunden worden ist, der dem gerecht wird, was wir an Romanen und Comics sonst so gewohnt sind. Die aller letzte Seite schließt damit, dass Solo und ihre Verbündeten in eine Schießerei geraten (eine Seite davor dürfen wir im Übrigen in einem erfreulichen Gastauftritt auch Cade Skywalker, Deliah Blue und Jariah Syn verabschieden), und der Aussage „Offenbar haben wir uns Ärger eingehandelt.“ Dies ist nicht nur ein Zitat, dass der Ururenkelin Han Solos würdig ist, sondern es fügt sich ein in das von uns so geliebte Universum, in dem eigentlich nie wirklich Ruhe einzukehren scheint und in dem man stets auf der Hut sein muss. Es lässt einen im Übrigen auch darüber nachdenken, was noch alles hätte sein können, wäre das Erweiterte Universum nicht als legendär erklärt worden.

Zwei Dinge, die mich in der Tat leider ein wenig gestört haben: Zum einen die Überproportionalität der letzten Schlacht, die ich zwar als inhaltlichen Abschluss nachvollziehen kann, realistisch gesehen aber für unlogisch halte. Dass sich wortwörtlich alle Sith der gesamten Galaxis zum exakt selben Zeitpunkt zum exakt selben Ort begeben sollen, um einen einzigen Widersacher auszuschalten, und das auch noch deshalb, weil sie auf einen einfachen Taschenspielertrick hereinfallen, das ist ihrer wirklich nicht würdig. Wir sprechen hier immerhin nicht von irgendeiner zweitklassigen Räuberbande, sondern von strategisch denkenden und hinterlistigen Kriegern, die kurz zuvor noch die gesamte Galaxis beherrscht haben. Die restliche Geschichte ist so gut, dass ich über diesen Makel hinwegzusehen bereit bin, aber ein kleines Ärgernis ist er dann doch gewesen. Und die andere Sache, wenn auch eher eine Kleinigkeit: Als der Leser mehr über die Geschichte von AG-37s Beziehung zu Ania Solo erfährt, indem dieser einige Hologramme vorführt, da spult Sauk das Hologramm versehentlich zu weit zurück, woraufhin ein Bild von Han Solo und Chewbacca auftaucht. Das wäre eigentlich eine phantastische Szene, weil hierdurch ein weiteres kleines Brückchen dahin gebaut wird, wo alles angefangen hat; bedauerlicherweise wird sie dadurch kaputtgemacht, dass Sauk die beiden Personen nicht zu erkennen scheint und fragt, wer das denn sei. Dass der Kamerad von Ania Solo (der noch dazu im vorangegangenen Comicband über die Familie Solo sprach, sie also definitiv kennt) noch nie in seinem Leben ein Bild von zwei der allerberühmtesten Personen der galaktischen Geschichte gesehen haben will, finde ich nicht nur ziemlich unrealistisch, sondern auch eine Lappalie, die doch wirklich ärgerlich und bedauerlich gewesen ist. Aber wie zuvor schon: Die Nennung der einen oder anderen negativen Szene gehört immer dazu, der Handlung insgesamt tut sie gleichwohl nur bedingt Abbruch.

Charakterentwicklung

Gesucht: Ania Solo holt das nach, was in den beiden vorangegangenen Bänden leider etwas versäumt worden und nur stiefmütterlich behandelt worden ist, nämlich die Charakterentwicklung. In Gesucht: Ania Solo erfährt der Leser von so gut wie jedem Charakter auf die eine oder andere Weise, weshalb er handelt, wie er handelt. So erfährt man, wie Sauk erstmals Ania Solo kennengelernt hat, und damit automatisch auch etwas über ihre Hilfsbereitschaft.Besonders viel erfährt man interessanterweise über AG-37, der für einen Attentäterdroiden ungewöhnlich fürsorglich, selbstlos und ganz allgemein sympathisch dargestellt wird, wenn er beispielsweise Solo vor dem Säureregen rettet und dabei sein eigenes Gedächtnis riskiert. Eine recht emotionale Entwicklung machen auch Assam und Yalta Val durch, von denen der Leser nicht nur viel über ihre Überzeugungen erfährt, sondern im Falle von Assam diesen auch dabei begleiten darf, wie er mit den durch Darth Wredd an ihn herangetragenen Versuchungen kämpfen muss oder wie er in der Person von Solo lernt, eher dem Menschen selbst zu vertrauen als den Gerüchten über sie.

Marasiah Fel, die in den vorherigen Bänden noch irgendwie der Ruch einer arroganten und hinter verschlossenen Türen handelnden Regentin umgeben hat, spricht nun recht emotional über den inneren Konflikt zwischen ihren Verpflichtungen als Imperatorin und ihren Überzeugungen als Imperialer Ritterin. Auch Solo tritt sie deutlich offener und willkommener gegenüber, sogar deren Verwandtschaftsverhältnis wird kurz thematisiert. Selbst Darth Wredd wird kurz in einem anderen Licht dargestellt – selbstverständlich bleibt er bis zum Schluss der Antagonist der Geschichte, aber die Rückblende in seine Vergangenheit und seine Rechtfertigung nach geschlagener Schlacht schaffen doch zumindest das Fundament für ein kleines bisschen Nachvollziehbarkeit für seine Gedankenwelt. Einzig und allein die Hauptcharakterin ist es leider wieder einmal, bei der nichts Übermäßiges an Weiterentwicklung zu beobachten ist. Das ist an dieser Stelle allerdings gar nicht notwendigerweise negativ gemeint; Solo übermittelt schlicht so ein bisschen den Eindruck, als wäre sie in ihrer Persönlichkeit bereits recht gefestigt, wenn man von der einen emotionalen Szene mit Ramid einmal absieht, in der sie ihre vergangenen Fehler zu Gefangenschaftszeiten rechtfertigt.

Komposition

Die Gesamteinordnung in das Star Wars-Universum als Ganzes einerseits, die ich ja bereits kurz angeschnitten hatte, und die Legacy-Handlung andererseits ist größtenteils gut gelungen. Dass die Entscheidungsschlacht auf wenigen Seiten relativ schnell abgehandelt worden ist, während den weniger wichtigen Auseinandersetzungen aus den vorangegangenen Bänden deutlich mehr Raum eingeräumt wurde, ist zwar etwas schade und vor allem auffällig, dürfte aber eher dem jähen Ende der Comicreihe geschuldet sein, der nicht mehr als drei Hefte für den letzten Handlungsbogen zuließ, während ansonsten fünf üblich sind. Was mir ebenfalls aufgefallen ist, ist, dass kein einziger Sith aus der ersten Legacy-Reihe einen Auftritt gefunden hat. Man fragt sich da als Leser durchaus, was eigentlich aus denen geworden ist. Auch das muss aber nicht notwendigerweise ein Malus sein, weil sie in der Handlung nicht wirklich notwendig waren und demnach auch nicht fehlten.

Ein letztes Wort sei noch zu den Zeichnungen von Brian Albert Thies verloren: Diese gefallen mir sehr gut und passen zur Atmosphäre der Handlung. Ich pflege sowas gerne mit anderen Comics zu vergleichen, und hier musste ich direkt an Union von Michael Stackpole als Gegensatz denken. Da waren Robert Teranishi und Christopher Chukry für die Zeichnungen und die Farbgebung verantwortlich, und obgleich auch in Union ein paar actiongeladene Szenen vorkommen, so ist die Atmosphäre dort aufgrund der ruhigen Zeichnungen und hellen Farben von Geruhsamkeit und Fröhlichkeit geprägt – wie es zu der Hochzeit von Luke Skywalker und Mara Jade schließlich auch passt. Hier im Falle von Gesucht: Ania Solo haben wir eine andere Herangehensweise, die den Nagel aber ebenfalls auf den Kopf trifft, nämlich schnelle, temporeiche Zeichnungen von Brian Albert Thies und allgemein sehr düster und finster gehaltene Farben von Jordan Boyd. Sie vermitteln dem Leser direkt: Hier geht es zur Sache, die Galaxis ist mal wieder in Aufruhr.

Fazit

Gesucht: Ania Solo bietet eine spannende Handlung mit menschlichen, nachvollziehbar agierenden Charakteren und fügt sich angemessen in den Erscheinungskontext ein. Offene Fragen über die Beweggründe einiger Charaktere werden geklärt, andere zeigen sich plötzlich von einer ganz anderen Seite, und Ania Solo bleibt irgendwie Ania Solo, wie es in der realen Welt ja aber genauso vorkommt. Selbstverständlich gibt es die eine oder andere Sache, die man besser hätte machen können, man muss aber immer im Hinterkopf behalten, dass die Erwartungen an den Abschluss einer Geschichte grundsätzlich recht hoch sind, und wenn es dann auch noch um den Abschluss eines ganzen Zeitalters geht, so können diese schlicht unmöglich erfüllt werden; so ist mir die eigentlich ja so bedeutsame Entscheidungsschlacht viel zu hurtig abgewickelt und den Sith (ob man sie nun mag oder nicht) nicht wirklich würdig, und ansonsten gab das da noch die eine oder andere Kleinigkeit. Corinna Bechko und Gabriel Hardman haben hier alles in allem gleichwohl eine würdige, in sich logisch auslaufende Geschichte geschaffen, die hervorragend von der Kunst Brian Albert Thies’ und Jordan Boyds flankiert wird. Die beiden letzten Seiten stimmten mich unfassbar melancholisch, gehören aber zu dem Besten am Comic und fügen sich hervorragend in die Charaktere ein.

Alles in allem bin ich geneigt, Gesucht: Ania Solo vier von fünf Holocrons zu geben.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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