Rezension: Star Wars Icons: Han Solo von Gina McIntyre

Zu Beginn des Monats erschien bei Insight Editions das Sachbuch Star Wars Icons: Han Solo, ein überdimensioniertes „coffee table book“ von Autorin Gina McIntyre, das die Ursprünge, Entwicklung und Einflüsse der Titelfigur im Laufe der über 40-jährigen Franchise-Geschichte erforscht. Eine deutsche Ausgabe ist aktuell nicht in Sicht, daher liefere ich euch heute in Kooperation mit Insight Editions eine Rezension des amerikanischen Originals.

Das Konzept: Hinter Star Wars Icons: Han Solo verbirgt sich ein bildgewaltiges Sachbuch, das eine Mammutaufgabe vor sich hat – alle Facetten von Han Solo auf rund 240 Seiten einzufangen. Dabei stehen die Illustrationen im Vordergrund – Konzeptskizzen, Setfotos, Filmbilder, Buchcover, Comic-Panels (oder sogar ganze Seiten), Fotos von Merchandise und vieles mehr. Dabei muss ich ausdrücklich die Recherchearbeit loben, die in die Selektion dieses Bildmaterials gesteckt wurde. Von „Pflichtmaterial“ wie die bekannten Arbeiten der Filmdesigner wie Ralph McQuarrie oder John Mollo über Obskuritäten wie Zeitungs-Comicstrips, Promo-Sticker aus den 70ern oder ungarische Cover-Artworks bis hin zu den Romanen des Erweiterten Universums ist wirklich alles enthalten. Ein solcher Sticker ist dabei sogar als echter Aufkleber originalgetreu reproduziert worden; ähnlich wie ein klassisches Lesezeichen, das man mit etwas Sorgfalt (und der nötigen Prise Wahnsinn) aus dem Buch heraustrennen könnte.

© 2018 Insight Editions & Lucasfilm. Used under authorization.

Das Buchdesign: Selten habe ich ein Buchdesign gesehen, das sich so im Einklang mit dem Konzept befindet. Es gibt so zum Beispiel Ausklappseiten, die komplette Kostüm-Fotoshootings mit Harrison Ford in ganzseitiger Ziehharmonikaform wiedergeben, oder wegklappbare Konzeptskizzen auf einer Art halbtransparentem Pauspapier, die wiederum über die fertigen Kostümdesigns aus den Filmen gelegt sind, um so eine Entwicklung vom Konzept zur fertigen Filmfigur zu veranschaulichen. Dank des Überformats kommen z.B. selten gesehene Buch- und Comiccover in einem größeren Format zur Geltung als sie es z.B. in einer regulären Comicausgabe oder Hardcover-Roman täten. Auch das Cover von Icons: Han Solo selbst muss ich loben – entfernt man die (etwas unnötige) rote Falthülle mit dem Titeldesign, sieht man auf dem Umschlag in insgesamt 70 kleinen „Frames“ bereits Bilder aus allen Epochen der Figur – klassische Trilogie, Merch, Legends, Kanon, Das Erwachen der Macht und Solo: A Star Wars Story. Allein das Cover erzählt bereits eine Geschichte! Als kleiner Bonus ist am Ende noch ein Umschlag mit einem Kunstdruck eines alternativen Solo-Posterdesigns von Vincent Jenkins enthalten.

Ein Buch für alles: Star Wars Icons: Han Solo strebt eine holistische Darstellung der Figur an. Wie bereits im Absatz zuvor erwähnt, wird keine Facette ausgelassen. Es machte Spaß, dass neben Filmemachern wie Ron Howard oder J.J. Abrams auch Autoren wie Timothy Zahn, Chuck Wendig, Tom Veitch, Marjorie Liu, Greg Rucka oder R.A. Salvatore oder Story-Group-Mitglieder wie Pablo Hidalgo zu Wort kamen und sich auch ausgiebig zu einzelnen Romanen, Comics und RPG-Abenteuern äußern durften. Zwar benutzt Gina McIntyre auch einige altbekannte Interviews – gerade bei verstorbenen Akteuren aus Han Solos Entstehungsgeschichte ist dies nicht vermeidbar – doch es wurden auch gut zwei Dutzend Personen frisch interviewt, um den Text anzureichern. Neben den bereits erwähnten Autoren gehören dazu auch die beiden Han-Schauspieler Harrison Ford und Alden Ehrenreich, aber auch die Macher von Battlefront, Doug Chiang, Jeremy Bulloch oder Dave Filoni. Dieser holistische Ansatz sorgt zwar dafür, dass keine Facette ausgelassen wird, doch zugleich wird vieles nur oberflächlich berührt. Dennoch schafft McIntyre es, in jedem Bereich – z.B. Kanon-Literatur oder Legends-Romane – Akzente zu setzen und einzelne Werke beispielhaft hervorzuheben, z.B. Vector Prime, Brian Daleys Romane und Filmhörspiele, Marvels klassische Comicabenteuer oder Aftermath: Life Debt. So wird z.B. wunderbar klar, wie sich gerade im Verlagswesen im Laufe der Jahrzehnte – und ganz klar zwischen Legends und Kanon – verschiedene Interpretationen von Han Solo ergeben haben.

Es bleibt vage: Wenn man sich von diesem Buch allerdings erhofft, einen tieferen Einblick in die Dreharbeiten und Entstehung von Solo: A Star Wars Story zu liefern, so ist man hier definitiv falsch. Tatsächlich kann man sich anhand von EW-Artikeln und dem Buch The Art of Solo ein umfassenderes Bild machen. In puncto Solo fokussiert McIntyre sich stark auf die Person Alden Ehrenreichs und die erzählerischen Entscheidungen der Kasdans. Indes liefert J.J. Abrams (gemeinsam mit Lawrence Kasdan) ein paar interessante neue Zitate zur Genese von Han Solos Geschichte in Das Erwachen der Macht, die ich so noch nicht gelesen hatte, die sich aber gut ins Gesamtbild dessen einfügen, was wir bereits über die Entstehung jenes Films wissen.

© 2018 Insight Editions & Lucasfilm. Used under authorization.

Inhaltliche Stärken: Da mich persönlich die Filmproduktion allerdings generell weniger interessiert, fand ich das auch gar nicht so schlimm; dafür haben mich die drei Kapitel zu den Legends (unterteilt in Romane, Comics und RPG), das Kapitel zur Kanon-Literatur und auch das überraschende Kapitel über Film- und Serienfiguren, die auf Han Solo basieren, mehr abgeholt. Es hatte schon irgendwas Cooles, Figuren aus dem Marvel Cinematic Universe oder auch aus Serien wie Firefly in einem Star Wars-Buch erwähnt und abgebildet zu sehen. Auch das gelingt McIntyre – sie geht auf die popkulturelle Bedeutung und Verwertung der Han-Solo-Figur ein und macht dabei auch vor der „Han shot first“-Thematik nicht halt (man könnte es auch „Kontroverse“ nennen, aber mal im Ernst, wen interessiert dieses Thema heute noch so, dass es kontrovers wäre?). Auf Seiten der Filmproduktion war es immerhin schön, auch Hans ursprünglich angedachten Auftritt in Episode III thematisiert zu sehen.

Unnötige Schönheitsfehler: Etwas, das mich beim Lesen des Buchs immer wieder geärgert hatte, war das etwas schlampige Lektorat. Zwar haben McIntyre, die beteiligten Redakteure und Lucasfilm viel Recherchearbeit geleistet, um eine kohärente Geschichte über Han Solo zu erzählen, und natürlich schleichen sich in jedes Buch kleinere Fehler ein, aber teils häuften sie sich so, dass es mich ärgerte. Der englische Titel von Episode V wird so auf derselben Seite zweimal als „The Emperor [sic] Strikes Back“ angegeben, oder Comichefte werden auf die falschen Jahre datiert (nein, Kieron Gillens Star Wars #44 ist nicht 2015 erschienen) oder Han Solo kehrt in der Aftermath-Trilogie zu Leia nach Coruscant (!) zurück anstatt – wie es eigentlich sein sollte – nach Hosnian Prime. Das sind zwar kleinere Makel, aber liest man die lange Liste der Redakteure und anderer Beteiligter im Impressum, durch deren Hände das Manuskript gegangen ist, hätte das auffallen müssen.

Fazit: Star Wars Icons: Han Solo liefert für Fans jener Figur eine wunderbare, allumfassende Retrospektive, die anhand gut selektierter Quellen und eigener Interviewarbeit sowie fantastischer Foto- und Kunstrecherchearbeit der Archivare von Lucasfilm gut zu unterhalten weiß. Vieles war mir beim Lesen zwar bereits bekannt, aber ich konnte dennoch – tatsächlich gerade im Bereich der Literatur! – durch die Aussagen der Macher und Pablo Hidalgos neue Perspektiven auf Han Solo und seine Darstellung gewinnen. Das absolute Highlight dieses Buchs ist und bleibt aber die Bildgewalt, mit der es uns durch die über 42-jährige Geschichte der Figur führt. Ich hoffe, Insight Editions darf dieses wertige Format auch mit anderen ikonischen Star Wars-Helden (und -Schurken!) fortführen.

Wir danken Insight Editions für die großzügige Bereitstellung des Rezensionsexemplars und der Vorschauseiten, und besonders für die extreme Geduld, die der Verlag mit uns hatte, als ein Logistikunternehmen hierzulande wiederholt Ärger bei der Zustellung machte. Weiterer Dank ergeht an Michael Siglain von Lucasfilm Publishing.

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