James Luceno über den Schreibprozess von Tarkin

Roqoo Depot hat den Autor James Luceno über den Schreibprozess seines Kanonromans Star Wars: Tarkin ausgefragt, der am 4. November 2014 bei Del Rey erscheinen wird.

Tarkin von James Luceno (04.11.2014)
Tarkin von James Luceno (04.11.2014)
Was hat dich dazu bewegt, dir Tarkin als Fokus deines nächsten Star Wars-Buches auszuwählen?
Also eigentlich kam man mit Tarkin zu mir. Zunächst machte ich mir Sorgen, dass Gelegenheitsfans sich nicht an den Namen der Figur erinnern würden, die den Todesstern kommandierte, auch wenn Peter Cushing in der Rolle einen hohen Wiedererkennungswert hat. Dennoch ergriff ich die Gelegenheit, die sich mir bot. Tarkin war für mich immer genauso ein Symbol des Imperiums wie der Todesstern selbst. Ich liebte seine beiläufig sarkastische Erwiderung auf Prinzessin Leias Sprechzeile von wegen sie hätte Tarkins „fauligen Gestank“ schon gerochen, als man sie an Bord der Kampfstation brachte. „Charmant bis zuletzt“, erwidert er. „Wenn Sie wüssten, wie ungern ich Ihr Todesurteil unterzeichnet habe.“ Genauso sehr faszinierte mich Tarkins Beziehung zu Vader, den wir im ersten Film nur als den Dunklen Lord der Sith kennen. Mir kam es nicht so vor, als würde Tarkin Vader an der Leine halten, sondern eher, als wäre er ihm gleichrangig in der imperialen Befehlskette, und ich fragte mich, wie das wohl zustande kam. Doch trotz all seiner gnadenlosen Selbstsicherheit ist Tarkin schockiert, dass Leia ihn bezüglich der Lage der Rebellenbasis angelogen hat, und in seinen letzten Momenten weigert er sich – zumindest nach außen hin – einzugestehen, dass der Todesstern, der genauso sehr sein Projekt wie das des Imperators war, einen tödlichen Fehler enthält.

Die ganze Geschichte über schwingt das Thema der Jagd immer mit. Tarkin wird von seinem Überlebenstraining in der Wildnis Eriadus und den dort gelernten Lektionen geformt, vor allem die Kunst und Natur dessen, zu jagen und gejagt zu werden. Er sieht sich selbst als Raubtier und seine Gegner als Beute. Die Handlung schickt ihn sogar auf die Jagd auf eine Gruppe von Dissidenten. Wieso hast du dieses grundlegende Thema für Tarkin gewählt?
Tarkin ist kein Sith, aber seine Geringschätzung für das Leben und sein Wunsch, der Galaxis den eigenen Willen aufzuzwingen, ordnen ihn bei der dunklen Seite ein. Während ein Jedi die Natur als die reinste Reflektion der Macht als bindende, universelle Kraft betrachten würde, wird Tarkin gelehrt, das Leben als immerwährenden Kampf ums Überleben zu betrachten. Wo man von einem Jedi erwartet, dass er oder sie in den Fluss des Lebens eintaucht, sieht Tarkin diesen Kreislauf von Leben und Tod als Falle. Der Filmemacher Werner Herzog hatte ein paar tolle Dinge über diesen Aspekt der Natur in seinen Tagebüchern geschrieben, die er führte, als er während des Drehs von Aguirre, der Zorn Gottes und Fitzcarraldo im peruanischen Regenwald lebte. Bezüglich des Dschungels schreibt er, dass es zwar eine gewisse Harmonie gibt, aber dass es eine Harmonie „überwältigenden und kollektiven Mordes“ ist und dass er den Dschungel wohl nur wider besseres Wissen liebt. In so einer gottlosen – oder Macht-losen – Sphäre kann man nur entkommen, indem man sich an die Spitze der Nahrungskette hochkämpft und tut, was auch immer nötig ist, um dort zu verweilen. Die Schwächeren müssen dann mit Gesetzen kontrolliert werden; rohe Gewalt und Herrschaft durch Angst sind die einzigen angemessenen Antworten auf Chaos. Wäre Tarkin von einem einfühlsamen Sklaven auf Tatooine anstatt von einem Leuteschinder auf Eriadu aufgezogen worden, währe er vielleicht eher Spartacus geworden anstatt das Star Wars-Gegenstück zu Himmler oder Göring.

Palpatine, Tarkin und Dooku nutzen alle ihre Nachnamen anstatt ihrer Vornamen. Wie siehst du diese Anomalie?
Außer bei seinen engsten Freunden ist Palpatine auf eigenen Wunsch einnamig, Tarkin wird selten ohne seine Ehrentitel „Gouverneur“ oder „Moff“ angesprochen und Dooku trägt mit stolz seinen Titel „Count.“ Es fällt leicht, all dies als einfache stilistische Entscheidung abzutun, aber vielleicht geht das auf ein Thema zurück, das auch im Roman angesprochen wird, nämlich, „überlebensgroß“ zu sein. In unserer Kultur haben Unterhaltungskünstler wie Madonna, Sting und Prince sich neue Namen geschaffen; andere, wie Cher und Liberace, haben den Gebrauch ihrer echten Namen erhöht, und wieder andere – Einstein, Manson, Bogart – haben auch einen einnamigen Status erhalten. Da sie sich selbst als überlegen, als überlebensgroß sahen, wuchsen Palpatine, Tarkin und Dooku zu aufgeblähten Versionen ihrer selbst und mussten ihren Divastatus von allen anderen anerkannt bekommen.

Gab es irgendeine Vorlage für Tarkins Großonkel Jova? Von allen Charakteren im Buch kann man ihn am besten zitieren.
Jova ist eine Mischung aus mehreren Leuten, die ich traf, während ich Afrika und den amerikanischen Kontinent bereiste. Er hat besonders viel von einem in Guatemala lebenden Belizer, den ich auf langen Wanderungen und Jagden durch den Wald begleitete. Er setzte seine Machete gegen jedes giftige Tier – egal ob Schlange, Spinne oder Skorpion – ein, dem wir begegneten, selbst gegen jene, die keine Bedrohung darstellten. Abgesehen davon, dass er mich für etwas tadelte, das er als Tendenz, „meine Reise zu beschleunigen“ erachtete, sagte er mir: „Lass deine potentiellen Feinde herumliegen und eines Morgens wirst du mit Reißzähnen in deiner Kehle aufwachen.“

Über den Todesstern wurde ja bereits sehr viel geschrieben. Wie viel der bereits vorhandenen Geschichte hast du verwendet und wie viel hast du für dieses Buch verändert oder erfunden?
Ich habe Ryder Windhams Death Star Owner’s Technical Manual und viele anderen Quellen konsultiert. Aber ich habe schon recht früh beschlossen, dass die Geschichte sich nicht auf die Kampfstation konzentrieren würde; stattdessen sollte der im Bau befindliche Todesstern eine nebulöse Bedrohung bleiben, die im HIntergrund lauerte. Ich diskutierte mit der Lucasfilm Story Group darüber, wie weit der Bau der Station fünf Jahre nach Ende der Klonkriege schon fortgeschritten war und wo genau die Konstruktion stattfand. Die Verwendung von Sklavenarbeitern und die diversen Waffensysteme der Kampfstation waren bereits etabliert, aber ich bediente mich an einer Folge von The Clone Wars, um auf die Energiequelle des Superlasers anzuspielen. Basierend auf der Lage der Baustelle entwarf ich Nachschubrouten sowie Sicherheitsstützpunkte und Rangieranlagen, ebenso wie eine Vorgeschichte darüber, wer das Projekt geleitet hat und wann, um Tarkins Beförderung vorzubereiten.

Wie empfandest du die Zusammenarbeit mit der neuen Lucasfilm Story Group?
Ich habe anderswo erwähnt, dass das Schreiben ein sehr einsamer Beruf sein kann, und dass ich jede Gelegenheit wertschätze, bei der ich mit anderen Leuten, die bei dem Projekt genauso eifrig mit dabei sind wie ich, zusammenarbeiten und Ideen austauschen kann. Diesmal musste man nicht nur die Geschichte abwägen, die ich erzählen wollte, sondern ein großer Teil der Diskussionen konzentrierte sich darauf, wie man vorgehen wollte, wenn man nun die sogenannten „Dunklen Zeiten“ für die Erkundung in Romanen, Animationsserien und Sachbüchern freigibt. Sie waren für meine Ideen sehr offen und ich nutzte auch viele ihrer Ideen. Ich möchte besonders Pablo Hidalgo lobend erwähnen, der vorschlug, dass ich Tarkin einen Hintergrund als „Kolonialbürger“ soll. Während des gesamten Planungsprozesses und nach der Einreichung meiner ersten Arbeitsfassung hielt die Story Group mich auf Kurs, sozusagen, und zügelten mich, wenn ich zu viele Querverweise und zu viel Exposition einbauen wollte.

Tarkin ist zwar kein direkter Nachfolger, baut aber auf den Legenden auf, die in deinem letzten Buch Darth Plagueis etabliert wurden. In Darth Plagueis sahen wir den Sieg der dunklen Seite über die Jedi und die Geburt des Imperiums. In Tarkin sehen wir, wie das Imperium und die dunkle Seite ihren Rhythmus finden. Dennoch wird angedeutet, dass es noch viel zu tun gibt. Glaubst du, dass es noch Raum für einen dritten Teil dieser Saga über die dunkle Seite und das Imperium gibt?
Fünf Jahre nach dem Krieg festigt der Imperator immer noch seine Macht, vergewissert sich Loyalitäten und entscheidet, wem man die Amtsgeschäfte des Imperiums anvertrauen kann, während er sich darum kümmert, die Macht der dunklen Seite auf eine Art und Weise zu erweitern, die noch erzählt werden muss. Während der Fokus in Darth Plagueis auf ökonomischer und politischer Manipulation lag, liegt der Fokus in Tarkin auf militärischer Macht. Ich denke, die Leser könnten von Tarkin zu A New Dawn und Rebels und dann direkt zu Eine neue Hoffnung springen. Aber ich denke, es gibt noch Raum für einen dritten Teil – eine letzte Stufe, die sich auf die Erlangung der ultimativen metaphysischen Macht konzentriert. Der Imperator ist direkt vor den Ereignissen in Eine neue Hoffnung kurz davor, eben diese zu erreichen. Selbstsicher löst er den Senat auf und gibt Gouverneur Tarkin die Befugnis, den Todesstern in Betrieb zu nehmen – nur um im letzten Moment von der Enthüllung der Existenz Luke Skywalkers, dem Sohn des Auserwählten, einen Strich durch die Rechnung gemacht zu bekommen. Die Macht hat endlich zurückgeschlagen. Aber während der Imperator überzeugt ist, dass der Endkampf zwischen Licht und Dunkelheit in einer übernatürlichen Dimension geführt werden muss, wird die Schlacht letztendlich im menschlichen Herzen gewonnen.

Unsere Vorab-Rezension von Tarkin findet ihr hier. Ihr könnt den Roman hier¹ vorbestellen.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar