John Jackson Miller: Interview über A New Dawn & Disney

Newsarama hat John Jackson Miller auf der San Diego Comic-Con über seinen neuen Roman A New Dawn interviewt, der offiziell am 2. September 2014 erscheint und auf der SDCC auch als besondere Vorabausgabe erhältlich war.

Hinweis: Das nachfolgende John-Jackson-Miller-Interview enthält leichte Spoiler zum ersten Kapitel von A New Dawn! Es beschäftigt sich darüber hinaus mit dem Entstehungsprozess von A New Dawn, seinem letzten SWEU-Roman Kenobi, seinen anderen Star Wars-Werken wie z.B. Knights of the Old Republic und der Gestaltung des neuen Lucasfilm/Disney-Kanons.

Star Wars: A New Dawn
A New Dawn von John Jackson Miller (02.09.2014)
Also, John, wie fühlt man sich als Autor der ersten offiziellen Star Wars-Geschichte, die unter Disney veröffentlicht wurde?
Nun, es ist wichtig, erst einmal klarzustellen, was wir hier machen. Star Wars: A New Dawn ist das erste Werk, das als Produkt der Lucasfilm Story Group erscheint. Das ist eine Zusammenarbeit der Leute, die an den Filmen oder den TV-Serien wie Rebels arbeiten sowie der Buch- und Comicleute mit den Lizenznehmern. Damit wird beabsichtigt, dass alle [Kontinuitäts-]Konflikte früh genug behoben werden können, bevor sie ein Problem werden.

Mein Roman spielt beispielsweise mehrere Jahre vor dem Anfang von der Fernsehserie Star Wars Rebels. Ich arbeitete mit Dave Filoni und Greg Weisman und Simon Kinberg zusammen – bei Dave durch Telefonkonferenzen und bei den anderen via E-Mail – um sicherzustellen, dass meine Darstellung beider Figuren, die im Roman und in der Serie auftauchen, Kanan und Hera, so ist, wie sie zu diesem Zeitpunkt sein sollte. aber ich wollte auch einen Sinn dafür bekommen, in welchem Zustand die Galaxis ihrer Meinung nach in dieser Zeit war. Denn wenn wir es so machen, dass sie sich diese Sachen vorher anschauen können, vermeiden wir alle möglichen Probleme. Nehmen wir an, ich würde sagen: „Hey, ich verpasse Kanan für den Rest der Serie eine Augenklappe!“ Nun, dann könnten sie mir sagen: „Nein, tu das nicht. Er hat in unserer TV-Serie keine Augenklappe.“ Das ist also das, was wir hier erreichen möchten.

Wir haben in den vergangenen Jahren all diese Bücher und Comics und mehr gemacht, aber der Produktionszeitraum und die Abläufe bei den Comics unterschieden sich von denem beim Fernsehen, die sich wiederum von den Filmen unterschieden. Bei Tie-In-Fiktion müssen wir sicherstellen, dass sie das übergeordnete Projekt unterstützt. Wir wollen niemanden in eine Ecke schreiben. Wir schreiben zur Unterstützung, nicht zur Unterdrückung der Kreativität anderer. Ich würde es hassen, wenn eine meiner Geschichten jemand anderen daran hindern würde, seinen Film, Comic, Roman oder seine TV-Serienfolge zum bestmöglichen Produkt zu machen.

Sonderband #71: KOTOR IX: Krieg
Sonderband #71: Knights of the Old Republic IX: Krieg (18.12.2012)
Du hast für die Welt, die vormals als Erweitertes Universum bekannt gewesen war, viele Jahre lang sowohl Comics als auch Romane beigesteuert. Was hat diese Veränderung für dich bedeutet und inwiefern unterscheidet sich deine jetzige Arbeit von deiner Arbeit am EU, wo der Kanon nicht die Hauptsorge war.
Also naja, auch damals wollten wir schon sichergehen, dass alles miteinander interagiert. Ich habe bei jeder Lizenz, an der ich gearbeitet habe, ob das nun Star Wars oder Star Trek (woran ich nun arbeiten werde) oder Mass Effect und sogar Conan… nun, ich habe immer versucht, meinen Fußabdruck in dieser Welt in Grenzen zu halten. Ich behandle Lizenzen so als wären sie Nationalparks – ich versuche, keinen Müll darin zu hinterlassen, der späteren Besuchern das Leben schwer macht. [Er lacht.] Ich will ihnen nicht die Arbeit verderben.

Also unterscheidet sich das für mich nicht so sehr. Schaut euch mal die Themen der Star Wars-Bücher und -Comics an, die ich geschrieben haben. Allein bei diesen besteht schon eine Art Kontinuität, soweit es mich betrifft. Star Wars: A New Dawn handelt von einem Jedi-Schüler, der im Rahmen der Order 66 seinen Halt verliert. Er hat keine Meisterin mehr, er hat kein Ziel, er weiß nicht, was er tuin soll. Geschichten von Jedi, die vom Orden abgeschnitten werden, schreibe ich schon seit Jahren: die Comicserie Knights of the Old Republic mit Zayne, Comics und Romane zu Knight Errant mit Kerra Holt. Sogar bei Der Vergessene Stamm der Sith gab es einen Abschnitt mit einem ausgestoßenen Jedi. Dann natürlich [der Roman] Kenobi, bei dem es komplett um den gewissermaßen wichtigsten Jedi ging, der je vom Orden abgeschnitten wurde.

A New Dawn passt also da hinein. Das war für mich immer schon eines der interessanteren Gebiete, das ich gerne erkunden wollte. Ja, es gibt zwar eine Unterscheidung zwischen dem, was bisher gekommen ist, und dem, was es von nun an geben wird… die letzte Zeile von Kenobi ist die erste Zeile von A New Dawn. Das ist etwas, das ich für die Leser betonen möchte; soweit es mich betrifft, ist es alles immer noch Star Wars, es ist alles noch Teil eines Ganzen.

Ich glaube wirklich, dass es ein Fehler ist, dass manche Leute das Kanon/Nicht-Kanon-Spiel spielen. Bei der Ankündigung wurde gesagt, dass das bisherige Material nicht auf den Mülll kommt, sondern dass man sich daraus bedienen würde – es soll Inspirationen und Ideen liefern. Die Planeten sind dieselben; die Spezies sind dieselben. Wisst ihr, die Rebels-Serie nutzt denselben Hersteller für die TIE-Jäger, der vor Jahren im Rollenspielmaterial eingeführt worden war. Mein Buch dreht sich um ein chemisches Gemisch, das ich vor Jahren in KOTOR eingeführt habe! Es ist dasselbe Universum.

Auf den Titelbildern des bisherigen Materials wird das Wort „Legends“ stehen und da muss man eine Sache verstehen: Legenden können wahr sein, entweder teilweise oder ganz. Sie inspirieren, sie sind so wie die Geschichte von König Artus – Teile davon, kleine Stücke hier und da, sind wahr.

Kenobi
Kenobi (Star Wars Legends) (29.07.2014)
Und das habe ich beim Lesen von Kenobi gemerkt – es hat sich wie eine volkstümliche Erzählung gelesen; es gab keine Kontinuität, in die man den Roman einpassen musste, denn es konnte entweder so geschehen sein oder nicht, die Ereignisse könnten über die Jahre hinweg weitererzählt worden sein.
Ja, ja, denn so weit es mich betrifft ist der einzige Unterschied zwischen dem Kenobi-Hardcover und dem Kenobi-Taschenbuch dieses eine Wort, „Legends“, und dass das Taschenbuch ein kleineres Format hat. [Er lacht.]

Also, lass uns etwas über A New Dawn reden und darüber, ins Rebels-Universum einzutauchen. Ich durfte den Rebels-Pilotfilm diese Woche sehen und ich fand es sehr interessant, dass der Pilotfilm sofort mit dem Hauptteam loslegt; abgesehen vom neuen Rekruten Ezra war das Team offensichtlich schon eine Weile zusammen und arbeitet wirklich gut als Einheit. Dein Roman spult die Zeit also etwas zurück – wieso ist es interessant, in diese Vergangenheit zu blicken, und was kann sie in der „Gegenwart“ der Serie hervorheben?
Also, was wir hier sehen ist quasi das Gegenteil der gut geölten Maschine. Das Buch spielt mehrere Jahre vor Rebels und zeigt die erste Begegnung von Kanan und Hera. Aber zu diesem Zeitpunkt wollte Kanan absolut gar nichts mit Rebellionen oder Aufständen oder irgendwas in der Art zu tun haben. Und Hera glaubt nicht, dass er für die Sache bereit ist!

Dasselbe gilt auch für die anderen Figuren, die in das Dilemma in unserer Handlung gezogen werden. Ich habe viele Male gesagt, dass der Eckstein von Alan Dean Fosters viele Jahre zurückliegender Krieg der Sterne-Adaptation im Prolog zu finden ist, wo Prinzessin Leia sagt: „Sie waren am falschen Ort zur falschen Zeit und natürlich wurden sie zu Helden.“ Diese Figuren sind alle am falschen Ort zur falschen Zeit – sie wollen nichts miteinander zu tun haben. Hera wollte in dieser Situation nicht mit diesen Leuten zu tun haben. Kanan erst recht nicht – seine Anweisung von Obi-Wan, dieses kleine Stück Anweisung, das er hat, besagt, dass er unauffällig bleiben und sich nicht erwischen lassen soll! Er hat das also hinter sich gelassen. Er will seine Arbeit machen, Geld verdienen und Spaß haben. Er hofft nur auf eine gute Zeit.

Du hast auf die Tatsache hingewiesen, dass viele deiner Geschichten diese Ronin-Idee haben, der meisterlose Samurai, der wandernde Krieger. Was ist so ansprechend an dieser Idee, dass du sie immer wieder aufgreifst?
Nun, hier bei Star Wars wird daraus eine einzige, menschliche Geschichte, die alles auf eine Person konzentriert. Es ist so einfach, von der kolossalen Welt da draußen überwältigt zu werden, von der Galaxis in ihrer Gesamtheit. Ich denke, das ist der Punkt, bei dem Leute, die ihre eigene Fiktion schreiben, oft auf Probleme stoßen. Sie konzentrieren sich so sehr auf den Aufbau ihrer Welt, auf eine prachtvolle Oberfläche, auf das Detail ihres massiven Universums, dass sie vergessen, sich auf das Individuum zu konzentrieren.

Ja, hier in A New Dawn konzentrieren wir uns auf diese archetypische Figur Kanan, der ein Mann ohne Lebenssinn ist, aber wir haben auch ein paar andere Figuren, die einfach nur ganz normale Leute sind, die in der imperialen Maschinerie feststecken.

Das ist eine weitere große Attraktion, die dieses Buch mir bat – ich durchte über die imperiale Maschinerie in einer Zeit schreiben, in der sie erst richtig hochfährt. Ich durfte die logistischen Probleme thematisieren, die bewältigt werden müssen. Wie wuchs das Imperium von einer Republik, die mehr einer Handelsorganisation glich, zu dieser Monstrosität, die tausende Sternenzerstörer und andere Kriegsschiffe ausspuckt? Wie hat es sich die nötige Arbeitskraft und die Industrieressourcen beschaft? Wie hat sich das auf die Individuen ausgewirkt?

Wir sehen diese Vorgänge definitiv aus der Perspektive der unteren Schichten. Wir sehen sie aus der Perspektive der Arbeiter; Kanan ist einer von ihnen. Wir sehen sie aus der Perspektive eines imperialen Captains und dem eines Schergen des Imperators, dessen Aufgabe es ist, alles zu organisieren. Der Bösewicht der Geschichte ist Count Vidian, der Effizienzexperte des Imperators. Man kann sich vorstellen, wie es ist, wenn dieser Typ in die eigene Heimatstadt kommt.

Was war für dich ganz neu an diesem Buch im Bezug auf Star Wars?

<a href="https://jedi-bibliothek.de/datenbank/literatur/empire-35/"><em>Empire #35: A Model Officer</em></a>
Empire #35: A Model Officer (07.09.2005)
Nun, ich habe noch kein Werk geschrieben, das später in der Chronologie angesiedelt ist, mit der Ausnahme meines allerersten Comicheftes für Dark Horse, welches eine Darth-Vader-Geschichte zwischen Eine neue Hoffnung und Das Imperium schlägt zurück war. Später findet keines meiner Werke statt. Also wie ich schon sagte durfte ich mir das Imperium mal wirklich anschauen. Das erlaubt mir, mein Studium der Sovietunion anzuwenden – ein Bildungsabschluss, den ich sonst nie einsetzen durfte – und beschreiben, wie sie die Dinge so schnell umgewandelt haben.

Tatsache ist, dass die meisten Leute, die mit dem Imperium zu tun haben, selbst nicht böse sind. Der Imperator hat sich einen wirklich coolen Trick ausgedacht, um alle zu täuschen und sie dazu zu bringen, sich seiner kleinen Partei anzuschließen. Viele dieser Leute sehen sich selbst nicht als die Bösen.

Es ist auch lustig, dass dieses Buch direkt nach der Veröffentlichung der Taschenbuchausgabe von Kenobi erscheint. Ich freue mich über die Reaktionen, die ich auf dieses Buch bekommen habe. Es hat soeben hier auf der Comic-Con den Autorenpreis der Kategorie “Best Original Novel (Speculative Fiction)” der International Association of Media Tie-In Writers erhalten und das war irgendwie toll. Ich bin begeistert davon, wie gut dieses Buch ankam.

Wie steht es um deine eigene nahe Zukunft?
Nun, im Januar 2015 erscheint mein erster Star Trek-Roman. Er heißt Star Trek: The Next Generation: Takedown¹. Dafür sollte es ziemlich bald auch ein Titelbild geben. Es handelt sich um einen Picard-Riker-Roman, den zu schreiben mir wirklich Spaß gemacht hat.

Super! Aber ich denke mal, du verlässt das Star Wars-Universum nicht allzu bald.
Nein, nein. Ich schätze, es ist irgendwie Mode, dass Kerle namens J. J. gleichzeitig an beiden Universen arbeiten!

Es handelt sich um eine Geschichte, über die ich nun mal schon seit vielen Jahren nachgedacht habe. Ich freue mich, dass ich sie mit den Leuten, die [an Star Trek] arbeiten umsetzen durfte. Es ist auch schön, dass einem der Transporter zur Verfügung steht, denn dann muss man sich nicht um Dinge wie Shuttles und derlei sorgen!

Glaub ich gerne! In Ordnung, schließen wir das Interview mit einem speziellen Teaser ab, also etwas, bei dem du es kaum erwarten kannst, dass die Leser es in Star Wars: A New Dawn sehen.
Ich liebe diese Welt, die wir als Kanans Wohnort geschaffen haben. Es ist eine von vielen tausenden ähnlicher Welten… aber diese Welt hat im wahrsten Sinne keinen Sonnenaufgang [Anm. d. Übers, engl.: dawn]. Diese Welt hat eine gebundene Rotation um ihre Sonne und man kann nur auf ihrer dunklen Seite leben. Es wird also nie einen Sonnenaufgang geben oder alle werden sterben!

Ich durfte diese lustige kleine Gemeinde für Kanan entwickeln. Er lebt im Hinterzimmer einer Cantina, sodass er immer nahe an der Bar ist. [Er lacht.] Er hat diese seltsamen Jobs. Er fliegt Sprengstoff zum Mond und nachts fährt er die Betrunkenen von der Cantina nach Hause. Es ist… er hat seine eigene kleine Welt und all diese anderen Leute leben darin. Und wir sehen, wie diese Welten ziemlich oft einfach nur durch die Anwesenheit des Imperiums zerrissen werden.

Klingt für mich so, als wäre deine Welt auch ein Stück weit eine Metapher: es ist nur sicher, wenn man auf der „dunklen Seite“ lebt, aber wenn man ins Licht tritt lauert dort Gefahr?
[Er lacht.] Nun, ich habe nichts dagegen, wenn jemand irgendwo eine mögliche Symbolik findet.

Klingt doch so, als würde John Jackson Miller uns noch eine Weile als Star Wars-Autor erhalten bleiben. Ihr könnt das englische Hardcover von A New Dawn hier¹ vorbestellen.

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